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Johannes Brahms Klarinettenquintett op. 115

Als Johannes Brahms sein Klarinettenquintet schrieb, hatte er seinem Verleger Simrock eigentlich schon erklärt gehabt, dass er nie wieder komponieren würde. Dann lernte er den Klarinettisten Richard Mühlfeld kennen, und Brahms ließ sich von ihm zu neuer Kreativität anregen. Zu den dann neu entstandenen kammermusikalischen Spätwerken zählt das Klarinettenquintett. BR-KLASSIK hat sich darüber mit dem Klarinettisten und Komponisten Jörg Widmann über das Opus unterhalten.

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Das Starke Stück

Johannes Brahms: Klarinettenquintett op. 115

Wie gut, dass so viele kreative Menschen, die alt werden und ihr Schaffen für beendet erklären, dann doch noch einmal ihrer Eingebung folgen. Oft kommt Grandioses dabei heraus. Auch Johannes Brahms hatte dem Komponieren ganz abgeschworen – und schrieb anschließend unter anderem noch mehrere Werke für Klarinette. Das erste davon war sein Klarinettentrio. Brahms selbst nannte es den "Zwilling einer noch viel größeren Dummheit” und wollte damit vielleicht schon kokett andeuten, dass das zweite Werk, das er dann herausbrachte, in seinen Augen ein ganz großer Wurf war: nämlich das Klarinettenquintett in h-Moll. Beide Stücke sind zeitgleich entstanden und vom Spiel Richards Mühlfelds inspiriert. Er hatte sich das Klarinettenspiel autodidaktisch beigebracht, war dann Erster Klarinettist der Meiniger Hofkapelle geworden, und zudem der renommierteste deutsche Klarinettist seiner Zeit. Wenn er spielte, klang das so süß und weich, dass  Brahms Mühlfeld scherzhaft "Fräulein Klarinette” nannte. An Clara Schumann schrieb Brahms im Jahr 1891 aus Meiningen: "Man kann nicht schöner Klarinette blasen als es der hiesige Mühlfeld tut.” Brahms’ Quintett zeugt davon, wie herrlich dieser Klarinettenvirtuose ganz offenbar spielen konnte.

Memento mori

Der Klarinettist Richard Mühlfeld | Bildquelle: Wikimedia Commons Der Klarinettist Richard Mühlfeld | Bildquelle: Wikimedia Commons Wenn Jörg Widmann sich heute mit dem Werk beschäftigt, dann sieht er das Quintett aber nicht nur mit den Augen des Interpreten. Da er selbst Komponist ist, beeindruckt ihn sehr die Machart des Quintetts, zum Beispiel die Harmonik gleich zu Beginn. "Brahms beginnt mit einer Terz, die ich als D-Dur höre", erläutert Widmann. Das stellt sich aber sofort als heftig falsche Fährte heraus, weil nämlich die Bratsche diese Dur-Terz so wahnsinnig betont. So viel Dur-Terz kann gar nicht sein, das ist etwas so bedrohliches. Dann kommt plötzlich das h im Cello. Das ist wie ein Memento mori: Wir wissen, egal wie wir tanzen und uns freuen, dass wir sterben müssen."      

Liebeserklärung an Clara?                     

Für Jörg Widmann kommt in diesem Werk aber noch eine zweite große Leidenschaft zum Ausdruck. Nicht nur die für das Spiel Richard Mühlfelds, sondern auch seine Zuneigung zu Clara Schumann, die er immer noch anbetete: "Das Brahms'sche Klarinettenquintett ist auch ein Werk der Liebe, so kitschig es klingen mag. Sie kamen ja doch nicht zusammen, auch nach Schumanns Tod. Er schmachtet sie immer noch wie eine Teenagerliebe an in diesem Stück. Allerdings immer in diesem gebrochenen Zurückschauen."                                                                                   

Ungarische Einflüsse

Jörg Widmann | Bildquelle: Marco Borggreve Jörg Widmann | Bildquelle: Marco Borggreve Auf diesen leidenschaftlichen ersten Satz folgt ein sonniges Adagio, voller Zuversicht, für Jörg Widmann auch ein Ausdruck der Liebe des Komponisten zu Clara. Für ihn ist es aber auch das Herz und das Zentrum des gesamten Werkes: "Da gibt es tatsächlich eine Imitation dieses wunderbaren ungarischen Instrument, des Zymbals. Das ist etwas ganz Anrührendes, weil Brahms da ganz bei sich ist. Wir kennen immer wieder ungarische Elemente, im Violinkonzert, überall, da taucht das mal auf. Aber so innig, so zu sich selbst gekommen wie im Klarinettenquintett kenne ich das irgendwie auch nicht. Da kommen regelrechte Schreie vor. Hohes G gegriffen, das ist wirklich ein hoher Ton, an der Schmerzgrenze."

Ein existentielles Stück Musik.
Jörg Widmann

Herausfordernd sind diese hohen Töne für den Interpreten, fast noch schwieriger ist aber der Schluss des langsamen Satzes: Die letzte Note darf nur noch zu erahnen sein – auf der Klarinette ein wahres Kunststück, denn sie erfordert ja einen kräftigen Atem für die Tonerzeugung. "Man muss in jeder Aufführung das Risiko eingehen, dass der letzte Ton nicht klingt", sagt Widmann. "Dann klingt er entweder richtig oder er kommt nicht, dann hat man Pech gehabt. Aber: no risk, no fun. Da muss man an die Grenzen gehen, Brahms zwingt einen dazu".      

Zwei identische Momente

Wie in diesem Adagio kommt auch im folgenden Scherzo Brahms’ Liebe zur ungarischen Musik zum Ausdruck. Der wahre "Wundersatz" des Klarinettenquintetts ist für Jörg Widmann allerdings das Finale: "Ich habe den Eindruck, dass er sich in jeder der Variationen des letzten Satzes von einer kompositorischen Liebe verabschiedet. In der ersten Variation für mich eindeutig Bach. Dann gibt’s diese ungarische zweite. Und da darf man als Interpret nie vergessen: Genau dieser Rhythmus ist der Synkopen-Rhythmus bei der Schrei-Stelle im zweiten Satz. Man muss diese zwei Stellen als Interpret wirklich wie zwei Schwester-Stellen empfinden und spielen."

Ein finales Amen

Den erschütterndsten Moment des Satzes jedoch markiert der Schluss: "Da rastet es ein, dieses Memento-Mori-Moment. Die Klarinette steigt noch ein letztes Mal auf und bewegt sich dann chromatisch abwärts: Dur, Moll ... Da hat jemand seinen Atem ausgehaucht", erklärt Jörg Widmann. "Und dann folgt ein Schrei, und erst der letzte Akkord ist eigentlich wie ein Amen. Letzten Endes kommt etwas zur Ruhe. Ein ungeheures Stück Musik."

Musik-Info

Johannes Brahms: Klarinettentrio h-Mol, op. 115

Jörg Widmann (Klarinette)
Hagen Quartet

Label: Harmonia Mundi

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