Nach einem Wechsel des Chorleiters kommt der Grüne Hügel nicht zur Ruhe: Seit Monaten ist von Zerwürfnissen zwischen Festspielleitung und Festspielchor die Rede, ihren Streit tragen die Beteiligten teils öffentlich aus. Es geht um Geld, aber auch fehlende Anerkennung und massive Kommunikationsschwächen.
Bildquelle: picture alliance / dpa | Matthias Balk
Wenn es irgendwo Ärger gibt, sagen die streitenden Parteien ja gern: "Wir müssen wieder mehr miteinander reden." Das ist sicherlich nicht falsch, aber nur reden hilft leider nichts, wie sich gerade bei den Bayreuther Festspielen zeigt. Der Chor fühlt sich unfair behandelt, beklagt mangelnde Kommunikation seitens der Festspielleitung, massive Einsparungen und intransparente Auswahlverfahren. An den Einsparungen führt wohl kein Weg vorbei, aber bei der Kommunikation scheint wirklich nicht alles mustergültig zu laufen. Das Problem: Es fehlt beiden Seiten an Aufrichtigkeit. So wird hinter vorgehaltener Hand gern darüber geklagt, dass der frühere Chorleiter Eberhard Friedrich aus falsch verstandener Anhänglichkeit zu langjährigen Chormitgliedern deren stimmliche Fähigkeiten nicht immer ausreichend kritisch gewürdigt habe.
Es habe Qualitätseinbußen gegeben. Sogar der Chorvorstand soll erhebliche Defizite festgestellt haben, behauptet die Festspielleitung. Allerdings scheint darüber nie offen gesprochen worden zu sein: "Kein Dirigent und keine Dirigentin hat jemals über den normalen Probenprozess hinaus eine mangelnde Leistungsfähigkeit des Festspielchores beklagt", ist in einem offenen Brief des Ex-Choristen Jörg Golombek zu lesen. Wenn es so war, fehlte es ganz offensichtlich am Mut zur Verantwortung. Miteinander reden sollte eben auch heißen: Miteinander streiten, Kritik aushalten, auch über persönliche Fähigkeiten und mögliche Niveauverluste. Das Ganze erinnert an den Software-Konzern SAP, bei dem Vorgesetzte ihre Mitarbeiter neuerdings in drei Gruppen einteilen sollen: Unterdurchschnittliche, Durchschnittliche und Überdurchschnittliche. Ein früheres, ähnliches Verfahren soll dazu geführt haben, dass am Ende alle zu den "Spitzenkräften" zählten. Das beweist, wie schwer sich selbst in der freien Wirtschaft Vorgesetzte tun, ihre Leute einzustufen und ihnen negative Ergebnisse zu vermitteln.
Wir alle wollen gelobt werden, bestehen auf Wertschätzung – und manche meinen, deshalb sei allenfalls Selbstkritik erlaubt. Künstlerische Maßstäbe sind mitunter sehr subjektiv, was die Einschätzung von Choristen nicht leichter macht. Obendrein opfern sie für die Bayreuther Festspiele fast allesamt ihre jeweiligen Spielzeitferien, sie sind ja in der Regel an Theatern fest engagiert. Da fällt ein offenes Wort umso schwerer, denn das könnte die sommerlich-heitere Stimmung verhageln. Doch wie sich jetzt herausstellte, hilft Konfliktvermeidung nicht weiter, der Unmut wurde nur umso größer und die Negativ-Schlagzeilen häufiger. Katharina Wagner und der neue Chorleiter Thomas Eitler-de Lint müssen ihren Choristen jetzt zweierlei klarmachen: Die Einsparungen haben nicht sie zu verantworten, das ist Sache der Geldgeber. Der Umgang mit der neuen Faktenlage muss allerdings wirklich transparent sein. Dazu müssen sie klipp und klar die Defizite des Festspielchors benennen und damit die Kriterien für die Neuaufstellung definieren. Wenn alles schon immer perfekt war, wird niemand verstehen, warum es jetzt so einen Änderungsbedarf geben soll. Das schmerzt, aber mit seelischen Schmerzen kannte sich Richard Wagner ja bestens aus.
Sendung: "Allegro" am 24. März 2025 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (0)