Down Ampney in der englischen Grafschaft Gloucestershire, am 12. Oktober 1872. Das Klima ist mild im Süden Englands, und ein Kind, das Anfang Oktober hier geboren wird, hat, bevor der Winter kommt, noch viel Zeit, die Landschaft seiner Geburt in sich aufzunehmen. Das volle Grün der Wiesen, den sanften Schwung der Hügel, die klar und träge dahinströmenden Flüsse.
Bildquelle: picture alliance/Mary Evans Picture Library
Das Kalenderblatt zum Anhören
Ja, manchmal glaubt man, dieses Sehnsuchts-England herauszuhören aus der Musik, die Ralph Vaughan Williams später einmal schreiben wird. Der kleine Ralph wird in eine betuchte Familie hineingeboren. Als sich die musikalische Begabung des Jungen offenbart, fehlt es weder an Geld noch an Platz, um in der Eingangshalle des Elternhauses eine Orgel aufstellen zu lassen.
Vaughan Williams studiert am Royal College of Music in London, später privat bei Maurice Ravel in Paris. 1910 geht mit dem Geniestreich der "Fantasie über ein Thema von Thomas Tallis" der Stern des Komponisten endgültig am Musikhimmel auf. Doch Vaughan Williams kann auch anders als schwelgerisch spätromantisch. Die Vierte und die Sechste Symphonie sind von solch expressiver Wut, dass sie noch heute verunsichern können.
Als Ralph Vaughan Williams geboren wird, ist Johannes Brahms' Erste Symphonie noch nicht uraufgeführt. Als er 1958 mit 85 Jahren stirbt, komponiert John Cage gerade sein Klavierkonzert. Ein bisschen wirkt er in jenen letzten Jahren wie ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten. Heute, mit etwas Abstand können wir sehen, wer er war: einer der ganz großen Symphoniker des zwanzigsten Jahrhunderts.
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.
Vaughan Williams: Fantasia on a Theme by Thomas Tallis / Oundjian · Toronto Symphony Orchestra
Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 7:40 Uhr, um 13:30 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.
Sendung: "Allegro" am 12. Oktober 2022 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK