Stuttgart, 25. Oktober 1912. "Ariadne auf Naxos" von Richard Strauss wird uraufgeführt. Es ist eine Art Teamwork von Strauss, dem Dichter Hugo von Hoffmansthal und dem Theatermann Max Reinhardt. Den Rahmen dafür bildet das Schauspiel "Der Bürger als Edelmann", von Molière. Mithilfe einiger Musiken soll das barocke Stück aufgepeppt werden. Als Krönung bestellt der Edelmann im 3. Akt eine kleine Oper, eben jene "Ariadne auf Naxos". Hier kommt Richard Strauss ins Spiel.
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Doch das ehrgeizige Projekt "Stück im Stück" misslingt. Strauss will das schon von Anfang an geahnt haben. Er habe auch nur zugesagt, weil er mit seiner "Alpensinfonie" kämpfte: "Die Arbeit daran erfreut mich noch weniger als Maikäfer schütteln." Ganz so leicht kann sich Strauss da aber nicht herauswinden. Immerhin schwebt ihm für die Titelpartie der "Ariadne" eine ganz bestimmte Sängerin vor: Emmy Destinn, und die umgarnt er in allerhöchsten Tönen: "Sehr verehrtes Fräulein! Unvergessene Salome. Ich habe eine neue Oper geschrieben. Wollen Sie die Ariadne kreieren? 8 Tage Probe genügen. Honorarbestimmung Ihnen überlassen! Sie in einer neuen Rolle zu hören, wäre die Erfüllung meiner Wünsche!" Das Werben bleibt unerhört, stattdessen übernimmt der andere Star jener Zeit: Maria Jeritza.
Hier zeigt sich bereits das erste Problem beim Projekt "Ariadne". Das Team kommt nahezu komplett aus Berlin, arbeitet aber in Stuttgart, weil dieses Theater die perfekte Größe hat. Für das dortige Ensemble bleiben jedoch nur ein paar kleine Rollen und selbst im Orchester sind die Soloparts mit Berlinern besetzt. Als Max Reinhardt dann auch noch Requisiten und Kostüme importiert, platzt den Schwaben fast der Kragen. Kein Wunder, dass sich die Einheimischen nur mit angezogener Handbremse engagieren.
Das ist aber nicht der einzige Grund für das Desaster der "Ariadne": Das Stück dauert über drei Stunden. Molière ist vollkommen aus der Mode und langweilt das Publikum. Und dann ist da noch der König von Württemberg. Strauss berichtet: "Er hielt in der Pause eine dreiviertelstündige Rede, ein bissl lang. Alles wartete doch auf die Oper von Strauss!"
Der Kritiker Kerr allerdings empfindet die Musik von Strauss gar nicht als krönenden Gipfel, eher als zusätzlichen Klotz am Bein: "Das Vermengen des Ernsten, das nicht ernst ist, mit Heiterem, das nicht heiter ist – trostlos. Abseits davon wispert, raschelt, pfeift, hüpft, summt und klagt die Musik von Richard Strauss."
Kurz gesagt: Die erste "Ariadne" verschwindet schnell von den Spielplänen. Heute wird nur noch eine gestraffte Fassung gezeigt. Der Komponist Richard Strauss jedoch behält sein zwiegespaltenes Verhältnis zum Stück ein Leben lang. So berichtet der Bariton Hans Hotter 1937: "Ich sah Strauss nach der Generalprobe aus der Loge kommen. Er sagte kopfschüttelnd vor sich hin: Und sowas hab ich amal gschrieben." Ob Richard Strauss das eher zweifelnd, stolz oder ratlos gemeint hat, werden wir nie erfahren.
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Sabine Devieilhe - Strauss - Ariadne auf Naxos - Zerbinetta's aria
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Sendung: "Allegro" am 25. Oktober 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK