Nach längerer Debatte der Entschluss: Katharina Wagners Vertrag als Festspielchefin in Bayreuth wird bis 2030 verlängert. Gleichzeitig soll sich ein "General Manager" um die Verwaltung kümmern und künstlerisch raushalten. Kann das gut gehen?
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Von "Machtspielen" und allerlei gegenseitigen "Gemeinheiten" ist in vielen Theatern hinter und manchmal sogar vor den Kulissen die Rede. Auch bei den Bayreuther Festspielen gab es reichlich Reibereien, das war kein Geheimnis. Unvergessen das Schwarze-Peter-Spiel, als plötzlich Karten liegen blieben, speziell für den beim Publikum ungeliebten aktuellen "Ring". Ein Kompetenzwirrwarr sorgte für zusätzlichen Unmut.
Jetzt soll alles besser werden: Die Position eines "General Managers" wird ausgeschrieben, der sich um Kartenvertrieb und Marketing, um Sanierung und alle anderen nichtkünstlerischen Angelegenheiten kümmern soll. "Klar und effizient" werde die Führungsstruktur dadurch, erhofft sich Bayerns Kunstminister Markus Blume und auch Bundeskulturstaatsministerin Claudia Roth hofft auf "Good Governance".
Ich bin extrem erleichtert.
Bayerns Kunstminister Markus Blume (l.), Festspielleiterin Katharina Wagner (Mitte) und Kulturstaatsministerin Claudia Roth (r.) | Bildquelle: Axel König, Bay. Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst Katharina Wagner sagte dem BR, sie sei "extrem erleichtert", dass sie sich nicht länger mit dem Verwaltungskram herumschlagen müsse und fortan ganz auf die Kunst konzentrieren könne. Bis 2030 kann sie jetzt für den Grünen Hügel planen, Kreativität beweisen, möglicherweise auch Regie führen, obwohl das bei ihr keine Priorität hat, wie sie versichert: Sie inszeniere genug, etwa in Barcelona, Tokio und Riga.
Aber ist Katharina Wagner zurecht "extrem erleichtert" über den Ausgang ihrer Vertragsverhandlungen? Kann sie damit rechnen, ab sofort "schnell, frei und unabhängig" zu handeln, wenn es um künstlerische Fragen geht? Zweifel daran bleiben, wohl auch bei ihr selbst, denn in Bayreuth werden weiterhin viele mitreden, zu viele. So hat der Freundeskreis schon mitgeteilt, dass er zwar weniger Geld geben will, also auf Anteile an der Festspiel-GmbH verzichtet, auf sein bisheriges Kartenkontingent aber nicht verzichten will.
Und ob ein "General Manager" die Demut aufbringt, sich aus der Spielplangestaltung herauszuhalten, wenn der Kartenvertrieb immer schwieriger wird, das sei dahingestellt. Auch der Umgang mit Absagen von prominenten Künstlern und den großformatigen Egos von Dirigenten dürfte nicht einfacher werden.
Aber immerhin: Bayreuth zeigt Veränderungswillen, in Maßen. Genörgelt wird viel, aber Katharina Wagner ist künstlerisch nichts Schwerwiegendes vorzuwerfen. Dass in den letzten Jahren mehrere "Ring"-Regisseure nacheinander hinwarfen und kurzfristig ersetzt werden mussten, leider nicht immer glücklich, das hatte mit übersteigerten Ansprüchen zu tun.
Die teuren AR-Brillen für die "Parsifal"-Inszenierung 2023 bei den Bayreuther Festspielen reichten nicht für alle im Publikum. | Bildquelle: Bayreuther Festspiele Wer in Bayreuth inszeniert, will etwas ganz Großes – und Teures bewerkstelligen, was aber selten bezahlbar ist. Da trifft Vision auf Realität, wie auch in der vergangenen Saison, bei der Anschaffung von Brillen für ein digitales Zusatzerlebnis bei der "Parsifal"-Premiere. Es reichte finanziell halt nur, um die hinteren Zuschauerreihen auszustatten. Frust war die Folge.
Insofern wird es für Katharina Wagner nicht einfacher, auch deshalb, weil es inzwischen viele Theater gibt, die Wagners Musikdramen auf hohem Niveau präsentieren und mehr wagen können als Bayreuth, weil sie eben nicht auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen sind, dass die eine Festivalproduktion beim internationalen Publikum ankommt. Auch vermeintlich hochklassige Regisseure haben Formtiefs, Sänger halten stimmlich nicht immer, was sie beim Vertragsabschluss versprechen.
Katharina Wagner bleibt bis 2030 Festspielchefin in Bayreuth. | Bildquelle: Enrico Nawrath Noch steht in der Bayreuther Satzung, dass möglichst ein Mitglied der Familie Wagner gefunden werden soll für die Festspielleitung. Bis 2030 ist das jetzt garantiert. Aber danach wird sich die Frage stellen, ob Katharina Wagner wirklich lebenslang installiert werden soll, denn im Familienclan gibt es zu ihr keine personellen Alternativen. Der Mythos lebt, sagt Minister Blume. Aber spätestens dann gilt es, diesen Mythos auch ohne die Nachfahren von Richard Wagner weiterzudenken, zukunftssicher zu machen. Risikoscheu war der Meister selbst ja gewiss nicht.
Sendung: "Allegro" am 14. Mai 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (2)
Dienstag, 14.Mai, 11:33 Uhr
Walter Lange
Etwas mehr Walküren-Charisma könnte Frau Wagner in ihrem neuen Amt sicherlich hilfreich sein. Im zweiten Teil vom "Ring" - Die Walküre - wird der ewige Kampf zwischen den Hundings und den Wülflingen eindrucksvoll beschrieben, entsprechend den altenglischen Texten von den Hundings - The hound-clan und den Wülflingen - The wolf-clan.
Montag, 13.Mai, 23:22 Uhr
Gerd
Grundloser Optimismus
Der Artikel setzt argumentlos voraus, dass es eine gute Sache sei, wenn K.W. mehr künstlerische Freiheit bekommt.
Diese Annahme scheint mir in Anbetracht der vergangenen Wirklichkeit ihrer (nun leider verlängerten) Ära recht kühn. Sowohl K.W.s eigene Regieleistungen alsauch die allgemeinen Qualität der Inszenierungen der von ihr eingeladenen Regisseure waren doch zumeist recht grauslich. Ein trauriger Tag also für Freunde der Werke Richard Wagners.