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Ravels "Boléro" wird uraufgeführt Ist der Komponist wahnsinnig geworden?

Paris, 22. November 1928. Maurice Ravels "Boléro" wird uraufgeführt. Ein einfacher Rhythmus in Endlosschleife – das ist das Markenzeichen dieses Werks. Ursprünglich als Ballett konzipiert, ist Ravels "Boléro" mittlerweile aus den Konzertsälen nicht mehr wegzudenken. Allerdings waren nicht alle bei der Uraufführung in Paris begeistert.

Bildquelle: gallica.bnf.fr

Der Mann ist ja verrückt!

So habe eine Dame am Abend der Uraufführung, unter dem Eindruck der Komposition, reagiert. Und Ravel habe daraufhin gemeint, dass sie die einzige sei, die das Stück verstanden hätte. Es ist nicht bekannt, ob die Dame damit sagen wollte, dass der "Boléro" ihr gefallen hat. Klar ist jedenfalls, dass heutzutage niemand mehr "den Mann" verrückt findet. Ravels "Boléro" gehört zu den "Top Twenty" der klassischen Evergreens, am Meeresstrand erklingt er aus Ohrstöpseln und Kofferradios, und in einem populären Kinofilm zieht Bo Derek zu seinem Rhythmus einen schwarzlockigen Komponisten ins Bett. Wieso aber hat man der Sache bei der Uraufführung nichts abgewinnen können? Das Stück ist unschwer zu verfolgen, der Rhythmus eingängig, die Melodie von jedem mitzupfeifen und das Ohr wird nicht von überflüssigen Modulationen verwirrt. Wo also war das Hindernis?

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Wiener Philharmoniker - Maurice Ravel - Bolero - Regente Gustavo Dudamel  (HD) | Bildquelle: Charles Henrique da Silva (via YouTube)

Wiener Philharmoniker - Maurice Ravel - Bolero - Regente Gustavo Dudamel (HD)

Penetranz des ewig Gleichen

Das lag genau darin: in der Einfachheit. Auf die Penetranz des ewig Gleichen war man nicht vorbereitet. Fünfzehn Minuten lang immer derselbe Rhythmus, dieselbe Tonart und nur zwei Melodien, von denen die eine die Zwillingsschwester der anderen ist. Das war man nicht gewohnt und es schien unerträglich. Ravel baute über dem Ostinato-Rhythmus des "Boléro" eine raffinierte Orchesterstudie auf, mit heimlich eben doch ganz anderen Tonarten. In der fünften Wiederholung der ersten Melodie spielt etwa das Horn in C-Dur, die Celesta verdoppelt das Horn in Oktaven und zwei Piccoloflöten ergänzen die Melodie in G-Dur und in E-Dur, wodurch ein ungewöhnlicher Obertonklangeffekt entsteht. All das hat man damals in der Aufregung wohl nicht so wichtig genommen.

Verwirrung bei der Uraufführung

Das Tanzensemble Ida Rubinstein in ihren Kostümen für das Ballett "Bolero" von Maurice Ravel. In der Mitte die Tänzerin und Choreografin Ida Rubinstein und der Komponist Maurice Ravel. Staatsoper, Wien. Photograpie von Atelier Dietrich. 1929. | Bildquelle: picture-alliance / Imagno Das Tanzensemble Ida Rubinstein mit ihren Kostümen für das Ballett "Bolero". Ida Rubinstein und Maurice Ravel in der Mitte. | Bildquelle: picture-alliance / Imagno Ravel jedoch hatte die Verwirrung vorhergesehen. Der Abend war ein Ballettabend, die Tänzerin Ida Rubinstein hatte das Stück eigens bei ihm bestellt und Ravel hat im Programm das Publikum gewarnt, es würde hier nichts passieren: keine Gegensätze, keine Entwicklung, nicht einmal der Versuch, Virtuosität zu produzieren. Wer an Verdi und Puccini gewöhnt ist, glaubt das natürlich nicht. Und wer dann 300 Takte lang immer dieselbe Melodie hört, immer denselben Rhythmus und immer dieselben zwei Töne im Bass, der wird – wenn kurz vor Schluss die Sache plötzlich abrupt nach E-Dur umkippt – total verdattert im Sessel sitzen. Und vermutlich den Komponisten für verrückt erklären. Und dieser freut sich auch noch, ihm Recht geben zu dürfen.

Was heute geschah

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Sendung: "Allegro" am 22. November 2023 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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