Künstlerisch überzeugte Bayreuth diesen Sommer nur teilweise. Der "Ring" fiel erneut durch, der "Parsifal" überzeugte mit Abstrichen. Aber das trat fast in den Hintergrund, denn auf dem Hügel werden derzeit Grundsatzfragen verhandelt. Wie gewinnt man neues Publikum, kann man den Hügel überhaupt modernisieren? Es geht um nichts weniger als die Zukunft der Festspiele.
Bildquelle: picture alliance / Sven Simon - Bayerische Staatskanzlei
Bilanz der Bayreuther Festspiele 2023
Unruhige Zeiten
Kurzentschlossen nach Bayreuth fahren, um eine Wagner-Oper anzusehen, das war in diesem Jahr überraschend möglich: Für den "Siegfried" gab es kurz vor Ende der Saison tatsächlich noch Karten in allen Preislagen. Nun ist diese Oper schon unter normalen Umständen schwer verkäuflich, sie gilt trotz Drachenkampf als vergleichsweise undramatisch.
In der Inszenierung des jungen Österreichers Valentin Schwarz wurde sie allerdings zum "Kassengift", wie der ganze, vierteilige "Ring des Nibelungen". Das lastete schwer auf der diesjährigen Festspielzeit. Abermals wurde die Produktion böse ausgebuht, trotz szenischen "Ausbesserungsarbeiten" gelang es nicht, diesen total verunglückten Ring optisch zu retten. Nicht gerade hilfreich beim Kartenabsatz war eine massive Preiserhöhung.
Immerhin, die Neuproduktion dieser Saison, der "Parsifal", fand wohlwollende Aufnahme bei Kritik und Publikum. Nicht sonderlich aufregend, aber auch kein Reinfall, so das mehrheitliche Urteil. Die Augmented Reality-Brillen, die rund 300 Zuschauer ausgehändigt bekamen, stießen im Nachhinein auf wenig Begeisterung. Auch ohne diese Computeranimationen sei der "Parsifal" sehenswert.
Manch einer nahm die Brille schon nach wenigen Minuten ab, sei es, weil sie Schweißausbrüche verursachte, sei es, weil sie als zu sperrig empfunden wurde. Dass Bayreuth im Alltag angekommen ist und sich deutlich mehr anstrengen muss, die Tickets loszuwerden, liegt sicher nicht an Richard Wagner. Das Klassikpublikum ist überaltert, die Medienkonkurrenz groß, wie Basssänger und Bayreuth-Star Georg Zeppenfeld zu bedenken gibt. Menschen unter 50 hätten Seltenheitswert im Festspielhaus, so Zeppenfeld. "Denn wenn man das nicht einmal angeleitet kennengelernt hat, dann findet man den Weg ganz schwer."
Vorbei die Zeiten, als die Fans zu Wagner pilgerten und teils eine ganze Woche in Oberfranken blieben. Das weiß auch der bayerische Kunstminister Markus Blume: Das Publikumsverhalten habe sich geändert, die Festspiele müssten sich durchgreifend modernisieren: "Jede Institution, und sei sie noch so erfolgreich, muss sich prüfen: Bin ich wirklich noch am Puls der Zeit, mache ich wirklich genug, um auch die nächste Generation noch so zu begeistern?"
Festspielchefin Katharina Wagner ringt derweil mit einem Kompetenzwirrwarr, in dem viele, wohl zu viele mitreden wollen: Die Familie, der Bund, das Land, die Stadt und der Bezirk. Obendrein auch noch die Sponsoren, allen voran der Freundeskreis. Das macht´s unübersichtlich. Für 2026, wenn die Festspiele 150 Jahre alt werden, kündigte Katharina Wagner das Gesamtwerk des Meisters an: "Rienzi" inklusive.
Ein Risiko, denn "Rienzi" gehört nicht zu den Musikdramen, die Richard Wagner selbst in seinem Festspielhaus aufgeführt sehen wollte. Das zu seiner Zeit durchaus erfolgreiche, mehrstündige Jugendwerk galt ihm als künstlerisch zu unreif. Vielleicht ist das Publikum 2026 ja gänzlich anderer Meinung. Ein Quäntchen Kunst-Revolution auf dem Grünen Hügel, der mehr Wagemut dringend nötig hat.
Sendung: "Allegro" am 28. August ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (18)
Donnerstag, 31.August, 19:22 Uhr
Manhart Hugo
Libretto einblenden erhöht den Genuss
Leider erschließt sich der Reitz der Oper nicht immer, wenn das Vorgetragene akkustisch nicht verstanden wird. Es wäre sehr vorteilhaft, wenn Bayreuth so wie es in anderen Operhäuser üblich ist, den Text einblenden könnte. Gerade Wagner-Anfänger kann man ohne dieses Hilfsmittel oft abschrecken. Und man will doch neue Hörer gewinnen und begeistern.
Donnerstag, 31.August, 11:27 Uhr
Ruth Frenk
der grüne Hügel
Es wäre sehr notwendig Übertitel einzusetzen. Deutsch/Englisch.
Noch wichtiger wäre es sich von der Anwesenheit von AFD Repräsentanten zu wehren. Das erinnert einem an alte Zeiten und verdirbt die Laune gründlich.
Mittwoch, 30.August, 22:40 Uhr
Frédéric Renard
Mein persönliches Bayreuth - Fazit 2023
Nach einer 4-jährigen Pause kam ich wieder in den Genuss, Karten für Bayreuth zu ergattern. Tristan war ein Genuss – wird auch von allen Kritikern so gesehen, und auch den Holländer habe ich genossen. Ich kann hier die Kritik gegen das Regietheater nicht nachvollziehen. Die Inszenierung fand ich toll und überzeugend, aber ich bin wohl zu stark Stuttgart-geschädigt, dass ich solch ein Regietheater genießen kann. Zudem kann man von einem Dreigestirn wie Georg Zeppenfeld, Elisabeth Teige und Michael Volle gemeinsam auf der Bühne zu sehen, nur träumen. Dazu noch Oksana Lyniv als Musikalische Leiterin - Opernherz, was willst du mehr.
Für mich waren diese Festspiele ein Erlebnis, und ich werde auch versuchen, für die kommende Spielzeit Karten zu ergattern. Für mich lebt Bayreuth, trotz und auch wegen der häufig kritisierten Regietheater-Inszenierungen. Denn wer will eigentlich wirklich zum 10 Mal hintereinander eine neuerliche „traditionelle“ Inszenierung sehen.
Dienstag, 29.August, 22:05 Uhr
Caroline Bauer
Parsifal
Ich fand den neuen Parsifal wunderbar -- gerade durch die Augmented Reality. Die Inszenierung mit den zusätzlichen Bildern ist für mich eine mutige Infragestellung des patriachalen Weltbildes, wo so viele Menschen -- nicht nur die Frauen -- Leidtragende sind.
Im ersten Akt sehen wir die Welt noch schön durch die "Brille" -- der blaue Planet und Sterne oder doch Insekten?
Aber die Zerstörung nimmt ihren Lauf. Parsifal glaubt, dass es ins Verderben führe, ließe er sich auf die Liebe zu einer Frau ein. Aber irgendetwas scheint er gelernt zu haben auf seiner Suche. Ein Ungestüm aus Bulldozer und Panzer, die Gralsritter Soldaten, Plastik vermüllt den Garten Eden, Gewehre, Handgranaten, Batterien, das im 1. Akt entstellte weibliche Symbol der Schlange schlängelt sich anmutig durch eine Hand. Parsifal fordert das entdämonisierte Zauberweib auf, nach der Zerstörung des Fetisch einer rein männlichen Gesellschaft gleichberechtigt in deren Kreis zu treten.
Dienstag, 29.August, 10:45 Uhr
Molnar
Festspiele
Viele Köche verderben den Brei .
Allen "" Recht "" und niemanden ""Weh ""
Ist die Kunst die Niemand kann.
Frau Wagner zeigt bei Dieser Herkules Aufgabe Nervenstärke, Durchsetzungsvermögen und Mut .
Montag, 28.August, 14:14 Uhr
Herby Neubacher
Absturz
Wie weit muss man den Absturz dieser Intendanz eigentlich noch mit ansehen bevor endlich ein massiver Umbau dieses sinkenden Schiffs Bayreuth beginnt der das gute treue Publikum mit guten logischen begeisternden Inszenierungen zurück bringt? Und das Wagner Genie Christian Thielemann? Es ist fünf nach Zwölf.
Montag, 28.August, 11:15 Uhr
Gufo
Bayreuth
Wie ärgerlich war es doch oft früher, als man 10 Jahre auf eine begehrte Eintrittskarte warten musste.Doch bei den heutigen Musik zerstörenden Inszenierungen würde ich mich nicht einmal bücken, um eine Gratiskarte aufzuheben. Da sitze ich lieber zu Hause im bequemen Sessel und genieße die herrliche Musik Wagners in den BR-Klassik- Übertragungen. Suum cuique.
Montag, 28.August, 10:27 Uhr
Ryall Liselotte
Ring 2023
Wir waren 1 Woche aus Österreich auf Urlaub. Haben wir für die letzten Jarten 7 Jahre gewartet war es uns jetzt gegönnt nach 3 Jahren Karten zu bekommen. Es Würfe uns freuen im Nächsten Jahr schon einen Urlaub planen zu können. Der Ring war sehr berührend . Ich habe die Föten meiner Enkelin auch gesehen und am Ende det Oper an sie gedacht: was für ein Leben? Die Musik und die Sänger excellent. Ei wirkliches Erlebnis. Nicht alles schlecht reden.
LG
Montag, 28.August, 09:40 Uhr
Deborah Dietrich
Preise
Für einen Platz der vorher 160Euro gekostet hat verlangt man nun 260 Euro .Da ist Hotel, Anreise etc.noch nicht dabei.So gewinnt man keine neue Klientel.Dazu kommen noch Inszenierungen die nichts mit dem Werk zu tun.haben.Bayreuth ist für mich erledigt.
Sonntag, 27.August, 22:22 Uhr
Richard
Bayreuth war wunderbar
Habe zwar nur den Holländer, Parsifal und Tannhäuser erlebt, diese Aufführungen waren aber wunderbar. Publikum auch wegen der Stipendiaten erstaunlich jung, sehr international und durchweg begeistert. Das galt insbesondere für den Holländer und den Tannhäuser. Da wollte der Applaus gar nicht aufhören, meines Empfinden nach mit Recht. Von schlechter Stimmung keine Spur.
Sonntag, 27.August, 17:54 Uhr
Anna Loewenberg
Opera next
Wer in die Oper geht, benötigt inhaltlich und musikalisch fundierte Vorkenntnisse, sonst gelingt es nicht, sich vollends darauf einzulassen und der echte Genuss bleibt aus. Die Oper ist nostalgisch geworden und kann bei der jüngeren Generation nicht mit Netflix & co mithalten. Innovationen wie AR Brillen bringen viel Potential ins Opernerlebnis- auch wenn es allgemein viele Kritikpunkte hagelte, konnte sie mich in einigen Momenten sehr überzeugen. Wenn das Konzept verbessert wird, sehe ich darin zukünftig durchaus Attraktivität für einige (neue) Operngäste. Grundsätzlich finde ich es aber schwierig, die traditionellen Bedürfnisse der älteren Generation mit den zeitgenössischen Anforderungen der jüngeren Generation zu vereinen. Entweder ganz oder gar nicht. Vllt sollte es jeweils zwei Fassungen geben, damit alle happy werden können ;).
Sonntag, 27.August, 17:33 Uhr
Konrad Schemer
Ring Bayreuth
"In der Inszenierung des jungen Österreichers Valentin Schwarz wurde sie allerdings zum "Kassengift", wie der ganze, vierteilige "Ring des Nibelungen". Abermals wurde die Produktion böse ausgebuht, trotz szenischen "Ausbesserungsarbeiten" gelang es nicht, diesen total verunglückten Ring optisch zu retten."
Na ja, total verunglückt würde ich den Ring jetzt nicht nennen. Er ist halt das übliche Regietheater-Elend, das man heute landauf, landab präsentiert bekommt. Die letzten Wagner-Neuproduktionen in München etwa waren ganz sicher nicht besser.
Man sollte auch nicht den Eindruck erwecken, als das Parkett bei den Aufführungen nur schütter besetzt gewesen. Im dritten Zyklus, den ich besucht habe, waren lediglich sehr wenige, einzelne freie Plätze zu sehen. Gebuht wurde auch nicht mehr als in anderen Vorstellungen früher. Also ganz so verheerend war das ganze nicht, zumal die musikalische Seite durchaus erfreulich war.
Sonntag, 27.August, 15:53 Uhr
eckhard ullrich
Bayreuth
Ich gebe Ihnen in allen Teilen Ihres Kommentars recht.
Dieser Ring ist Kassengift eine völlige Fehlentscheidung, Dieser Regisseur und sein "Konzept "
Eigtl. Sollte zum Jubiläum dann ein neuer Ring aufgelegt werden.
Reinzi Entscheidung ist no go.
Das Stück kann man nicht mehr aufführen, in diesen Zeiten.
Der aktuelle Ring ust wohl das schlimmste, ever. Ausser staatsoper berlin,da war es noch schlimmer .
Na,dennoch bin ich nächstes Jahr hoffentlich wieder dabei .
Guter Kommentar ,ihrerseits.
Mfg E.Ullrich
Sonntag, 27.August, 14:25 Uhr
Josep Mallol
Antwort
Ich finde, statt die Festspiele zu modernisieren, sollte man lieber den Geist Richard Wagners ins Festspielhaus zurückbringen, das derzeit zu weit weg ist!
Sonntag, 27.August, 14:01 Uhr
Annemarie Hartmann Kerschhackl Osterhofen
Tristan und isolde
War eine super Inszenierung, großartige Sänger/innen, isolde und Georg zeppenfeld überragend.
Text Einblendung vermisse ich sehr.
Sonntag, 27.August, 12:56 Uhr
Franz Gillinger
Bayreuth
Ich sehe (wie in Salzburg auch) eine Krise des Regietheaters . Das Publikum will eben ein wagnerisches Gesamtkunstwerk sehen und nicht irgendein Substitut eines Regisseurs mit der Musik von Wagner (negatives Beispiel: Holländer in Bayreuth, Figaro, Macbeth in Salzburg). Man hat den Eindruck, dass Oper nur mehr als Blase lebt, die zu verlassen sich niemand traut.
Sonntag, 27.August, 12:40 Uhr
Gisela Toepfer
Wie begeistert man kommende Generationen ...
Solange es keinen kompetenten Musikunterricht in den Schulen gibt, Zitat Zeppenfeld:" denn wer das nicht einmal angeleitet kennengelernt hat, ..." , der wird sich niemals dafür begeistern können! Außerdem fehlt es an klugen, kompetenten Regisseuren, die den Ring tatsächlich theaterwirksam erzählen können! P. Chéreau!!! -Augmented Reality-Brillen, soll das ein Witz sein? Das ist Firlefanz und ein ganz kläglicher Versuch, sowas wie einen Bezug zum digitalen Zeitalter herstellen zu wollen! Wer die Musik Wagners nicht versteht und nicht die Kreativität besitzt, aus Mythologie, Musik und Moderne eine fesselnde Einheit zu bilden, sollte vielleicht die Finger von Opernregie lassen.
Sonntag, 27.August, 12:06 Uhr
Georg ASAGAROFF
Bayreuth
Dass kaum Besucher unter 50 Jahren nach Bayreuth kommen liegt nicht nur an den zu teuren Karten, sondern an der vor allem szenischen Qualität der Aufführungen und leider manchmal auch an der Qualität der Sänger . Ich war bereits mit 14 Jahren zum ersten Mal 1961 in Bayreuth und damals von Wieland Wagners Parsifal so begeistert, dass ich für 5 Jahrzehnte fast jeden Sommer Gast der Festspiele dann war und oft oben im Rang bei großer Hitze fantastische Aufführungen , vor allem von Wieland Wagner , später auch von Friedrich , Everding , Chereau , Kupfer , Flimm , Dorn und Herheim erlebte .
Heute fehlen mir diese qualitätvollen Regisseure sehr und ich war seit den guten Meistesinger nicht mehr in Bayreuth.
Ich traf damals unzählige junge Menschen , die jährlich nach Bayreuth kamen und Geld für zahlbare Karten gespart hatten. Es stimmte nicht , dass damals die meisten Zuschauer über 50 waren .