BR-KLASSIK

Mit "Daredevil: Born Again" startet die 13. Serie des Marvel Cinematic Universe (MCU) auf Disney+. Fans freuen sich auf die Rückkehr des düsteren Helden und hoffen, sein ikonisches Musikthema aus der "Daredevil"-Netflix-Serie wiederzuhören. Die Soundtracks der Marvel-Serien sind so vielfältig wie die Comicfiguren. Hier sind acht der besten Serienmusiken aus mehr als 55 Jahren Marvel-TV-Geschichte.

John Paesano: Daredevil

Komponist John Paesano schuf mit seinem Score für "Daredevil" einen Neo-Noir-Sound, der Klavier, Streicher und Bass mit synthetischen Klängen mischt. Er verließ den bis dahin etablierten orchestralen Sound der MCU-Filme und setzte auf Atmosphäre statt auf opulente Heldenmusik.

Die Netflix-Serie "Daredevil" (2015-2018) über den blinden Anwalt Matt Murdock (Charlie Cox), der nachts als Rächer Daredevil die Kriminellen von Hell’s Kitchen tyrannisiert, war in vielerlei Hinsicht wegweisend. Sie war der Startschuss für den "Defenders"-Serienkosmos, die als "Straßen-Avengers" im Schatten der MCU-Kinofilme ihre eigenen Abenteuer in den schmutzigen Seitengassen von New York erlebten.

Bear McCreary: Agents of S.H.I.E.L.D.

"Agents of S.H.I.E.L.D." (2013-2020) war die erste TV-Serie des MCU auf ABC. Sie erzählt in sieben Staffeln die Abenteuer der Geheimorganisation S.H.I.E.L.D. um Agent Coulson, die wir bereits aus "Iron Man" (2008) kennen.

Auch musikalisch knüpft Komponist Bear McCreary an den klassisch-sinfonischen Superheldensound à la Alan Silvestri der ersten MCU-Phase an ("Captain America: The First Avenger", "Marvel’s The Avengers"). Sein Hauptthema mit markantem Streicher-Riff ist optimistisch, mitreißend und im besten Sinne altmodisch. Marvel und ABC ermöglichten McCreary, mit großer Orchesterbesetzung von bis zu 90 Musiker:innen zu arbeiten. Für das Stück "Cello Concerto", durfte er sich sogar in virtuoser Kammermusik ausprobieren.

Natalie Holt: Loki

Die MCU-Serien auf Disney+ widmen sich interessanten Nebencharakteren und erkunden neue Ecken des Comic-Universums, erzählerisch und musikalisch. In "Loki" (2021-2023) folgen wir dem beliebten Trickster-Gott aus Asgard, gespielt von Tom Hiddleston, auf widerwilliger Zeitreisemission. Die britische Komponistin Natalie Holt verleiht der Serie in ihrem Score einen unverwechselbaren, abgespaceten Klangcharakter.

Passend zum retrofuturistischen Look der Serie ist das Titelthema von sphärischen Theremin-Klängen geprägt. Außerdem einem analogen 1950er-Jahre-Synthesizer-Sound, der stark an die frühen Folgen der Sci-Fi-Kultserie "Doctor Who" erinnert. Das Thema von Loki dagegen ist dramatisch-orchestral, mit Zitaten von Richard Wagners Walkürenritt ("Loki Green Theme").

Jeff Russo: Legion

Unter den vielen Marvel-Serien ist die FX-Produktion "Legion" (2017-2019) ein Geheimtipp. Angesiedelt im X-Men-Universum von 20th Century Fox, handelt die Serie vom schizophrenen Mutanten David Haller, der feststellen muss, dass die Stimmen in seinem Kopf realer sind, als ihm lieb ist. "Legion" folgt der instabilen Gedankenwelt des Protagonisten und mischt verschiedene Zeit- und Realitätsebenen zu einem abgefahrenen Seherlebnis.

Auch auf der Hörebene ist die Serie dank der einzigartigen Musik von Jeff Russo ein Ereignis. Inspiriert von Pink Floyd spiegelt die Musik Davids Geisteszustand in vielschichtigen, synthetischen Soundscapes wider. Ein Höhepunkt ist die Konfrontation mit dem Shadow King, begleitet von einer elektronisch verzerrten Version von Ravels "Bolero". Legendär sind auch die Coverversionen bekannter Popsongs, wie dem "The Who"-Song "Behind Blue Eyes", gesungen von Dan Stevens und Navid Negahban auf English und Persisch.

Sean Callery: Jessica Jones

Die Netflix-Serie "Jessica Jones" (2015-2019) verfeinerte den Noir-Stil von "Daredevil". Jessica, gespielt von Krysten Ritter, ist eine zynische Detektivin mit Superkräften und Alkoholproblemen. Sie ist eine ambivalente, komplexe Figur mit einer traumatischen Vergangenheit, guten Absichten aber nicht immer sauberen Methoden.

Musikalisch malt Sean Callery die ambivalente Protagonistin mit stimmungsvollen Musiktexturen. Jessicas Titelthema beginnt als lässiges Jazz-Stück mit geheimnisvollen Passagen, bis die unterliegende Dramatik in wilden E-Gitarren-Riffs ausbricht. Wie die Figur offenbart die Musik immer neue Facetten, mal nachdenklich und melancholisch, dann laut und gewaltvoll, und zeichnet ein nuanciertes Porträt dieser faszinierenden Figur.

Kristen Anderson-Lopez und Robert Lopez: Agatha All Along

Als ein Highlight von "WandaVision" (2021), der ersten MCU-Serie auf Disney+ über Avenger-Heldin Maximoff, zählt die Performance von Schauspielerin Kathryn Hahn und ihr viral gegangener Song "Agatha All Along". Kristen Anderson-Lopez und Robert Lopez haben ihn geschrieben. Angelehnt an "The Addams Family" offenbart der Song die neugierige Nachbarin Agnes als herrlich diabolische Hexe Agatha Harkness.

Für die Serie "Agatha All Along" (2024) kehrt das Songwriter-Duo zurück und übertrifft sich selbst mit dem Song "The Ballad of the Witches Road". Er nimmt in der Serie über Agathas Leben nach "WandaVision" eine zentrale Rolle ein, sowohl für die Erzählung als auch für die Figurenzeichnung. Christophe Beck und Michael Paraskevas integrieren den Song prominent in ihren düsteren Score.

Paul Francis Webster und Bob Harris: Spider-Man

"The Ballad of the Witches Road" aus "Agatha All Along" gilt wohl als DER Ohrwurm des Marvel Cinematic Universe. Der bekannteste Song aus einer Marvelserie ist dennoch die Titelmelodie zur Zeichentrickserie "Spider-Man" (1967-1970, ABC), dem netzschwingenden Superhelden.

Komponiert von Paul Francis Webster und Bob Harris, ist die Melodie mit den kultigen Lyrics ("Spider-Man, Spider-Man, Does whatever a spider can") zur Hymne der Figur geworden und untrennbar mit ihr verwoben. Sie taucht in vielen Spider-Man-Produktionen auf und erhielt für "Spider-Man: Homecoming" (2017) eine Orchesterversion von Michael Giacchino.

Leo Birenberg und Zach Robinson: Your Friendly Neighborhood Spider-Man

Die Musik zu "Your Friendly Neighborhood Spider-Man" (2025) ist jung, optimistisch und technisch verspielt. Mühelos schwingt sie von poppig-albern zu ernst und heroisch – wie Teenager Peter Parker alias Spider-Man selbst. Die neueste Animationsversion der Spinne greift die Titelmelodie aus den 1960ern auf. Diesmal jedoch auch in einer Hip-Hop-elektronischen Coverversion des Musikteams The Math Club: Neighbor Like Me. Es ist die perfekte Ergänzung zum großartigen Serienscore von Leo Birenberg und Zach Robinson, der zeitgenössische Klänge mit orchestraler Superheldenmusik mischt.

Das Hauptthema zählt schon jetzt zu den besten Spider-Man-Musikthemen und orientiert sich an Henry Jackmans Spider-Man-Motiv aus "Captain America: Civil War" sowie an John Paesanos Musik zum Videospielhit "Marvel’s Spider-Man". Apropos Paesano: Auch sein "Daredevil"-Thema hat in "Your Friendly Neighborhood Spider-man" einen Gastauftritt.