Gute Laune am Bodensee: Anders als in den Vorjahren hatten die Festspiele in diesem Sommer Glück mit dem Wetter. Bis kurz vor dem Saisonende am 20. August konnten alle Freilicht-Vorstellungen stattfinden. 179.000 Besucher sahen Puccinis "Madame Butterfly". Im nächsten Jahr wartet der "Freischütz" auf die Besucher.
Bildquelle: Bregenzer Festspiele
Davon können sogar renommierte Opernhäuser nur träumen: 99 Prozent Auslastung auf der Bregenzer Seebühne mit ihren 6.659 Sitzplätzen, das ist in der Tat eine beeindruckende Bilanz der diesjährigen Festspiele. Obendrein ist es ein "verdienter" Erfolg nach der verregneten Premiere im vergangenen Jahr. Damals musste ausgerechnet der Saisonauftakt wegen eines Gewitters abgebrochen und in den Saal verlegt werden. Und damit nicht genug: Auch die Oper im Festspielhaus, Verdis selten gespielte und daher ziemlich unbekannte Tragödie "Ernani", füllte den Saal zu 99 Prozent. Rein kaufmännisch gesehen, dürfte die Saison also zur höchsten Zufriedenheit aller Beteiligten zu Ende gehen. Und künstlerisch gab es in diesem Jahr auch wenig Anlass zum Mäkeln: "Ernani" in der Regie von Lotte de Beer überzeugte als bluttriefendes absurdes Theater, wenngleich nicht alle Premierengäste und Kritiker gleichermaßen angetan waren. Da war etwa von "missratener Groteske" die Rede. Doch dass die Stücke im Festspielhaus deutlich kontroverser aufgenommen werden als die auf der Seebühne, hat eine gewisse Tradition.
Die optisch vergleichsweise karge "Butterfly" scheint trotz gemischter Kritiken in der Interpretation von Andreas Homoki den Publikumsgeschmack getroffen zu haben. Und es stimmt ja: Die "Showeffekte" lassen sich nicht Jahr für Jahr überbieten, insofern sprach vieles dafür, mal wieder mehr auf Emotionen als auf Bühnentechnik zu setzen. Umso gespannter dürften die Bregenz-Fans auf den "Freischütz" im nächsten Jahr sein: Dort ist bekanntlich die Teufelsbeschwörung in der "Wolfsschlucht" Höhepunkt der Handlung. Da gäbe es viel Platz für technischen "Hokuspokus", und dem ist Regisseur Philipp Stölzl nicht abgeneigt, wie er schon bei seinem äußerst erfolgreichen "Rigoletto" 2019/21 unter Beweis stellte. Die Festspiele gehen also gewisser Weise auf "Nummer sicher".
Dass die diesjährigen Regie-Experimente im Bregenzer Nebenprogramm nicht ganz so gut beim Publikum ankamen, ist nicht weiter verwunderlich: Beim "feministisch" inszenierten "Werther" von Jules Massenet blieben im Opernstudio, der Nachwuchsarena, ein paar Plätze leer (71 Prozent Auslastung). Auch der künstlerisch fordernde Abend "The Faggots and Their Friends Between Revolutions" war mit 89 Prozent nicht ganz ausverkauft, aber immerhin sehr gut besucht. Es ging dabei um die Geschichte der queeren Bewegung, ihren Kampf gegen patriarchalische Machtstrukturen und überkommene Männlichkeitsbilder. Bemerkenswert, dass die Bregenzer Festspiele diese internationale Koproduktion einluden, die absolut nicht "populär" im engeren Sinne, aber als Beitrag zur Genderdebatte umso wichtiger erscheint.
In den nächsten Wochen wird nach Angaben der Festspiele nicht nur das "Butterfly"-Bühnenbild abgebaut, sondern auch der "Kern" der Seebühne saniert. Am 2. Oktober startet der Vorverkauf für den "Freischütz". In diesem Jahr hatten die Festspiele die Kartenpreise um rund vier Prozent angehoben, die billigsten Tickets waren für dreißig Euro zu haben, allerdings nicht für Wochenendtermine. Geschäftsführer Michael Diem hatte dem BR gesagt, dass sich die Festspiele zu etwa 75 Prozent selbst finanzieren und ab einer Auslastung von neunzig Prozent auf der Seebühne Gewinn einfahren. Insofern dürfte er jetzt Grund zur Zufriedenheit haben, zumal Bregenz nicht von der verbreiteten Publikumsmüdigkeit betroffen scheint: "Wir hatten nach der Pandemie wenig oder gar keinen Besucherschwund. Die Menschen wollten wieder was erleben und haben sich gesagt, wenn, dann Open Air. Wir haben nicht die Auslastungsprobleme vom Sprechtheater."
So ganz unbelastet gehen die Festspiele allerdings nicht in den Herbst: Derzeit macht ein mutmaßlicher Betrugsskandal im Zusammenhang mit Sanierungsprojekten in Vorarlberg Schlagzeilen. Der österreichische "Standard" titelte am 15. August: "Siemens-Korruptionsaffäre erreicht Bregenzer Festspiele". Es geht um finanzielle Unregelmäßigkeiten wie "überhöhte Kalkulationen" und den Vorwurf persönlicher Bereicherung einzelner, für Bauvorhaben verantwortliche Personen. Ob und wie die Festspiele davon konkret betroffen sind, ist noch unklar. Teile der Seebühne sollen demnächst für sechzig Millionen Euro saniert werden. Dazu sagte Pressesprecher Axel Renner dem "Südkurier": "Bisher gab es keine Hinweise, dass die Bregenzer Festspiele geschädigt wurden. Die aktuellen Ereignisse nehmen wir aber zum Anlass, einzelne Geschäftsvorgänge erneut zu prüfen. Für die Vergabe der Leistungen im Rahmen der Festspielhaus-Sanierung sind die Bregenzer Festspiele nicht zuständig, da das Festspielhaus im Eigentum der Stadt Bregenz ist."
Sendung: "Leporello" am 18. August 2023 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Montag, 21.August, 11:19 Uhr
Gufo
Bregenz
In Tip für die Opernhäuser, die über schwindende Zuschauerzahlen klagen : Von Bregenz lernen, heisst Kassen füllen.