Die Frühlingszeit lässt an Frühjahrswanderungen und die ersten Bergblumen denken. Doch der Berg hat auch eine dunkle Seite – und zahlreiche zauberhafte Wesen, die ihn für sich beanspruchen. Darum geht es im Werk "Die Nacht auf dem kahlen Berge". Komponiert hat es der Russe Modest Mussorgsky.
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In dieser Nacht ist ordentlich was los auf dem kahlen Berg. Im Mondlicht versammeln sich finstere Gestalten. Sie tragen Zauberumhänge und Hexenhüte. Weit über die Landschaft tönen ihre Rufe und Geschrei. Es ist Hexensabbat. Zauberer und Hexen kommen zusammen, um sich mit dem Satan zu verbinden. Den Soundtrack dazu hat der Russe Modest Mussorgsky komponiert und zwar so wild, wie es sich niemand zu seiner Zeit getraut hätte.
In Russland heißt der Versammlungsort der Hexen und Zauberer in der Johannisnacht: "Lýssaia gará" – das Äquivalent zum deutschen Blocksberg. Tagsüber zwitschern hier vielleicht noch Vögel, doch nachts verwandelt sich die Bergkulisse in einen Ort zwischen den Welten, zwischen Himmel, Erde und Hölle. Kein Wunder, dass Anhöhen und Berge seit Jahrtausenden Schauplätze religiöser und heidnischer Rituale sind.
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Mussorgskij: Eine Nacht auf dem kahlen Berge (Urfassung)∙ hr-Sinfonieorchester ∙ Andris Poga
Ob Mussorgsky regelmäßig Berge bestiegen hat? Unwahrscheinlich. Mussorgsky war Beamter in verschiedenen russischen Ministerien in Sankt Petersburg. Und er ist schon früh dem Alkohol verfallen. In den russischen Komponistenkreisen war er ein Außenseiter. Abschätzig haben die Kollegen auf den Mann aus der Provinz geschaut, der sich das Komponieren autodidaktisch erarbeitet hat. Mussorgsky waren ihre Konventionen und kompositionstechnischen Regeln ziemlich egal. Vielleicht konnte er sich deshalb so hemmungslos in die Szenerie auf dem kahlen Berg stürzen.
1874 komponierte Modest Mussorgsky seinen Klavierzyklus "Bilder einer Ausstellung", inspiriert durch die Gedenkausstellung seines Malerfreundes Victor Hartmann. Doch erst 50 Jahre später schafften es die musikalischen Bilder in den Konzertsaal - 1922 orchestrierte Maurice Ravel die "Bilder einer Ausstellung" und macht sie dadurch weltberühmt.
Modest Mussorgsky war ein Außenseiter und Autodidakt, der sich um Konventionen wenig kümmerte. | Bildquelle: picture-alliance/dpa
Anders als seine Zeitgenossen arbeitet Mussorgsky in seinem Stück mit scharfen Schnitten zwischen den einzelnen Passagen. Gnadenlos wirft er den Zuhörer von einer Melodie in die nächste. Sein Kollege Rimskij-Korsakow hat über Mussorgskys Kompositionsstil nur den Kopf geschüttelt, dennoch hat er die Werke für originell befunden – und sie nach Mussorgskys Tod überarbeitet. Von Rimskij-Korsakow stammt die ruhige Passage am Ende des Werks. Als würden die Hexen und Zauberer im Morgengrauen schnaufend am Boden kauern und den kahlen Berg wieder seinem Alltag überlassen.
Autorin des Artikels: Svenja Wieser
Sendung: "Allegro" am 22. April 2025 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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