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Strawinsky bei Rimskij-Korsakow Das junge Genie tanzt Cakewalk

St. Petersburg, 17. Februar 1904. In Nikolai Rimskij-Korsakows Privatwohnung spielen Studenten ihre neuesten Kompositionen. Hier diskutieren alte Hasen mit Newcomern. In letzter Zeit gesellt sich zu diesem eingeschworenen Kreis immer häufiger ein Jurastudent, der eigentlich mitten in der Examensvorbereitung steckt. Er ist 21 Jahre alt und hat eine ausgeprägte musikalische Begabung. Er nimmt bei Rimskij-Korsakow regelmäßig Unterricht, stellt ein ziemlich spärliches Oberlippenbärtchen zur Schau und scheint jeden mit seinem Blick zu durchbohren. Igor Strawinsky heißt er.

Bildquelle: picture-alliance / akg-images / Erich Lessing

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Der Jurastudent Igor Strawinsky ist alles andere als ein passionierter Paragrafenreiter. Er fühlt sich als Künstler. Und seit dem Tod des Vaters taucht Strawinsky endlich ins verbotene Milieu ein: "Es war eine Zeit des Wartens auf den Augenblick, als ich alle und alles zum Teufel jagen konnte. Mein Leben zuhause war unerträglich." So notiert der werdende Komponist.

Ein besonderer Abend bei Rimskij-Korsakow

Entsprechend hat sich bei Strawinsky in den Jahren des Wartens eine ordentliche Portion Frust angestaut. Darum lässt er schon mal alle Neune gerade sein, man könnte auch sagen: er lässt die Sau raus. An jenem Februarabend bei seinem Lehrer Rimskij-Korsakow wird Strawinskys erste Klaviersonate gespielt, ein knappes Jahr hat er an ihr herumgetüftelt. Gewidmet hat er sie dem Pianisten Nikolaj Richter. "Eine unbeholfene Nachahmung Beethovens", urteilt Strawinsky später.

Mitusov spielt den Cakewalk

Richter spielt außerdem die Uraufführung eines "Chanson comique", ein wohl verschollenes Stück von Strawinsky, und – er spielt einen Cakewalk. Der stammt nicht aus der Feder von Strawinsky. Vielmehr handelt es sich dabei um ein synkopen-gespicktes Tänzchen, auch genannt "Ragtime", der ganz frisch aus den USA bis nach Russland geschwappt ist. Strawinsky wippt mit dem Kopf, klopft den Rhythmus mit dem Fuß. Es hält ihn kaum auf seinem Platz neben seinem Freund Stepan Mitusov, den er bewundert: "Mitusov ist ein Alleskenner, ein kultureller Allesfresser: "Er weiß Bescheid über Malerei, Literatur, liebt Verlaine, über Musik von Brahms und Strauss, über Theater, hat sogar Oscar Wilde und Maeterlinck gelesen!"

Der Ragtime aus Strawinskys "Geschichte vom Soldaten"

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L'Histoire du Soldat - Suite: Ragtime | Bildquelle: Igor Stravinsky - Topic (via YouTube)

L'Histoire du Soldat - Suite: Ragtime

Strawinsky tanzt, das Zimmer applaudiert

Mitusov weiß auch, wie man tanzt. Er führt Strawinsky in die Mitte des Raumes und lehrt ihn die Schrittfolgen. Und so tanzt Igor Strawinsky noch am selben Abend in Nikolai Rimskij-Korsakows Wohnzimmer unter Applaus der Anwesenden einen wilden Cakewalk. Nur die Gattin des Gastgebers kippt vor Entsetzen fast aus den Schuhen. Einige Jahre später wird sich Strawinsky an seinen kapriziösen Auftritt bei Rimskij-Korsakow erinnern und diverse Ragtimes komponieren – auch in seiner "Geschichte vom Soldaten"!

Was heute geschah

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 7:40 Uhr, um 13:30 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.

Sendung: "Allegro" am 17. Februar 2023 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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