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Vladimir Jurowski "Ich will kein Möbelstück der Staatsoper werden"

Noch vier Jahre will Vladimir Jurowski Generalmusikdirektor an der Bayerischen Staatsoper bleiben, dann wird es Zeit für einen Wechsel. Über seine Gründe spricht er im Interview.

Vladimir Jurowski | Bildquelle: Wilfried Hösl

Bildquelle: Wilfried Hösl

BR-KLASSIK: Herr Jurowski, nur zwei Jahre Vertragsverlängerung an der Bayerischen Staatsoper. Sehen Sie das mit einem weinenden und einem lachenden Auge?

Vladimir Jurowski: Mit einem lächelnden Auge. Wir sprechen von zwei Jahren, die zu dem laufenden Vertrag bis 2026 addiert werden. Ich habe gerade mein drittes Jahr an der Bayerischen Staatsoper beendet, das heißt, ich bin noch nicht am Zenit meiner Tätigkeit angekommen. Und ich finde, sieben Jahre ist tatsächlich eine gute Zahl. Meine beiden Vorgänger Kirill Petrenko und Kent Nagano waren genau sieben Jahre lang GMD an der Bayerischen Staatsoper. Und als ich den Job 2021 angetreten bin, hatte ich tatsächlich keine andere Zahl im Kopf als das. Die wollten damals einen Vertrag auf zehn Jahre schließen und ich habe gesagt: Um Gottes Willen, lassen Sie uns vier oder fünf Jahre machen und schauen, wie das läuft. Aber ich bin wirklich überzeugt, dass sieben oder acht Jahre eine ideale Zeit sind, damit es zu keiner Stagnation kommt, dass man aber die Früchte seiner Arbeit noch selber ernten kann. Ich möchte nicht zu einem "Möbelstück" der Bayerischen Staatsoper werden. Ich bin noch relatv jung mit meinen 52 Jahren und hab dann auch noch weitere Pläne im Leben. Und außerdem ist es gut, wenn man beim Weggehen, wenn man eine gute Erinnerung an sich hinterlässt und nicht dieses "Ach, endlich ist er weg".

BR-KLASSIK: Allerdings haben wir jetzt eine gewisse Unwucht. Der Intendant, der sehr eng mit dem Generamusikdirektor zusammenarbeiten muss, damit das Haus erfolgreich ist, gestaltet seinen Vertrag nicht im gleichen Rhythmus wie Sie. Warum macht einer vom Führungsteam weiter, der andere nicht?

Vladimir Jurowski: Wenn wir auf die Geschichte der Bayerischen Staatsoper schauen, wurden die Intendanten oft vor den Generalmusikdirektoren bestellt. Nikolaus Bachler kam vor Kirill Petrenko, Sir Peter Jonas kam in der Zeit zwischen Wolfgang Sawallisch und Kent Nagano. Bachler hat damals dem Ministerium versprochen, ein Nachfolgerduo zu suchen. Er hatte das Barrie Kosky und mir angeboten. Barrie ist ausgestiegen, ich bin geblieben. Es ist ein dynamischer Prozess.

Es gibt keine Konflikte zwischen uns.
Vladimir Jurowski über seine Arbeit mit dem Bayerischen Staatsorchester

BR-KLASSIK: Vor den Vertragsverlängerungen für Serge Dorny und Sie wurden viele Namen in den Raum gesetzt, von verschiedenen Seiten spekuliert. Und jetzt hat man das Gefühl, dass alle ein Stück weit beschädigt sind, weil sich der Entscheidungsprozess so lange hingezogen hat und dadurch Spekulationen ins Kraut geschossen sind.

Das Bayerische Staatsorchester beim Akademiekonzert unter der Leitung von Vladimir Jurowski 2024. | Bildquelle: Wilfried Hösl Das Bayerische Staatsorchester beim Akademiekonzert unter der Leitung von Vladimir Jurowski, 2024. | Bildquelle: Wilfried Hösl Vladimir Jurowski: Das ist vielleicht der Blick von außen und der hat sicherlich seine Berechtigung. Aber der Blick von innen sagt: Wir haben mit dem Staatsorchester jetzt im letzten Monat eine erfolgreiche Tournee nach Italien gehabt. Davor waren es zwei sehr gute Konzerte hier und man hat nichts davon gespürt. Es gibt keine Konflikte zwischen uns. Es gibt mit Sicherheit, wie an jedem Opernhaus, Leute, die mit der Tätigkeit ihres Chefs unzufrieden sind. Man wird sicherlich kein Symphonieorchester der Welt finden, wo hundert Prozent der Belegschaft für den jeweiligen Chefdirigenten stimmen. Wichtig ist, wie die Arbeit verläuft. Wenn man in der Arbeit selbst Verschleißerscheinungen merkt, wenn sich Leute querstellen, wenn es Konfliktsituationen gibt, dann merkt man das in jeder Probe und es ist sehr unangenehm. Aber wir haben die Situation hier nicht, sonst könnte das Orchester nicht auf dem Niveau spielen und ich könnte auch nicht so gelöst meine Konzerte und Vorstellungen dirigieren, ich bin ja kein Schauspieler. Insofern kann ich nur bezeugen: Es ist im Moment sehr gut hier zu arbeiten und ich fühle mich vom Orchester getragen. So blicke ich der Zukunft sehr optimistisch entgegen, aber ich finde es gut, dass man jetzt schon den Weg abgesteckt hat. Bis hierhin zusammen, und danach gern wieder als Gast. Ich glaube, das bringt ein bisschen Ruhe in den Laden.

BR-KLASSIK: Es war also nicht der "Ring" ausschlaggebend, den Sie noch fertigmachen wollten?

Vladimir Jurowski: Das wäre ja schon fast zu symbolbeladen, mit dem apokalyptischen Weltende zu enden. Nein, den "Ring" machen wir 2027, aber ich habe noch andere Stücke, die ich unbedingt hier einmal gemacht haben will. Nicht nur die Neuproduktionen, sondern auch einige Wiederaufnahmen. Ich habe mich bislang wenig um das deutsche Kernrepertoire gekümmert, bis auf den "Rosenkavalier", "Elektra" und die "Fledermaus". Aber sind ja noch andere Titel, die ich gern dirigieren möchte.

Sendung: "Leporello" am 17. Juni 2024 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (2)

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Donnerstag, 20.Juni, 11:44 Uhr

Corinna Harms

Jurowski: Ich will kein Möbelstück....

"Aber ich bin wirklich überzeugt, dass sieben oder acht Jahre eine ideale Zeit sind, ..."
Beim London Philharmonic Orchestra war er 15 Jahre.
Beim Glyndebourne Festival waren es 12 Jahre.
Beim RSB geht der Vertrag bis 2027. Das sind 10 Jahre.
Er scheint in München doch nicht so glücklich zu sein.
Kent Nagano ist nicht ganz freiwillig aus München gegangen.

Dienstag, 18.Juni, 05:33 Uhr

Kurt

Deutsches Kernrepertoire

Immerhin gibt Jurowski jetzt zu, dass er das deutsche Kernrepertoire bisher vernachlässigt hat.

Es stellt sich die Frage nach dem Warum. Ist es nicht die Aufgabe eines Generalmusikdirektors in einer deutschen Stadt, die Bedürfnisse des angestammten Publikums zu befriedigen?

Bisher hat man den Eindruck, als wollte Jurowski erst einmal seine persönliche "bucket list" abarbeiten, ohne Rücksicht auf die Wünsche des Publikums. Ich fand das arrogant und narzisstisch.

Immerhin gelobt er Besserung. Aber bitte dann echte Empathie mit den Werken und nicht so wie bei Beethoven IX (Mixtur aus Orginal und Schönberg) eine Vergewaltigung.

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