Maria Callas, Mythos, Kultfigur, unsterblicher Megastar der Opernwelt. Sie sei "Energien pur" hat Leonard Bernstein über sie gesagt, und nicht nur für ihre Fans gilt sie als "Diva assoluta" ihrer Zeit. Die Bedeutung der Sängerin mit der Stimme, der kein Geheimnis des Lebens fremd war, ging jedoch weit über die Musik hinaus. Die Callas war ein Phänomen, das sich durchaus mit Ikonen der Pop-Kultur vergleichen lässt. Am 16. September 1977 starb die große Sopranistin im Alter von 53 Jahren.
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Wenn große Göttinnen der Opernbühnen oder Kinoleinwand von uns gehen, fällt es uns "Durchschnittsmenschen" schwer, dies zu akzeptieren. Vor allem, wenn dies "plötzlich und unerwartet" geschieht. Dann suchen wir nach Erklärungen, fordern Antworten auf Fragen, auf die es keine zufriedenstellenden Antworten gibt. Maria Callas einsamer, in mancher Hinsicht rätselhafter Tod ist ein Beispiel dafür.
Was darüber erzählt wird, ist Folgendes: Am 16. September 1977 hält sich die Sängerin, die 1923 als Tochter griechischer Einwanderer in New York geboren worden war, in ihrem Appartement in der Pariser Avenue Georges-Mandel auf. Sie schläft bis in den frühen Nachmittag. Anschließend frühstückt sie im Bett und begibt sich ins Badezimmer. Dort kollabiert sie.
Maria Callas als "Medea" 1968 | Bildquelle: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Keystone Pictures USA Hausangestellte bringen Maria zurück ins Schlafzimmer und geben ihr starken Kaffee zu trinken. Als endlich ein Arzt erscheint, kommt jede Hilfe zu spät. Das Herz der "größten Diva des 20. Jahrhunderts" hat aufgehört zu schlagen. "Einen letzten Blick auf Maria Callas gewährte uns gestern ihr künstlerischer Direktor Michel Glotz, der sie sah, kurz nachdem sie gestorben war", lesen wir im Nachruf, den der englische "Guardian" am 17. September veröffentlicht: "Es war das Bild von La Traviata, so wie sie diese 1956 in der Scala gespielt hat", sagte Glotz. "Ihr Gesicht hatte keine einzige Falte. Es wirkte, als ob sie sich nur ausruhen würde."
Genies sind wie Kometen, die in einem kurzen, intensiven Leben voller Reibung hell erstrahlen, um allzu früh zu verglühen. Es mag ein Klischee sein, dessen Wahrheitsgehalt auffällig viele Künstlerbiographien zu bestätigen scheinen. "Die göttliche Callas ist tot", lautet eine der vielen Schlagzeilen der internationalen Presse. Maria Callas wurde 53 Jahre alt. Die Musikwelt trauert, Kollegen und Fans sind schockiert. Für Insider ist der Tod der charismatischen Sopranistin dagegen keine große Überraschung.
Zum 100. Geburtstag von Maria Callas feiert BR-KLASSIK die Diva mit einem umfangreichen Online-Dossier. Darin erinnern wir mit Videos, Hintergrundinfos und Anekdoten an das Leben der Jahrhundertsängerin.
"Miss Callas hatte Freunden gegenüber geäußert, sie sei um ihre Gesundheit besorgt", hatte beispielsweise die "New York Times" recherchiert. Von Gewichtsproblemen und selbstzerstörerischen Diäten ist die Rede. "Ihre Sicht auf die Welt war völlig deprimierend. Ich hatte das schreckliche Gefühl, vor mir befand sich eine Frau, die alle Möglichkeiten hinter sich gelassen hat", erinnert sich der Dirigent Jeffrey Tate an eine letzte Begegnung. Zwar war die 53-jährige Callas nicht "offensichtlich krank", dennoch litt sie: am Verlust jugendlicher Schönheit, an der Erosion ihrer Stimme und an persönlichen Tragödien.
War es Verbitterung, Erschöpfung oder Überdruss? Während der letzten Jahre ihres Lebens hatte sich die Callas völlig in ihr Pariser Apartment zurückgezogen. Dem öffentlichen Interesse konnte sie trotz ihrer freiwilligen Isolation nicht entfliehen. Galt sie doch als gesellschaftliche und kulturelle Ikone.
Noch-Ehemann Giovanni Battista Meneghini, Maria Callas und Aristoteles Onassis im Jahr 1957 | Bildquelle: picture-alliance / dpa | Publifoto Ihre Biographie war Allgemeingut: Zeitungsleser rund um den Globus waren mit ihren einstigen Triumphen und künstlerischen Krisen, mit der emotionalen Wucht ihre Bühnendarstellung und ihren Skandalen genauso vertraut wie mit ihrem melodramatischen Privatleben. "Griechisches Feuer" hatte der Autor Nicolas Gage ihre Beziehung zum Multimillionär Aristoteles Onassis genannt. Eine Affäre ohne Happy-End: Onassis hatte die Callas verlassen, um die amerikanische Präsidenten-Witwe Jaqueline Kennedy zu heiraten. Kein Wunder, dass die Boulevard-Presse schrieb, die "Diva aller Diven" sei an gebrochenem Herzen gestorben.
"Herzversagen" lautet in der Tat die offizielle Todesursache. Was aber geschah wirklich, an jenem 16. September 1977 in der Avenue Georges-Mandel? Woran starb die Callas? Gerüchte von Selbstmord und Tablettenüberdosis machen bis heute die Runde. Warum gab es keine ernst zu nehmende Autopsie, warum wurde die Leiche allzu schnell verbrannt?
Die Trauerfeier wird in St. Stephan, der griechisch-orthodoxen Kathedrale von Paris, abgehalten, die Urne auf dem Friedhof Père Lachaise beigesetzt, auf dem von Frédéric Chopin bis Edith Piaf viele Berühmtheiten aus Kunst und Kultur ihre letzte Ruhestätte haben. Auch nach ihrer Beerdigung wird Maria Callas keinen Frieden finden. Ihre Urne verschwindet auf mysteriöse Art und Weise. Als der Diebstahl publik wird, tauchen die sterblichen Überreste der Sopranistin wieder auf, ohne dass der Fall jemals geklärt wird. Zwar gibt es heute im Colombarium von Père Lachaise eine unscheinbare, quadratische Grabplatte, in die der Name Maria Callas eingemeißelt ist, nur ist die Nische dahinter leer.
1979 ist die Sängerin posthum in die Heimat ihrer Vorfahren zurückgekehrt. So wie Maria Callas es sich angeblich gewünscht hatte, wird ihre Asche nach Griechenland überführt und dort in einem symbolhaften Akt ins Ionische Meer gestreut. Dies vor Skorpios, der Privatinsel, die im Besitz des 1975 verstorbenen Aristoteles Onassis gewesen war, und auf der die große Liebe ihres Lebens begraben liegt.
Sendung: "Piazza" am 2. Dezember 2023 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK