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Schwarze Musiker feiern Dvořák Stärkung der afroamerikanischen Musik

The New York Herald vom 28. Mai 1893: Antonin Dvořák bricht eine Lanze für die Schwarze Community in den USA. Und bereitet damit den Boden für eine nationale amerikanische Musik – auch wenn er bei prominenten Zeitgenossen auf Widerstand stößt.

Der Komponist Antonín Dvořák | Bildquelle: picture alliance / akg-images

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Die Diskussion schwelt schon seit einer Woche. Den Stein ins Rollen gebracht hatte ein Reporter des New York Herold. In der letzten Sonntagsausgabe hat er Antonín Dvořák, seines Zeichens Direktor des National Conservatory of Music in New York, mit der Aussage zitiert, die Melodien der Afroamerikaner seien eine gute Grundlage für die zukünftige Musik des Landes.

In ihnen finde ich alles, was für eine bedeutende und vornehme Schule der Musik nötig ist.
Antonín Dvořák über afroamerikanische Melodien

Gegenwind auch von Anton Bruckner

Damit hat Dvořák eine Lawine losgetreten. Beim alten Anton Bruckner in Wien gerät das Weltbild ins Wanken: "Wie süß diese Melodien auch sein mögen, können sie doch niemals die Grundlage der künftigen Musik Amerikas bilden" - schließlich, so Bruckner, finde sich auch in der deutschen Musik keine einzige Note davon. Auch der weiße US-Pianist Edward MacDowell gibt sich irritiert: "Uns hier in Amerika wurde vom Böhmen Dvořák ein Schnittmuster für ein amerikanisches Musikgewand angeboten. Aber was solche Melodien mit amerikanischer Kunst zu tun haben sollen, das bleibt sein Geheimnis."

Dvořáks Stellungnahmen: "Sieg im Kampf um Gleichberechtigung"

Dvořák aber lässt sich nicht abbringen von seinen Überzeugungen. Seit einem knappen Jahr lebt er in den USA, hat viel gesehen, gehört, gelernt. Nun, am 28. Mai, meldet er sich mit einem ausführlichen Artikel selbst zu Wort. Und stellt noch einmal klar, die afroamerikanischen Melodien seien seiner Auffassung nach "eine sichere Grundlage für eine neue amerikanische Musikschule. Diese muss ihre Wurzeln tief in ihrem eigenen Boden schlagen." Und Dvořák setzt noch eins drauf, um das Selbstbewusstsein der aufstrebenden Kulturnation zu stärken: Es gibt keinen Grund mehr, warum junge talentierte Amerikaner für ihre Ausbildung nach Europa gehen sollten.

Der Unterricht am National Conservatory of Music ist so gut wie anderswo auch.
Antonín Dvořák

Schließlich vermeldet die Zeitung noch eine kleine Sensation: Dvořák habe gerade eine Sinfonie fertiggestellt, die die vieldiskutierten afroamerikanischen Melodien aufgreife. Dvořáks Sinfonie "Aus der Neuen Welt" (die er wenige Tage zuvor vollendet hat) und seine Statements im New York Herald – sie sind ein kräftiges und nachhaltiges Empowerment für die afroamerikanische Musik. Schwarze Musiker feiern Dvořák als ihren "besten Freund von weit jenseits des Ozeans" und seine Stellungnahmen als "Triumph der Söhne und Töchter der Sklaverei und als Sieg im Kampf um Gleichberechtigung".

Was heute geschah

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 7:40 Uhr, um 12:30 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.

Sendung: "Allegro" am 27. Mai 2024 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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