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Maria Callas zum 100. Geburtstag Das letzte Märchen

Sie hat den Belcanto neu definiert, den Opernrollen ihre Glaubwürdigkeit zurückgegeben und eine Karriere voller Höhen und Tiefen durchlebt. Als zum Teil selbst inszenierte Diva stand sie im Rampenlicht, und die Nachwelt hat sie schließlich zum Mythos verklärt. Keine Sängerin des 20. Jahrhunderts hat so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen wie Maria Callas – auf der Bühne wie im Privatleben.

Maria Callas in der Oper "La Traviata" im Royal Opera House in London. | Bildquelle: © picture alliance / empics

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Zwei Worte, drei Noten. Kein spektakulärer Spitzenton, keine virtuose Koloratur, kein Arienschluss. Eigentlich nichts. Doch das Publikum bricht mitten in der Szene in Brava-Rufe aus. So etwas gelingt nur der Callas. "Son'io" – "Ich bin es, Norma", singt sie und legt in diese zwei Worte und drei Noten das ganze Leben. Das von Bellinis Opernfigur und vielleicht auch ein Stück von ihrem eigenen. Dieses Maximum an Emotion in scheinbar kleinen Gesten, diese ganz direkte Wirkung, dieses unmittelbar Elektrisierende, was von der Callas ausgeht, kann man auch auf einem Live-Mitschnitt aus der Mailänder Scala spüren. Bei dieser Norma-Aufführung am 7. Dezember 1955 knistert es zwischen Bühne und Zuschauerraum, und so ist es bei allen Auftritten der Callas.

Wenn die Callas anfängt ein Bellini-Rezitativ zu singen, fange ich an zu weinen.
Christa Ludwig, Mezzosopranistin

Von Amerika in die alte Heimat

Maria Callas kommt am 2. Dezember 1923 in New York als Kind griechischer Einwanderer zur Welt. Kurz zuvor hatten sich Georges und Evangelia Kalogeropoulou in Amerika niedergelassen. Der Vater ändert den Familiennamen in Callas, damit ihn die Amerikaner leichter aussprechen können. Einige Jahre später trennt sich die Mutter von ihrem Mann und geht mit Maria und ihrer älteren Schwester zurück in die alte Heimat.

Maria Callas – das Jubiläum auf BR-KLASSIK

Montag, 27.11., 19.05 Uhr: con passione
Montag, 27.11., 22.00 Uhr: Klassik für Klugscheißer
Freitag, 1.12., 19.05 Uhr: Das Musikfeature
Samstag, 2.12., 11.05 Uhr: Meine Musik
Samstag, 2.12., 13.05 Uhr: Cantabile
Samstag, 2.12., 19.05 Uhr: Opernabend – "La Bohème"
Sonntag, 3.12., 20.03 Uhr: "Die Göttliche"

Um Maria am Athener Konservatorium unterzubringen, fälscht sie kurzerhand die Papiere und macht sie zwei Jahre älter, da sie mit knapp 14 Jahren eigentlich noch zu jung ist, um dort aufgenommen zu werden. Insbesondere der Unterricht bei der spanischen Sängerin Elvira de Hidalgo wird sie künstlerisch und menschlich prägen. Elvira de Hidalgo bringt Maria nicht nur Gesangstechnik bei, sondern zeigt ihr auch, wie man sich kleidet, wie man sich auf der Bühne bewegt und wie man für seine Interessen kämpft.

Maria Callas – ihr Leben in Bildern

Die erste Karriere in Athen

Marias erste Opernrolle ist die Santuzza in Cavalleria rusticana bei einer Studentenaufführung am Konservatorium. Ihr professionelles Bühnendebüt hat sie 1941 in der Operette Boccaccio von Franz von Suppè an der Griechischen Nationaloper. Kurz zuvor hatte sie einen Vertrag mit der noch ganz jungen Kompanie unterschrieben, eigentlich als Chorsängerin, jedoch werden ihr gleich Solorollen angeboten.

Sie war ein Gründungsmitglied der Griechischen Nationaloper.
Sophia Kompotiati, Musikwissenschaftlerin an der Griechischen Nationaloper

Maria Callas als Tosca | Bildquelle: picture-alliance/dpa Maria Callas als Tosca | Bildquelle: picture-alliance/dpa In den folgenden Jahren singt Maria Callas ein für eine Anfängerin erstaunliches Repertoire von Operette bis hin zur Fidelio-Leonore und zu Martha in Eugen d’Alberts Tiefland – zu dieser Zeit noch als Maria oder manchmal Mariana Kalogeropoulou. Mit 19 Jahren debütiert sie bereits in der Rolle, die sie ein Leben lang begleiten wird und mit der sie später ihre Bühnenkarriere beenden wird: Puccinis Tosca – in griechischer Sprache.

BR-KLASSIK Dossier

Zum 100. Geburtstag von Maria Callas feiert BR-KLASSIK die Diva mit einem umfangreichen Online-Dossier. Darin erinnern wir mit Videos, Hintergrundinfos und Anekdoten an das Leben der Jahrhundertsängerin.

Maria Callas gibt sich trotz ihrer amerikanischen Staatsbürgerschaft immer als überzeugte Griechin und nennt die Zeit an der Griechischen Nationaloper ihre erste Karriere, die sie auf alle Herausforderungen des Opernbetriebs vorbereitet hat. Aus Dankbarkeit gegenüber der Athener Oper spendet sie bei späteren Auftritten in Griechenland ihre Gage zur Gründung einer Organisation, um junge Sängerinnen und Sänger zu unterstützen.

Die zweite Karriere

Maria Callas mit ihrem Mann Giovanni Battista Meneghini ca. 1950. | Bildquelle: © picture alliance / Heritage Images 1950: Maria Callas mit Ehemann Giovanni Battista Meneghini | Bildquelle: © picture alliance / Heritage Images 1945 verlässt Maria Callas Griechenland nicht ganz freiwillig, wie der Musikwissenschaftler Arnold Jacobshagen berichtet: "Da sie von der deutschen Besatzungsmacht relativ stark protegiert wurde, hat man sie an der Athener Oper rausgeworfen." Nach einem kurzen Intermezzo in Amerika, wo es ihr nicht gelingt, Fuß zu fassen, hat sie ihren internationalen Durchbruch 1947 in der Arena di Verona in Amilcare Ponchiellis La Gioconda. Der Beginn ihrer, wie sie sagt, zweiten Karriere. Zu dieser Zeit lernt sie den 27 Jahre älteren Industriellen Giovanni Battista Meneghini kennen, ihren späteren Ehemann, der auch ihr Manager wird.

Es ist allerdings der Dirigent Tullio Serafin, der sie maßgeblich fördert und an alle wichtigen Theater Italiens bringt, bis schließlich auch die Mailänder Scala auf sie aufmerksam wird. Hier feiert sie ihre größten Triumphe, hier wird sie später aber auch die Ablehnung von Publikum und Öffentlichkeit zu spüren bekommen. Zunächst singt Maria Callas vor allem schweres Fach: Turandot, Aida, Abigaille und einige Wagner-Rollen, die sie jedoch bald ad acta legt. Mehr und mehr verlagert sie sich auf den Belcanto und entdeckt viele bis dahin so gut wie unbekannte Opern neu: Bellinis Il pirata, Rossinis Armida, Donizettis Anna Bolena.

Sie hat etwas Innovatives in den Belcanto gebracht.
Elisabeth Bronfen, Literatur- und Kulturwissenschaftlerin

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Maria Callas sings "Casta Diva" (Bellini: Norma, Act 1) | Bildquelle: Warner Classics (via YouTube)

Maria Callas sings "Casta Diva" (Bellini: Norma, Act 1)

Vor allem mit ihrer Lebensrolle Norma reißt sie das Publikum weltweit zu Begeisterungsstürmen hin. Daneben werden Traviata, Lucia, Tosca und Medea zu ihren zentralen Partien. Zerbrechliche Frauen und Heroinen. Die Leidenden und die Kämpfenden. Zwei Seiten einer Persönlichkeit. Maria Callas, die in ihren Bühnenfiguren aufgeht.

Neues Repertoire, neues Aussehen

Die Operndiva Maria Callas (eigentlich Maria Calogeropoulos) in ihrer Mailänder Wohnung im Jahr 1957.  | Bildquelle: picture-alliance / dpa | Ipol Archiv 1188 Maria Callas 1957 in ihrer Mailänder Wohnung | Bildquelle: picture-alliance / dpa | Ipol Archiv 1188 Mit der Veränderung des Repertoires in Richtung Belcanto geht auch eine äußerliche Veränderung einher. Innerhalb weniger Jahre nimmt Maria Callas drastisch ab, und aus der rundlichen Frau, die nach eigenen Aussagen zunächst 92 Kilo gewogen hat, wird die schlanke Diva im Look der 1950er Jahre. Ihr Vorbild ist Audrey Hepburn, in ihrem Aussehen inszeniert sich die Callas immer mehr in Stil des Filmstars. "Sie wollte denselben Klang erzeugen wie früher, es gelang ihr aber nicht mehr auf dieselbe Art und Weise", so der Belcanto-Spezialist Richard Bonynge. Er erklärt, dass die Callas beim Singen nun viele Muskeln benutzen muss, die sie sonst nicht benutzt hätte. "Ihr Gewichtsverlust hat sich sehr stark auf ihre Stimme ausgewirkt. Das ist ein Grund, warum ihre Karriere so kurz war."

Ihr Gewichtsverlust hat sich sehr stark auf ihre Stimme ausgewirkt.
Richard Bonynge, Dirigent

Maria Callas in der ARD Mediathek

Unter dem Motto "100 Jahre Maria Callas – Mythos gewordene Operndiva" gibt es einen Schwerpunkt zum Jubiläum bei ARD-Klassik in der ARD Mediathek.

Frühes Karriereende

Giovanni Battista Meneghini, seine Frau Maria Callas und Aristoteles Onassis stehen im September 1957 am Badestrand von Venedig hinter der Hollywood-Klatschkolumnistin Elsa Maxwell (vorn). | Bildquelle: picture-alliance / dpa | Publifoto 1957: Noch-Ehemann Giovanni Battista Meneghini, Maria Callas, Aristoteles Onassis | Bildquelle: picture-alliance / dpa | Publifoto Ab Mitte der 1950er Jahre rücken zunehmend das Privatleben der Callas und angebliche Skandale in den Vordergrund. Die Sängerin wird mehr und mehr auch zu einer Person des öffentlichen Interesses. Zudem machen sich erste stimmliche Probleme bemerkbar. In diese Zeit fällt auch die Begegnung mit dem griechischen Reeder Aristoteles Onassis und das Zerwürfnis mit ihrem Ehemann Giovanni Battista Meneghini. Die Callas reduziert ihre Bühnenauftritte und stürzt sich in ein Jetset-Leben an der Seite von Onassis.

Eine Tosca-Aufführung am 5. Juli 1965 in London ist der letzte Opernauftritt von Maria Callas. Der Versuch eines Comebacks Anfang der 1970er Jahre mit einer großen Welttournee zusammen mit Giuseppe di Stefano wird zu einen zwiespältigen Triumph und schließlich zum endgültigen Abschied vom Gesang. Danach zieht sich die Callas zunehmend in die Einsamkeit zurück.

Sie ist gestorben, weil ihr Leben das Theater war. Und sie ist gestorben, als ihre Stimme gestorben ist.
Raina Kabaivanska, Sopranistin

Von der Sängerin zum Mythos

Maria Callas am Theater de Champs Elysees in Paris, mit Dirigent Georges Pretre, June 5, 1963 | Bildquelle: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Jean-Jacques Levy Maria Callas 1963 mit Georges Pretre | Bildquelle: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Jean-Jacques Levy Als Maria Callas völlig unerwartet mit nur 53 Jahren in ihrer Pariser Wohnung an Herzversagen stirbt, wird die berühmte Opernsängerin von der Nachwelt zum Mythos stilisiert. Die rasante aber kurze Karriere, die Triumphe und das Scheitern, die tragischen Ereignisse des Lebens, die Einsamkeit der letzten Jahre – all das trägt zur Legendenbildung bei. Maria Callas, die die Schriftstellerin Ingeborg Bachmann als "letztes Märchen" und "letzte Wirklichkeit" beschrieben hat, beflügelte Phantasien und war dabei zutiefst wahrhaftig. Der Dirigent Richard Bonynge bringt das Phänomen Callas auf den Punkt: "Sie machte einfach großartiges Theater."

Sendung: "Musikfeature" am 1. Dezember 2023 um 19:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (3)

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Montag, 04.Dezember, 10:42 Uhr

Ingrid Berger

Schade!

Schade, daß die Meine Musik Sendung in der Liste nicht aufgeführt war (mit Eva Gesine Bauer)! Ich habe so leider die erste Hälfte verpaßt ... Kann man die Sendung nachhören?

Sonntag, 26.November, 05:35 Uhr

Beate Schwärzler

"Die" Callas

Oh.

Freitag, 24.November, 23:13 Uhr

Manfred Hebelt

Es wird ein schöner Film werden der sich bezahlt macht

Mit freundlichen Grüßen

Manfred Hebelt Spanien

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