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Dvořáks Cellokonzert wird uraufgeführt ... und er tut es doch!

London, 19. März 1896. Antonín Dvořáks Cellokonzert wird uraufgeführt. Dabei hatte er nie vorgehabt, dieses Genre zu bedienen, da er das Violoncello eigentlich nicht mochte ...

Bildquelle: picture alliance / Prisma Archivo

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"Warum habe ich nicht gewusst, dass man ein Cellokonzert wie dieses schreiben kann? Hätte ich es gewusst, hätte ich schon vor langer Zeit eines geschrieben!" Von Johannes Brahms kommt diese Aussage und er meint das unvergleichliche Cellokonzert in h-Moll von Antonin Dvořák. Ja, Dvořák selbst ist vermutlich auch überrascht, wie großartig ihm dieses Werk gelungen ist. Denn eigentlich will er es gar nicht schreiben. Schon deshalb nicht, weil er Cello für ein Instrument hält, das, nach eigener Aussage, zwar in den Mittellagen durchaus seine Berechtigung als Orchesterstimme hat, als Solo-Instrument aber nicht überzeugt.

Warum schreibt Dvořák sein Cellokonzert?

"Ein Stück Holz, das oben kreischt und unten brummt", so soll er es angeblich mal ausgedrückt haben. Und dann tut er es doch: Er schreibt ein Cellokonzert. Übrigens ist das sein zweiter Anlauf. Ein erstes Werk in A-Dur hat er schon 1865 angefangen, aber weder veröffentlicht noch orchestriert. Immer wieder versuchen Cellisten ihn doch noch dazu zu bewegen, für ihr Instrument zu komponieren. Zwecklos. Dvořák will das Cello nicht bedienen. Und was bringt ihn dann doch noch dazu?

Besuch an den Niagarafällen

Die Niagarafälle. Ja, das ist jetzt überraschend, aber Dvořák hat sie 1893 besichtigt und soll wie hypnotisiert gewesen sein. Schließlich muss er es auf den Punkt gebracht haben: "Herrgott, das wird eine Symphonie in h-Moll". Ist es dann nicht geworden, sondern ein Cello-Konzert, das aber wiederum bisweilen auch den Spitznamen "Symphonie" trägt.

Bezaubert von Victor Herberts Konzert

Victor Herbert, amerikanischer Komponist | Bildquelle: picture-alliance/dpa Der Komponist Victor Herbert. Sein Cellokonzert inspirierte Dvořák dazu, selbst eines zu schreiben. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Noch eine Inspirationsquelle gibt es: Für knapp drei Jahre, von 1892 bis 1895, lebt Dvořák mit einem Teil seiner Familie in Amerika und während dieses Aufenthalts beginnt er auch die Komposition des Cellokonzerts. Angeblich nachdem er das sehr lyrische Cello-Konzert seines amerikanischen Komponisten-Kollege Victor Herbert gehört hat. Und überraschenderweise hat das Solo-Instrument weder genäselt noch gebrummt, sondern Dvořák bezaubert.
Und schon ist er dabei. Gleich der erste Satz ist so mitreißend, so voller musikalischer Ideen, dass es scheint, als hätte Dvořák doch sehr viel Freude an der Arbeit gehabt. Was ihn bewegt, findet Eingang in diese Musik, so wie z.B. die Sehnsucht nach seiner böhmischen Heimat, ausgedrückt, in Anklängen an böhmische Volksmusik und warmem Streicherklang. Und dann passiert noch etwas, was das h-Moll-Konzert zu dem macht, was es ist…

"Lasst mich allein"

"Lasst mich allein", lautet der Titel eines Liedes, das Dvořák 1888 komponiert hatte. Es ist das Lieblingslied seiner Schwägerin Josefine. Einer unerfüllten, aber tiefen Jugendliebe. Während Dvořák also in Amerika ist, erreicht ihn die Nachricht, dass Josefine an einer schweren Herzkrankheit leidet. Dvořák ist erschüttert und bettet Josefines Lieblingsmusik als Thema in den zweiten Satz. Noch heute gehört dieses musikalische Denkmal zu den Gänsehaut-Momenten des großen Repertoires. Und noch mehr tut Dvořák für Josefine. Als sie stirbt, noch bevor die Komposition abgeschlossen ist, ändert er den Finalsatz und zitiert noch einmal Josefines Lied, anstelle der zu erwartenden Kadenz des Solisten.

Keine Kadenz

Die Sache mit der Kadenz hat aber auch noch einen anderen Grund: Da Dvořák ja zunächst ein nicht ganz so ein inniges Verhältnis zum Cello hat, lässt er sich während der Arbeit vom befreundeten Cellisten Hanuš Wihan beraten. Der übertreibt es dann aber, indem er sich zu sehr einbringt und noch dazu eine eigene Kadenz für den Finalsatz vorlegt, in der der Solist so richtig glänzen kann. Dvořák lehnt ab und es gibt keine Kadenz zum Schluss. Nur Josefines Lied und einen grandiosen Schluss, der das Cellokonzert h-Moll, op.104, für immer in den Olymp der Publikumslieblinge erhebt.

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hr-Sinfonieorchester, Paavo Järvi & Jan Vogler · Dvořák: Cellokonzert h-Moll | Bildquelle: Dresdner Musikfestspiele (via YouTube)

hr-Sinfonieorchester, Paavo Järvi & Jan Vogler · Dvořák: Cellokonzert h-Moll

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Sendung: "Allegro" am 19. März 2024 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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