Zum ersten Mal in der Geschichte der Bayreuther Festspiele leitet eine Frau Wagners "Ring des Nibelungen": Dirigentin Simone Young ist die Neue am Pult. Mit "Rheingold" gelingt ihr ein glänzender Start.
Bildquelle: Simone Young
Stabilität ist ein Wort, das man im ersten Moment nicht unbedingt mit der 2022 herausgekommenen Bayreuther "Ring"-Inszenierung von Regisseur Valentin Schwarz in Verbindung bringt. Die umstrittene Produktion war bislang in erster Linie von Verschiebungen und jährlichen Umbesetzungen geprägt. Doch nach der aktuellen Wiederaufnahme des "Rheingold" besteht berechtigte Hoffnung, dass sich ein altes Sprichwort bewahrheiten könnte und aller guten Dinge vielleicht tatsächlich drei sind. Zumindest was den Orchestergraben betrifft. Nach ihren Kollegen Cornelius Meister und Pietari Inkinen hat hier nun Simone Young das Regiment übernommen und scheint im dritten Jahr endlich jene Stabilität zu bringen, die der Produktion auf szenischer Seite zuweilen immer noch fehlt.
Dirigentin Simone Young | Bildquelle: Sandra Steh Ein lange überfälliges Debüt, wenn man bedenkt, dass die australische Dirigentin auf dem Grünen Hügel einst als Assistentin bei Daniel Barenboims "Ring" begonnen hatte und Wagners Tetralogie später selbst unter anderem an den Opernhäusern von Wien, Berlin oder Hamburg leitete. Dass sie die Partitur verinnerlicht hat, ist schon in der erste Szene zu spüren. Stets um Transparenz bemüht, werden die zentralen Leitmotive von ihr immer wieder gewissenhaft herausgearbeitet. Ohne Effekthascherei und ohne dabei ins akademisch Belehrende zu verfallen. Wo sich ihre Vorgänger hin und wieder in Details verzettelten, bietet Simone Young Theatermusik im besten Sinne des Wortes und hält das Geschehen so permanent im Fluss. Wobei sie dem lockeren Konversationston nicht immer ganz über den Weg zu trauen scheint und an mehr als einer Stelle bereits die tragischen Ereignisse der drei folgende Opern vorausahnen lässt.
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Zusätzlich zu Young gibt es auf dem Besetzungszettel aber noch ein paar weitere neue Namen, die ebenso aufhorchen lassen. So unter anderem Christina Nilsson als Freia, Mirko Roschkowski als Froh oder der Donner von Nicholas Brownlee, den die Bayerische Staatsoper in ihrem angekündigten neuen "Ring" demnächst zum Wotan befördern wird.
Szene aus Rheingold mit Tomasz Konieczny, Jens-Erik Aasbø, Tobias Kehrer, Okka von der Damerau, Christina Nilsson, oben: Christa Mayer | Bildquelle: Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath Auf dem Grünen Hügel bleibt der Göttervater vorerst noch fest in Händen von Tomasz Konieczny, der einen durchschlagskräftigen Heldenbariton ins Feld führt. Rhythmisch ist er aber oft sehr frei unterwegs und irritiert immer wieder mit unschönen Vokalverfärbungen. Ähnliches gilt für den wettergegerbten Alberich von Olafur Sigurdarson. Zwei präsente Darsteller, die sich dem Regiekonzept voll ausliefern und damit stimmliche Mängel fast vergessen machen. Keine derartigen Ausreden nötig haben dagegen Neuzugang John Daszak, der den Feuergott Loge mit gestähltem Charaktertenor als aalglatten Intriganten zeichnet und Okka von der Damerau, die als Erda eine Lehrstunde in Sachen Wagner-Belcanto erteilt.
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Regisseur Valentin Schwarz erzählt den Mythos vor allem als großes Familiendrama, bei dem für Speere, Tarnhelme oder magische Ringe nur wenig Platz ist. Das geht bei den großen Szenen im Hause Wotan erstaunlich gut auf. Doch nicht jede Idee scheint hier immer ganz zu Ende gedacht. Weshalb viele interessante Ansätze letztlich in der Luft hängen bleiben. Unmutsäußerungen aus dem Publikum gab es am ersten "Ring"-Abend trotzdem kaum. Zu groß war da die Euphorie für das Ensemble und für Simone Young. Ihr ist mit diesem packenden "Rheingold" ein glänzender Start gelungen, durch den sie sich aber auch selbst die Messlatte für die drei folgenden Abende hochgelegt hat.
Sendung: "Allegro" am 29. Juli ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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