Paris, 3. Dezember 1840. Richard Wagner schreibt einen Bettelbrief. Der Komponist ist in der Zwickmühle, vor allem finanziell. Vom Tafelsilber bis zu den die Eheringen hat er alles versetzt.
Bildquelle: Archiv des Bayerischen Rundfunks
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"Mein vortrefflichster Laube,
die Partitur meiner Oper ist unterwegs; sie ist mit gräßlichen Geburtsschmerzen in die Welt gegangen; fürchterlichere Tage kann niemand erleben."
Wagner, sonst ein Meister im Drechseln überlanger Sätze, schreibt im Hauptsatz-Staccato. Atemlos, wie ein gehetztes Tier, so soll es klingen. Vielleicht hilft es, dem Freund in Leipzig ein paar Groschen aus den Rippen zu leiern. Alles hat Wagner probiert. An den einflussreichen Meyerbeer geschrieben, dass er sein Sklave sein will. Das Tafelsilber versetzt. Ebenso die Garderobe seiner Frau, schließlich die Eheringe. Die Gläubiger drohen mit Schuldgefängnis. Alle Wechsel sind fällig. Die Frist ist um.
Frühmorgens zieht sich Wagner in seiner viel zu teuren Wohnung den Mantel über. Schweren Herzens macht er sich auf den Weg.
"Irgendeine Rettung erwartend, musste ich zunächst versuchen, die Inhaber der Wechselbillets zur Stundung zu überreden. An dem genannten Tage galt es, einen Käsehändler in einem fünften Stock der Cité zu beschwichtigen."
Außerdem muss Wagner ein geliehenes Metronom zurückgeben. Nebel liegt über der Stadt. Plötzlich taucht ein vertrauter Umriss vor ihm auf: Robber, Wagners Neufundländer, der ihn im vorigen Jahr auf der abenteuerlichen Flucht vor den Gläubigern in Riga bis nach Paris begleitet hatte, dann aber entlaufen war.
"Ich glaubte zuerst ein Gespenst zu sehen, rief ihn aber hastig mit schriller Stimme an. Das Tier wich scheu vor mir zurück, und da ich ihm nachlief, jagte er immer eiliger vor mir davon."
Wagner, das schwere Metronom mit sich schleppend, rennt keuchend hinter dem Hund her. Der hält mehrmals inne, schaut suchend zu seinem ehemaligen Herrn, um schließlich auf Nimmerwiedersehen im nebligen Gassengewirr zu verschwinden. Wagner bleibt erschöpft stehen.
"Dass der Hund mit der Scheu eines wilden Tieres vor seinem alten Herrn davonfloh, dünkte mich als ein grauenvolles Anzeichen. Tief erschüttert machte ich mit wankenden Knien mich zu meinen traurigen Geschäften wieder auf."
Alle wenden sich ab – selbst sein alter Hund nimmt Reißaus. Es ist die Stunde seiner tiefsten Demütigung. Wagner wird sie den Parisern nie verzeihen.
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Sendung: "Allegro" am 3. Dezember 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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