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Kritik: Faschingskonzert der Münchner Musikhochschule Virtuos und witzig

Die Studierenden der Hochschule für Musik und Theater München begeistern bei ihrem traditionellen Faschingskonzert mit einer Reise ins musikalische Märchenland. Die Erwartungen waren hoch, das Konzert schnell ausverkauft – und in verschiedener Hinsicht außergewöhnlich.

Faschingskonzert der Studierenden der Musikhochschule München 2025. | Bildquelle: HMTM

Bildquelle: HMTM

Nein, das ist diesmal definitiv kein Konzert wie alle anderen. Das wird schon beim Betreten der Münchner Musikhochschule überdeutlich. Wenn man beim Erklimmen der großen Marmortreppe hinter einem Einhorn und zwei plüschigen Pinguinen nach oben trottet. Oder wenn sich an der Garderobe ein pinkfarbener Hase aus seiner Winterjacke schält. Oh ja, das Publikum hat sich hier dem Anlass entsprechend wirklich so richtig in Schale geworfen. Schließlich handelt es sich um das legendäre Faschingskonzert, bei dem es die Studierendenvertretung stets ordentlich krachen lässt.

Studierende organisieren alles selbst

Faschingskonzert der Studierenden der Musikhochschule München 2025. | Bildquelle: HMTM Faschingskonzert der Studierenden der Musikhochschule München 2025 | Bildquelle: HMTM Mittendrin im Getümmel sieht man auch Salomo Michelfeit, der als Produktionsleiter den Überblick über das kreative Chaos behalten muss. "Das ist alles von uns Studis selbst organisiert. Von der Musikauswahl, über die Anträge beim KVR, bis hin zum Einlass und Catering. Aber gerade das ist das Spannende, weil man so auch mal in Bereiche hineinschnuppern kann, die mit dem Studium sonst nichts zu tun haben." Und trotz seiner organisatorischen Aufgaben, ist es für Salomo selbstverständlich, dass er mal bei einem Umbau auf der Bühne mit anpackt oder zum Saxophon greift. Teamwork lautet das Zauberwort. Denn in die große Show wurde von allen Beteiligten viel Zeit und Herzblut investiert. Seit Beginn des Wintersemesters sammelten die Studierenden Ideen, dichteten freche Texte, zimmerten Kulissen und probten in verschiedenen Formationen, von der Big Band bis zum Streichorchester. Denn die Erwartungen des Publikums sind hoch.

Faschingskonzerte: innerhalb eines Tages ausverkauft

Die Faschingskonzerte der Studienvertretung haben längst Kultcharakter und eine treue Fangemeinde, die auch bei der 56. Auflage dieses musikalischen Happenings wieder die Kasse stürmte. Innerhalb von 24 Stunden waren die fünf Vorstellungen restlos ausverkauft. Dass man da schnell sein muss, weiß auch eine pensionierte Musikerin aus Neuhausen, die zwar ihre Maske nicht lüften will, aber zumindest verrät, dass sie schon seit Jahren zum Stammpublikum zählt und immer wieder neugierig ist, "was den jungen Leuten wohl als nächstes einfällt".

Luftballon ersetzt die Geige

Als dann pünktlich (!) um 19:19 Uhr das letzte Läuten verhallt und das Licht im Saal erlischt, beginnt es erst einmal ganz klassisch mit einem Streichquartett, das einen mit Edward Elgars "Salut d’amour" in Sicherheit wiegt. Doch schon beim Da Capo wird die erste Geige kurzerhand durch einen quietschenden Luftballon ersetzt. Was für ein Hörerlebnis der etwas anderen Art und für amüsiertes Glucksen im Saal sorgt. Denn natürlich ist diese traditionelle Faschingssause kein normales Konzert mit Frack und Notenständern. Was man hier erlebt, erinnert eher an das alljährliche Singspiel auf dem Nockherberg.

Fasching und Karneval in der Klassik

Fasching und Oper haben viel gemeinsam: Über Maskenfeste und tanzende Schildkröten.

Märchenfiguren mit Rollenverteilung unzufrieden

Alles beginnt im Wohnzimmer der Brüder Grimm, die sich mit der zunehmenden Unzufriedenheit ihrer Märchenfiguren auseinandersetzen müssen. Denen erscheinen die moralisierenden Geschichten mit stereotyper Rollenverteilung und Happy End-Garantie nämlich reichlich angestaubt. Das machen vor allem die Prinzessinnen klar, die sich hier zu einer Spice-Girls-Coverband formieren.

Die Hochschule für Musik und Theater in der Arcisstraße in München. | Bildquelle: BR/Fabian Stoffers Hochschule für Musik und Theater München | Bildquelle: BR/Fabian Stoffers Aber auch der sächsische Märchenprinz, der sich zwar selbst als die größte "Sex-Bömb" seit Tom Jones betrachtet, aber gleichzeitig vor dem Dilemma steht, dass man so ein schlafendes Dornröschen heute ohne vorheriges Einverständnis schlecht wachküssen kann. Schließlich war sexuelle Belästigung auch an der Münchner Musikhochschule schon mal ein Thema, das von Regisseurin Vivien Baer nun noch einmal schwarzhumorig aufbereitet wird. Denn dass es zwischendurch auch mal kritisch zugeht, gehört im Fasching ebenfalls dazu.

Künstliche Intelligenz als personifizierte Schlaumeierin

Da wird etwa über Gleichstellung und Klimawandel philosophiert, aber auch über Casting-Shows oder Künstliche Intelligenz. Letztere darf hier als personifizierte Schlaumeierin gleich mit auf die Bühne und wertvolle Tipps geben, wie sich Konzerte zeitgemäß und relevant gestalten lassen. Ein Zauberwort lautet da natürlich "interaktiv". Was mit einer köstlichen Wiedergabe von Hape Kerkelings "Hurz" sogleich in die Tat umgesetzt wird, bei der das Publikum als Chor enthusiastisch mit einsteigen darf.

Wilde Mischung beim Fasching

Parodien setzen immer voraus, dass man zuerst einmal die Originale beherrscht. Und was das betrifft, schlagen sich die Studierenden bravourös. Das beginnt schon bei den selbst erstellten Arrangements, mit denen hier die unterschiedlichsten Musikstile harmonisch vereint werden. Sei es ein kubanisch angehauchter Beethoven, ein Techno-DJ, der sich mit Wirtshausmusik battelt oder ein von japanischer Taiko-Trommel und Schamisen-Laute begleiteter boarischer Dreigesang. So eine wilde Mischung erlebt man wohl tatsächlich nur hier. Und so kann man sich dem abschließenden Ratschlag der Brüder Grimm getrost anschließen: "Wenn Sie nicht gestorben sind, kommen Sie nächstes Jahr gerne wieder!"

Sendung: "Allegro" am 3. März 2025 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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