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Bayreuth Baroque Opera Festival Max Emanuel Cenčić über die Highlights 2025

Eine venezianische Oper wird im Zentrum des Festivals Bayreuth Baroque 2025 stehen. Im Video-Interview gibt der künstlerische Leiter Max Emanuel Cenčić einen Ausblick auf die Höhepunkte des Festivalprogramms.

Bildquelle: BR

Bayreuth Baroque Opera Festival 2025

Max Emanuel Cenčić über das neue Programm

BR-KLASSIK: Das Programmbuch des Bayreuth Baroque Opera Festivals 2025 hat ein wunderschönes Titelbild mit drei Pulcinellen, die ihre Narreteien treiben. Max Emanuel Cencic, können Sie etwas zu diesem Titelbild sagen: Woher kommt es und warum haben Sie es ausgewählt?

Max Emanuel Cenčić: Nächstes Jahr werden wir mit unserem Programm nach Venedig gehen. Daher haben wir ein Tiepolo-Bild der drei Pulcinellen ausgewählt. Es handelt sich um die Commedia dell'arte aus einem Palazzo in Venedig. Wir werden nächstes Jahr als unsere Hauptproduktion die Oper "Pompeo Magno" von Francesco Cavalli aufführen. Es ist eine Oper, die im Jahr 1666 geschrieben wurde – und das ist etwas Besonderes hier für unser Festival, denn wir haben in Bayreuth bisher immer Opere serie isnzeniert. Nun also eine venezianische Oper des Seicento, die nur sehr selten gesehen und gehört werden kann.

Oper "Pompeo Magno" bei Bayreuth Baroque 2025

BR-KLASSIK: Die venezianische Oper wird erstmalig im Zentrum stehen. War es eine bewusste Entscheidung, genau diese Oper von Francesco Cavalli zu nehmen, die ja relativ unbekannt ist?

Max Emanuel Cenčić: Wir wollen immer seltene und unbekannte Werke auf die Bühne bringen und "Pompeo Magno" gehört eben zu diesen Opern, die noch nie szenisch aufgeführt wurden. Außerdem ist es vom Libretto her eine interessante Oper, ein Werk, das zwischen Traum und Realität angesiedelt ist. 1666 war ein Jahr, in dem Venedig kurz vor dem Ende des Krieges von Candia stand. Der Krieg von Candia dauerte 25 Jahre und es ging um die Eroberung Kretas durch die Türken. Kreta gehörte damals zur Republik Venedig und Venedig hat in diesen Jahren mit allen Mitteln versucht, Kreta zu behalten. Aber drei Jahre nach "Pompeo Magno" war der Krieg verloren. In dieser Zeit entstanden viele Werke, die sich an die Vergangenheit Venedigs als Großmacht im Mittelmeer erinnerten. Und so wird hier sehr versteckt die Geschichte des venezianischen Dogentums dargestellt. Aber in einer Art Vergangenheitsrealität, so wie bei Don Quijote und Cervantes – gespickt mit vielen komödiantischen Nebengeschichten, was sehr typisch ist für die venezianische Oper. Ich glaube, darin liegt genau der Charme dieser Oper: Es geht um Welttheater.

BR-KLASSIK: 1637 wurde das erste Opernhaus in Venedig gegründet und das war ja eine richtige Revolution. Denn es war das erste Opernhaus, das sich nicht nur an Fürsten und Könige richtete, sondern ein öffentliches, also auch ein kommerzielles Opernhaus. Und das ist ja eine rasante Geschichte, die die venezianische Oper dann genommen hat, die Opernhäuser sind dann auf einmal aus dem Boden geschossen wie Pilze. Sie hatten ja auch eine ganz spezielle Funktion, die Bevölkerung zu unterhalten, und auch diese ganzen Bourlesquerien und Frivolitäten, also dieses Serenissima-Leben, was in der damaligen Zeit ja sehr bunt gewesen sein muss, abzubilden und zu spiegeln. Ist "Pompeo Magno" eine Oper, die genau in dieses Handlungsfeld passt, die Dinge auch aufs Korn zu nehmen, zuzuspitzen?

Max Emanuel Cenčić im Rang des Markgräflichen Opernhauses Bayreuth | Bildquelle: Lukasz Rajchert Max Emanuel Cenčić leitet das Opernfestival "Bayreuth Baroque" | Bildquelle: Lukasz Rajchert Max Emanuel Cenčić: Ja, wir haben es hier tatsächlich mit einer Volksoper zu tun, und deswegen geht es auch um die Thematik Pulcinella und Commedia dell'arte. Die Commedia dell'arte ist eben eine Volksform des Theaters und der Unterhaltung, die bereits im 16. Jahrhundert ihren Anfang genommen hat und die italienische Theatergruppen sogar nach Deutschland oder Frankreich und Spanien gebracht haben. Natürlich fragt man sich: Wie haben die ihre Theaterstücke denn aufgeführt, wenn die Leute kein Italienisch konnten? Dazu wurden irgendwelche Fantasiesprachen entwickelt, die gar nicht existierten, aber mit sehr viel Mimik und Gestik wurde den Leuten quasi durch Pantomime ein Theaterstück nahegebracht. Das ist der Punkt, der im Endeffekt die Form der Commedia dell'arte prägte, was dann später eben in diese venezianischen Opern auch eingeflossen ist, denn Venedig war eine Stadt, die von sehr vielen unterschiedlichen Völkern bewohnt wurde. Es lebten hier Slawen wie die Kroaten, die Bosnier, überhaupt Menschen aus dem Balkan, dann die Juden, dann gab es die Türken und Araber; es gab also einen großen Mix an Völkern, die dort lebten und die verschiedene Sprachen redeten. Daher mussten diese kommerziellen Operntheater irgendwie ihr Publikum gewinnen, aber nicht alle konnten eben Italienisch und auch Italienisch selbst hatte sehr starke regionale Unterschiede. Das heißt, die Commedia dell'arte musste eine universelle Ausdrucksweise finden, um sich bei allen verständlich zu machen. Das wird sicherlich sehr aufregend sein, "Pompeo Magno" in diesem Sinne wieder auferstehen zu lassen.

BR-KLASSIK: Wie sind Sie auf diese Oper gestoßen? Wo haben Sie sie entdeckt?

Max Emanuel Cenčić: Ich habe Leonardo García Alarcón gebeten, mit seinem Ensemble Cappella Mediterranea als Residenzorchester nach Bayreuth zu kommen nächstes Jahr. Er ist ein großer Spezialist für die Musik von Cavalli. Er hat bereits sehr viele Opern von Cavalli gemacht und in der Diskussion mit ihm haben wir lange darüber geredet, welche Oper am besten wäre und beide gefunden, dass "Pompeo Magno" das ideale Werk wäre.

"Pompeo Magno": Werk für 13 Solist:innen

BR-KLASSIK: Es gibt in diesem Werk 13 Solistinnen und Solisten. Wie findet man die? Das sind ja wirklich alles exponierte Solopartien.

Der Countertenor Valer Sabadus | Bildquelle: Henning Ross Bildquelle: Henning Ross Max Emanuel Cenčić: Ja, es ist nicht leicht, 13 Solisten zu finden, vor allem für so eine spezielle Musik. Und ich freue mich, dass Leonardo selbst einen Großteil dieser Sängerinnen und Sänger aus seinen eigenen Produktionen mitgenommen hat, mit denen er schon seit vielen Jahren gearbeitet hat und die er gut kennt. Wir können uns auf jeden Fall auf einige Spezialistinnen und Spezialisten freuen wie Valer Sabadus, Dominique Visse oder Mariana Flores. Es wird eine ganz neue Art an Produktion werden.

BR-KLASSIK: Es gibt bei Bayreuth Baroque um diese große, zentrale Opernneuinszenierung herum Soloabende mit großen Namen, etwa mit Julia Lezhneva oder Franco Fagioli, und dann gibt es noch einen außergewöhnlichen Abend mit Marina Viotti. Das ist eine ungemein vielseitige Mezzosopranistin, die keine Berührungsängste hat zwischen barockem Repertoire, Jazz und auch Heavy Metal. Sie ist vielleicht einer größeren Öffentlichkeit noch gerade recht frisch im Gedächtnis, denn sie hat mitgewirkt bei der Eröffnung der Olympischen Spiele in Paris und hat dort mit einer Metal-Band begonnen und dann ganz nahtlos, und das zeigt auch ihre große Stilvariabilität, zur Habanera aus Bizets "Carmen" übergeleitet.

Max Emanuel Cenčić: Ja, Marina Viotti ist für uns eine Premiere. Wie ich schon immer betont habe, möchte ich auch junge Talente und aufstrebende Stars nach Bayreuth einladen und Marina ist eine Sängerin, die in den nächsten Jahren noch ganz groß wird und ich freue mich, dass sie kommt.

Bilanz nach fünf Jahren Bayreuth Baroque

BR-KLASSIK: Sie leiten Bayreuth Baroque seit fünf Jahren, das wird das sechste Festival sein. Wenn Sie eine Zwischenbilanz ziehen – was gibt es für Wünsche, für Träume, für Entwicklungen?

Max Emanuel Cenčić: Natürlich ist der Wunsch, dass das Festival sich etabliert und dass wir es vergrößern können. Ich habe sehr viele Akzente gesetzt, die sich in den letzten fünf Jahren bewährt haben, was die Qualität angeht, was die internationale Aufmerksamkeit angeht. Wir sind in den größten Kulturmedien präsent, wir sind auf den wichtigsten Plattformen präsent und wir haben auch jedes Jahr einen Zufluss an großen Stars. Und was am allerwichtigsten ist: Wir haben ein zahlendes Publikum, das uns treu ist und das nicht wenig für seine Karten zahlt und das aber auch über 30 Prozent unseres Budgets finanziert. Das darf man nicht vergessen, ohne das zahlende Publikum, das nach Bayreuth kommt, wären diese Festspiele nicht möglich. Und die Leute wären nicht da, wenn nicht auch die Qualität da wäre.

Sendung: "Tafel-Confect" am 8. Dezember 2024 ab 12:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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