Die Erwartungen waren hoch. Jetzt hat der neue Intendant des Kissinger Sommers, Alexander Steinbeis, sein erstes Programm vorgestellt. Und gezeigt, wie er dem altgedienten Kurstadt-Festival einen neuen Anstrich geben will – ohne den Markenkern zu verlieren.
Bildquelle: Kissinger Sommer
Zwischen Glanz und Kur soll das Klassikfestival Kissinger Sommer vom 17. Juni 2022 an wieder stattfinden. Alexander Steinbeis hat Tilman Schlömp im vergangenen Jahr als Intendant des Kissinger Sommers abgelöst. Nun steht im Sommer sein erstes Festival an. Und das trage schon komplett seine Handschrift, wie er im Interview mit BR-KLASSIK betont. Nachdem das Festival im vergangenen Jahr coronabedingt nur eingeschränkt stattfinden konnte, plant man in diesem Jahr mit einem vollen Programm.
Die Erwartungen an Steinbeis, der zuvor 13 Jahre lang Direktor des Deutschen Symphonieorchester Berlin war und das DSO zu einem der innovativsten Orchester Europas gemacht hatte, waren vor der Vorstellung des diesjährigen Bad Kissinger Programms dementsprechend groß. Gleichzeitig sollte die Frischekur für den Kursommer nicht zu radikal ausfallen. Denn schließlich soll der Markenkern des traditionsreichen Kissinger Sommers dabei nicht verloren gehen. Ein neues Publikum ist aber trotzdem wichtig und erwünscht. Doch müssen die Kurstadt und ein potenziell jüngeres Publikum erstmal zusammengebracht werden. Ganz praktisch hat Steinbeis dafür im Sommer 2022 Shuttlebusse eingeführt, die jeweils an den Wochenenden von Würzburg und Fulda nach Bad Kissingen fahren.
Sehr gefragt: Die norwegische Sopranistin Lise Davidsen singt 2022 in Bad Kissingen. | Bildquelle: Kissinger Sommer Auch direkt in der Stadt soll sich das Festival offener zeigen: Es gibt ein Open-Air-Konzert mit Till Brönner und eine Live-Klavier-Improvisation zu einem Lubitsch-Stummfilm. Außerdem hat Steinbeis auch sogenannte Prélude-Konzerte eingeführt: An den Wochenenden gibt es von 18 Uhr an Musik im öffentlichen Raum wie das Sissi-Denkmal oder der Marktplatz. Da sollen dann kostenlos Ensembles aus Gastorchestern oder Kissinger Formationen je eine halbe Stunde lang spielen. "Damit feiern wir den Ort und machen ein Angebot, bei dem wirklich jeder mitmachen kann", erklärt Steinbeis. Wenn jemand, egal ob jung oder alt, vorbeispaziere, sich für die Musik interessiere und eventuell sogar eine Karte für das Konzert des Ensembles kaufe, dann sei etwas erreicht, so Steinbeis weiter.
Steinbeis' Programm für 2022 kann sich durchaus sehen lassen – obwohl die Vorbereitungszeit von nur etwa einem Jahr für die Branche enorm kurz ausgefallen ist. Mit Daniil Trifonov, Lise Davidsen oder dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Joanna Mallwitz und den Bamberger Symphonikern mit Rudolf Buchbinder ist der Kissinger Sommer gewohnt prominent besetzt. Der Dirigent Sir Simon Rattle wird sogar als Pianist in Erscheinung treten und die tschechische Opernsängerin Magdalena Kožená begleiten.
Gleichzeitig gibt es mit dem Motto "Wien, Budapest, Prag, Bad Kissingen" einen historischen Bezug im Programm. Bad Kissingen war für die ehemaligen Staaten der K&K-Monarchie ein wichtiger Ort. Das Kaiserpaar Sissi und Franz Joseph war öfter zur Kur vor Ort, Balthasar Neumann – gebürtige Böhme – entdeckte bei der Verlegung der Saale 1738 eine verschüttete Quelle, die später nach dem ungarischen Freiheitshelden Ferenc Rákóczy benannt wurde und die Anfänge der Kurmusik machten 1863 zugereiste Musiker aus Prag. Also gibt es 2022 auch Böhmisches mit Smetanas "Aus Böhmens Hain und Flur" und Dvořáks Siebter Symphonie, präsentiert von der Tschechischen Philharmonie unter der Leitung von Petr Popelka, sowie Isabelle Faust mit Bohuslav Martinůs zweitem Violinkonzert. Und gleich zwei Mal gastieren die Wiener Symphoniker unter Andrés Orozco-Estrada.
Alexander Steinbeis' erster Kissinger Sommer ist also durchaus ambitioniert. Ein Programm, das Erwartungen erfüllen kann. Ob der Spagat zwischen Innovation und dem Bedienen alter Formate dem neuen Intendanten gelingt, wird der Sommer 2022 zeigen.
Sendung: "Leporello" am 20. Januar 2022 ab 16:05 Uhr auf BR-Klassik.
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