Aller guten Dinge sind drei – schon zum dritten Mal gastiert die Geigerin Veronika Eberle am 26. Januar beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Diesmal musiziert sie zudem für den guten Zweck: Zusammen mit Chefdirigent Simon Rattle tritt Eberle beim alljährlichen Benefizkonzert des BRSO zugunsten des SZ-Adventskalenders auf. Das Violinkonzert von Beethoven wird bei ihr aber etwas anders klingen als gewohnt, wie sie uns verrät. BR-KLASSIK überträgt live im Radio und per Videostream.
Bildquelle: © Felix Broede
Das Interview zum Anhören
BR-KLASSIK: Frau Eberle, Sie kommen gerade aus der Probe zu Beethovens Violinkonzert – vermutlich ein schönes Wiedersehen mit unserem Symphonieorchester?
Veronika Eberle: Absolut. Es ist immer ein Traum, mit dem BRSO zu spielen. Das ist einfach unglaublich, was die hinzaubern können. Und gerade bei diesem Werk, das ja ein Meilenstein der Geigenliteratur ist, zu sehen, welche wahnsinnig schönen Momente da entstehen können – das macht wirklich Freude. Und dann natürlich auch diese fantastischen Solisten in den Kadenzen von Jörg Widmann an der Seite zu haben, ist eine Ehre und eine Riesenfreude.
BR-KLASSIK: Sie haben 2017 mit dem Violinkonzert von Alban Berg beim Symphonieorchester unter der Leitung von Yannick Nézet-Séguin debütiert, da waren Sie noch keine 30 Jahre alt. Haben Sie noch Erinnerungen an diese Aufführung?
Veronika Eberle: Ja, ganz hellwach ist die Erinnerung. Es war schon ein ganz wunderbares erstes Zusammenkommen. Das zweite Wiedersehen mit dem Violinkonzert von Miklós Rózsa kam dann vorletztes Jahr bei "Klassik am Odeonsplatz" – und ich bin glücklich, jetzt wieder hier zu sein. Aller guten Dinge sind drei!
BR-KLASSIK: Sie haben ja – kann man sagen – eine freundschaftliche Beziehung zu Sir Simon Rattle. Wie kam das? Wie hat das angefangen?
Sir Simon Rattle | Bildquelle: picture-alliance/dpa Veronika Eberle: Das liegt schon lange zurück. Mit 14 Jahren habe ich das Glück gehabt, ihn kennenlernen zu dürfen. Das ist eine ziemlich außergewöhnliche Geschichte, weil es über verschiedene Ecken gegangen ist. Ich hatte in Berlin in einer Seniorenresidenz ein Recital gespielt. Ein ehemaliger Cellist der Berliner Philharmoniker saß dort zufällig im Publikum; er kam nachher zu mir und meinte: Du musst unbedingt dem neuen Chefdirigenten bei den Berliner Philharmonikern, Simon Rattle, vorspielen. Und ich sagte: Ja, schön, aber da kommt man ja nicht ran. Da antwortete er: Gib mir mal Deine Kontaktdaten und lass mich mal machen. Ich habe ein Jahr lang nichts gehört, hatte das auch vergessen und dachte: Naja, da wird eh nichts draus. Und eines schönen Tages hat das Telefon geklingelt, und er meinte, in zwei Wochen kannst Du Sir Simon vorspielen. Es war natürlich ein großes Glück, diesen wunderbaren Menschen, Musiker und Dirigenten so jung schon kennenzulernen und dann als Mentor über die Jahre dabei zu haben.
Er war mit Herz und Seele bei der Sache und mit einer Hingabe, die ich bis heute bewundere.
BR-KLASSIK Sie haben es schon angesprochen: Beethoven hat ja zu seinem Violinkonzert keine Kadenzen hinterlassen. Sie spielen neu komponierte Kadenzen von Jörg Widmann. Wie ist es denn dazu gekommen?
Veronika Eberle: Als meine Londoner Debüt-CD mit Beethoven und Rattle anstand, hatte ich mich gefragt, welche Kadenzen ich nehmen sollte. Denn über die Jahre hinweg hatte ich viele verschiedene gespielt, angefangen von den Kreisler-Kadenzen bis hin zu Beethovens eigenen Kadenzen, die er aber nur für seine Klavierfassung des Violinkonzerts ausgeschrieben hat. Davon hatte ich eine Adaption gemacht – und trotzdem immer das Gefühl, dass es eigentlich für ein Tasteninstrument geschrieben ist und nicht für die Geige. Nach langem Überlegen dachte ich: Was fehlt, ist eigentlich einer der großen Komponisten der heutigen Zeit, der einmal einen neuen Blick auf dieses Werk wirft und uns Kadenzen zu den drei Sätzen schreibt. Und da kam mir sofort Jörg Widmann in den Sinn. Als ich ihn während der Corona-Pandemie fragte, war er erst zögerlich und meinte: Ah, Beethoven, dieser große Mann, den ich so verehre. Und dann noch das Violinkonzert – da kann ich mich doch nicht rantrauen. Lass mich mal überlegen. Und drei Tage später bekam ich dann eine SMS, in der geschrieben hat: Ich mache es, ich bin schon mittendrin – und wirklich, er war mit Herz und Seele bei der Sache und mit einer Hingabe, die ich bis heute bewundere.
Freitag, 26. Januar 2024, 20:00 Uhr
München, Herkulessaal der Residenz
Ludwig van Beethoven: Violinkonzert D-Dur, op. 61 (Kadenzen von Jörg Widmann)
Johannes Wiedenhofer: "Schnell" – Traum-Skizze für großes Orchester (UA)
Edward Elgar: "Enigma-Variationen", op. 36
Veronika Eberle (Violine)
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Sir Simon Rattle
BR-KLASSIK überträgt das Konzert live im Radio und im Videostream.
BR-KLASSIK: Es sind ganz außergewöhnliche, lange Kadenzen geworden, Widmann hat darin sehr raffiniert Beethoven-Motive verwoben. Und er hat nicht nur die Pauken einbezogen, sondern auch noch einen Solo-Kontrabass dazugenommen, manchmal sogar noch den Konzertmeister.
Jörg Widmann | Bildquelle: Sven Jakob-Engelmann / sounding images Veronika Eberle: Ja, er hat verschiedene Solisten aus dem Orchester mit eingebunden. Also die Idee an sich, dass er den Pauker als Soloinstrument mit in die Kadenz hineinnimmt, stammt zwar von Beethoven selbst; diese Kombination findet man schon in seiner Klavierversion des Violinkonzerts. Aber Jörg hat das Ganze dann eben ausgeweitet auf Solo-Kontrabass und den Konzertmeister – in der Kadenz des zweiten Satzes, die für mich was ganz Besonderes ist, weil es wirklich in die absolut himmlischen Sphären, ins Nichts geht und eine Stimmung kreiert, die einfach wunderbar ist.
Ich sehe ihn eigentlich als Beethoven unserer Zeit.
BR-KLASSIK: Diese Kadenzen von Jörg Widmann sind ganz schön virtuos. Das zu bewältigen ist vermutlich eine ganze eigene Herausforderung?
Veronika Eberle: Absolut, weil die Kadenzen an sich schon fast ein Stück im Stück sind sozusagen und doch auch eine ganz andere Technik erfordern als das Violinkonzert – da hin und her zu switchen ist nicht ohne. Aber es macht das Ganze auch frisch und enorm spannend. Widmann hat zudem Witz und geht auch ins Extreme. Ich sehe ihn eigentlich als Beethoven unserer Zeit.
BR-KLASSIK: Zur Beethoven-Zeit wurden ja von Solisten eigene Kadenzen erwartet. Sähen Sie sich überhaupt in der Lage dazu? Die Kunst der Improvisation wird heute ja zumindest in der Klassik nicht mehr gelehrt und nicht geübt.
Veronka Ebele bei "Klassik am Odeonsplatz" 2022 | Bildquelle: Markus Schlaf Veronika Eberle: Also zum Beethoven-Violinkonzert… Da müsste ich ein paar Mal schlucken. Selbst ein großer Komponist wie Jörg Widmann hat ja darüber erstmal nachgedacht. Aber zu anderen Konzerten, etwa von Haydn oder Mozart, macht es mir großen Spaß, und da mache ich sowas auch gern. Ich improvisiere zwar nicht spontan auf der Bühne, aber ich denke mir gerne was dazu aus.
BR-KLASSIK: Mitte der Woche gastieren Sie mit dem Konzert beim Neujahrsempfang der Bayerischen Vertretung in Berlin. Da können Sie ja gleich mal Werbung für das neue Konzerthaus im Münchner Werksviertel machen!
Veronika Eberle: Deshalb fahren wir ja hin (lacht) und werden dafür einstehen. Und ja, ich wünsche mir sehr, dass das Projekt zustande kommt.
BR-KLASSIK: Haben Sie als klassische Musikerin eigentlich auch eine Affinität zur Volksmusik?
Veronika Eberle: Sie meinen die bayerische, ja? (lacht) Ich höre es mir jetzt nicht freiwillig an, aber es ist ganz lustig: Mein kleiner Sohn findet es ganz großartig, wenn da irgendwelche Umzüge auf dem Land stattfinden und wir dabei sind, wenn da eine Stadtkapelle spielt und die da marschieren. Da läuft er mit seinen drei Jahren mit und findet diese Marschmusik und die bayerische Volksmusik irgendwie ganz attraktiv.
BR-KLASSIK: Ich denke gerade daran, weil Simon Rattle ja im Juli seinen Symphonischen Hoagascht mit bayerischen Blaskapellen macht.
Veronika Eberle: Absolut, ich bewundere ihn da sehr. Aber er ist einfach so offen und neugierig, für alles zu haben und auch zu begeistern. Und es stimmt schon, dass die bayerische Volksmusik eine große Tradition hat – in dem Sinne, dass sie einfach fantastische Bläser ausbildet.
Die Welt ist in Aufruhr, in jeglicher Hinsicht.
BR-KLASSIK: Frau Eberle, was treibt Sie persönlich als Künstlerin und als Mensch um, wenn Sie sich die Welt anschauen, so wie sie gerade ist?
Veronika Eberle: Die Welt ist in Aufruhr, in jeglicher Hinsicht. Und ja, ich hoffe das Beste. Und wenn man sieht, wie viele Leute in den letzten Tagen auf die Straßen gehen und für das Gute kämpfen und demonstrieren und einfach dabei sind – das gibt viel Hoffnung, finde ich.
BR-KLASSIK: Und wenn Sie an die Zukunft Ihres Sohnes denken?
Veronika Eberle: Dasselbe, also man will das Beste für das Kind in jeglicher Hinsicht. Da sind nicht nur all die Konflikte auf dieser Welt, sondern eben auch die Klimakrise, die wir haben. Und es gibt viele weitere Baustellen, die wir aber hoffentlich alle in Gemeinschaft anpacken und positiv verändern werden.
BR-KLASSIK: Am Freitag spielen Sie eben nun Beethoven beim Benefizkonzert zugunsten des SZ-Adventskalenders für gute Werke. Ich gehe mal davon aus, Sie sind gerne dabei. Welches Anliegen verbinden Sie damit?
Veronika Eberle: Ich habe jahrelang diese SZ-Benefizkonzerte verfolgt, finde es eine ganz wunderbare Veranstaltung und wirklich toll, dass eine Zeitung so etwas ins Leben gerufen hat und das auch jahrzehntelang weiterverfolgt. Und dass das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks da dabei ist, um dem Ganzen einen besonderen Stellenwert zu geben – eine große Ehre, dabei zu sein.
Sendung: "Allegro" am 26. Januar 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK