Wien, 10. Januar 1886. Anton Bruckners "Te Deum" wird durch den Wiener Singverein im Musikvereinssaal uraufgeführt, geleitet von Hans Richter. Mit diesem Werk erntete Bruckner größeren Erfolg als mit den meisten seiner Symphonien. Selbst die Kritik äußerte sich lobend.
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Was für ein Werk widmet man Gott? Eines mit einem liturgischen Inhalt oder zumindest einem christlichen Bezug? Vermutlich. Vielleicht sogar wahrscheinlich. Viel wichtiger ist aber, dass es ein Werk sein wird, das man selbst für würdig hält, sofern man gläubig ist. Anton Bruckner hielt sein "Te Deum“ für würdig. Mehr noch, er glaubte sogar, dass es eine Art Eintrittskarte in die jenseitige Welt sein könnte. So legt es zumindest der folgende, angeblich von Bruckner stammende Ausspruch nahe: "Wenn mich der liebe Gott einst zu sich ruft und fragt: 'Wo hast du die Talente, die ich dir gegeben habe?', dann halte ich ihm die Notenrolle mit meinem Te Deum hin, und er wird mir ein gnädiger Richter sein."
Und das will etwas heißen. Kaum eines seiner Werke kann dem eigenen Anspruch genügen. Bruckner wird bekannt dafür, dass er seine Schöpfungen stets und mehrfach überarbeitet. Sie bisweilen für "nichtig“ erklärt und nicht gelten lassen kann, was aus seinem eigenen inneren Drang entstanden ist. Beim "Te Deum“ ist es anders. Als "Stolz seines Lebens“ bezeichnet er diesen Hymnus für Chor, Solisten, Orchester und Orgel. Und Komponisten-Kollegen, Publikum und sogar Kritiker, zum Beispiel Bruckners "Erzfeind" Eduard Hanslick, stimmen ihm zu. Als das "Te Deum" am 10. Januar 1886 durch den Wiener Singverein unter der Leitung von Hans Richter uraufgeführt wird, zeichnet sich bereits ab, dass dieses Werk nicht nur vor Gott, sondern zunächst auch vor einer irdischen Zuhörerschaft Gefallen findet.
Übrigens widmet Bruckner noch ein anderes Werk dem lieben Gott: seine 9. Symphonie. Als er spürt, dass er sie vielleicht in diesem Leben nicht mehr vollenden wird, verfügt er – oder empfiehlt er – die Verwendung des "Te Deum“ als Finalsatz. Als letztes Wort also, seiner letzten Symphonie. Ja, Anton Bruckner hielt das "Te Deum" für gelungen.
Das "Te Deum“ entsteht in den Jahren zwischen 1881 und 1886 und basiert auf dem lateinischen Text eines Hymnus aus dem 4. Jahrhundert. "Te Deum Laudamus“ – "Wir loben Dich, oh Gott“. Bruckner greift in diesem fünftteiligen Werk auf verschiedene Kompositionstechniken und Stile unterschiedlicher Epochen zurück. Wie sonst könnte man einem ewigen Gott gerecht werden. Von der Gregorianik bis weit über seine eigene Zeit hinaus reicht Bruckners musikalischer Lobgesang. Und hier ist er wirklich bei sich, hier bricht sich seine tiefe Religiosität Bahn. Mit nur knapp über 20 Minuten Länge ist das "Te Deum“ eines der kürzesten Werke Bruckners und es mag sein, dass dieser Umstand auch mit zu seiner großen Popularität beigetragen hat. Das "Te Deum“ eignet sich so nämlich auch als Konzertstück.
Der Dirigent Hans Richter, der die Uraufführung des "Te Deum" leitete, und Anton Bruckner. Scherenschnitt von Otto Böhler. | Bildquelle: picture-alliance / akg-images
Das "Te Deum" gliedert sich in fünf Abschnitte:
Te Deum laudamus
Te ergo quaesumus
Aeterna fac
Salvum fac populum tuum
In Te, Domine speravi
Gleich zu Beginn wird dieses gewaltige Chorwerk mit einem Allegro-Satz als "Gottes Lob“ in C-Dur eröffnet. Streicher, Chor und Orgel zeichnen ein Bild der himmlischen Heerscharen. Der Chor übernimmt quasi die Funktion der Gott preisenden Apostel. Während die Solisten bald darauf von Engeln sprechen. Aber im Gegensatz zur Klanggewalt des Chores beten sie leise und voller Andacht. Das Glaubensbekenntnis des ersten Teils endet wieder mit der vollen Klanggewalt des Chors.
Im deutlich kürzeren zweiten Teil in f-Moll, fleht der Solo-Tenor um himmlischen Beistand. Unterstützt wird er hierbei von den restlichen Solisten und einem wunderbaren Violin-Solo.
Der dritte Teil in Bruckners typischer Tonart d-Moll bricht quasi über die Hörerinnen und Hörer herein. Die gesamte Wucht des Chores muss sich gegen das aufbrausende Orchester durchsetzen. "Aeterna fac cum Sanctis tuis ingloria numerari“ bittet der Text – "In der ewigen Herrlichkeit zähle uns zu Deinen Heiligen“.
Der vierte Teil erinnert und zitiert. Gleich zu Beginn wird das Tenor-Solo aus dem zweiten Satz wiederholt und durch ein Bass-Solo erweitert. Am Ende fleht der Chor um Erbarmen.
In lichtem C-Dur eröffnet der fünfte Teil des Te Deums und schlägt damit einen Bogen zur Tonart des Eröffnungssatzes. Hoffnung und Freude prägen dieses Finale, das mit dem Solisten-Quartett beginnt und sich zu einer grandiosen Doppelfuge entwickelt. Das Finale gipfelt in den Worten "non confundar in aeternum“ - "Dass ich in Ewigkeit nicht vergehe“. Darum geht es Bruckner, den Glauben auf das ewige Heil. Mit Fanfaren und Chor öffnet er den Himmel, damit schließlich der Solo-Sopran bis zum hohen C hinauffliegen kann.
"A.M.D.G." schreibt Bruckner über die Partitur des "Te Deum“. "Ad maiorem Die gloriam“, also "zur größeren Ehre Gottes“. Bis heute ist es vielleicht sein am häufigsten aufgeführtes Vokalwerk. Und bis heute erfüllt es die Zuhörerinnen und Zuhörer mit Andacht und Bewunderung für dieses Musik gewordene Glaubensbekenntnis eines großen Komponisten.
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Bruckner: "Te Deum" mit John Eliot Gardiner | SHMF 1993 | NDR Elbphilharmonie Orchester
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