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Georg Philipp Telemann Konzerte für vier Violinen

Lange Zeit galt Georgv Philipp Telemann als ein Schreiber simpler Stückchen, die jedes Vorschulkind spielen kann. Denn Telemann hat unter anderem viel für Laien komponiert. Die meisten seiner Werke sind freilich sehr anspruchsvoll, das hat auch der Geiger und Musikforscher Reinhard Goebel immer wieder unermüdlich demonstriert. Er hat mit seinem Ensemble Musica Antiqua Köln viele Meisterwerke Telemanns aus der Versenkung geholt – unter anderem auch die Violinkonzerte. Wie virtuos die ausgefallen sind, darüber hat sich Reinhard Goebel mit BR-KLASSIK unterhalten.

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Die Sendung zum Anhören

Konzerte für vier Solo-Violinen, ja! Aber ohne jede Begleitung? Wie ist Georg Philipp Telemann nur auf die Idee gekommen, so etwas zu schreiben? Als Streichquartette wird er sie wohl nicht gemeint haben. Vielmehr wollte der große Pädagoge Telemann die Geiger der Hofkapellen in die Schule nehmen. Mit diesen Konzerten konnten sie ihr Zusammenspiel ganz konzentriert trainieren. Ohne, dass die anderen Musiker der Kapelle, mit ihren Begleitstimmen, sich langweilen müssten. Wie sagt Reinhard Goebel? "Das ist eine disziplinäre Angelegenheit, mit der man ein Ensemble formen kann, ohne dass dann irgendjemand herumsitzt." So lernten die Musiker in diesen Stücken auch, sich blind zu verstehen. Oder sie fanden zumindest heraus, wenn sie es nicht taten.

Diese Stücke sind sehr schwer, weil eben immer alle gleich spielen müssen.
Reinhard Goebel

Ein voller und runder Klang

Drei solcher Konzerte für vier Soloviolinen sind überliefert. Telemann hat sie in den Tonarten C, G und D notiert, also jeweils im Quintabstand voneinander. Vielleicht hatte er also ursprünglich sogar sechs Konzerte geplant, das hätte dann einem halben Quintenzirkel entsprochen. Doch verwirklicht hat er sie nicht. Vielleicht empfand er die Besetzung mit vier Soloinstrumenten dann doch als ausgereizt. Dafür würde sprechen, dass er in einem weiteren Konzert diese Besetzung noch einmal variiert hat. Und das ist ausgerechnet ein Konzert in A-Dur. Es folgt also konsequent auf die Tonarten der ersten – C, G und D. Auch dieses Konzert bestreiten vier Soloviolinen. Dazu kommen allerdings noch zwei begleitende Violinen, und eine Basso continuo-Gruppe, hier mit Cembalo, Violoncello und Violone besetzt. So entsteht ein voller und runder Klang.

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Die Natur – in zivilisierter Form vorgeführt                                     

Vielleicht hatte Telemann auch hier noch pädagogische Ambitionen. Aber unüberhörbar ist auch seine Liebe zum prächtigen und festlichen Klang. Und so rückt dieses Konzert schon sehr in die Nähe eines anderen, sehr populären Violinkonzertes von Telemann. Dieses war allerdings eindeutig ein Auftragswerk. Es trägt den Beinamen "Die Relinge" – also "Die Frösche". Im ersten Satz haben die Geiger da für einige sehr anschauliche Lautmalereien zu sorgen. Doch Reinhard Goebel rät dazu, das gut zu dosieren: "Ich glaube nicht, dass man diesen Naturalismus so zu übertreiben hat, dass er wirklich ekelerregend klingt. Sondern da muss man schon geigerische Disziplin anwenden; das muss nicht knatschen und nicht unangenehm sein. Die Natur wurde im Barock immer in zivilisierter und gezähmter Form vorgeführt."

Ein Froschkonzert

Telemann schrieb "Die Relinge" in den 1740er Jahren, für die Einweihung einer Kirche im Örtchen Rellingen. Ein Brief, in dem er sich dazu äußert, ist noch erhalten. Also hat die Anspielung mit den Fröschen wohl vor allem etwas mit dem Namen dieses Ortes zu tun. Reinhard Goebel erklärt es sich folgendermaßen: "Ich glaube, dass Telemann einerseits die geistliche Musik geschrieben hat und dass es nach dieser Eröffnung der Kirche eine weltliche Feier gegeben hat und dass dort dieses Konzert gespielt worden ist. Das gehört nach Rellingen, und nur dorthin – wo die Leute es eben verstanden haben, was der Relling für Rellingen bedeutet."

Musik-Info

Georg Philipp Telemann:
Konzerte für vier Violinen


Musica Antiqua Köln
Leitung: Reinhard Goebel
Eigenproduktion

Sendung: "Das starke Stück" am 19. September 2023, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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