Wie klingt ein Konzertsaal, in dem Marmorplatten verbaut sind? Wie einer mit Holzplatten? Oder gar einer mit bröckeligen Wänden? Das alles lässt sich im Elektra Tonquartier im Münchner Kunstkraftwerk Bergson hörbar machen – dank eines modernen Klangsystems. Es kann den Saal akustisch in fast jeden beliebigen Raum verwandeln.
Bildquelle: Bergson
An der Eingangstür steht in großen, schwarzen Buchstaben: Elektra. Schwarze, hohe Wände, aufsteigende, kinoartige Sitzreihen ermöglichen einen Blick auf die schnörkellose Bühne. Allein optisch wirkt der moderne Konzertsaal im Bergson Kunstkraftwerk wie eine leere Leinwand. Und noch etwas ist besonders: Unzählige kleine Pünktchen durchlöchern die Wände – und das nicht ohne Grund.
Das Kunstkraftwerk Bergson wurde im April 2024 eröffnet. | Bildquelle: Georg Stirnweiss "Die schlucken den Schall. Die absorbieren ihn", erklärt Maximilian Maier, Programmdirektor des Bergson, und klopft mit einem Finger gegen die Wand. Ein fast schalltoter Raum also. Dadurch wird Elektra auch akustisch zur unbemalten Leinwand. Doch nur bis die Künstlerin ihr Werk beginnt: Vivace - die Lebendige. So heißt das Klangsystem, das den Konzertsaal Elektra akustisch in jeden beliebigen Raum verwandeln kann. Magie? Nicht ganz. "Was das System eigentlich macht, ist digital Oberflächen nachzubilden", sagt Maximilian Maier. "Also: Wie klingt der Raum, wenn hier beispielsweise Marmorplatten verbaut wären? Oder: Wie klänge der Raum, wenn reflektierende Holzoberflächen – wie zum Beispiel im Wiener Musikverein – verbaut würden?"
Doch wie klingt ein Raum, in dem die Wände bröckeln, die Decke sich wölbt und sogleich wieder in sich zusammensackt? Auch das kann Vivace vertonen. Das kann man am Freitag im Kunstkraftwerk Bergson hören. Es steht ein Konzert an zu Ehren des Bruckner-Jahres – unter dem Motto "Von der Weitergabe der Flamme". Es geht um Tradition, um das, was bleibt, wenn Kompositionen zum Vermächtnis werden – und darum, woher sie kommt, diese Flamme, die tief im Herzen eines Künstlers lodert.
In diesem Jahr feiert die Musikwelt den 200. Geburtstag von Anton Bruckner. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Der junge Komponist Johannes X. Schachtner hat sich in einer Neukomposition auf Spurensuche begeben: "Als erstes tatsächlich war da als Inspiration dieses Jahr 2024. Das finde ich ein ganz bemerkenswertes Jahr. Es ist eben nicht nur der 200. Geburtstag von Anton Bruckner, sondern Giacomo Puccini ist vor 100 Jahren gestorben, Gabriel Fauré ist vor 100 Jahren gestorben, Théodore Dubois ist vor 100 Jahren gestorben. Und die kommen alle in Zitaten und Anspielungen auch in diesem Werk vor. Es ist also eine Reflektion über das Jahr 2024 mit diesen besonderen Klang- und Raummöglichkeiten im Bergson."
Neben Schachtners Eigenkomposition steht vor allem Bruckners 7. Symphonie im Fokus des Abends. Denn auch hier geht es wieder um diese Flamme: "Es gibt ja diese Geschichte, dass Anton Bruckner den Brand der Wiener Oper miterlebt hat", sagt Johannes X. Schachtner. "Diesen Eindruck hat er wohl im Scherzo der 7. Sinfonie verarbeitet."
Der Konzertsaal ist in dieser Form in Europa einzigartig.
Die Weitergabe der Flamme. Wenn es nicht gerade tatsächlich brennt, steht sie sinnbildlich für die Tradition. Eine Tradition, die im Bergson Kunstkraftwerk auf modernste Technik trifft. Das eröffnet neue klangliche Dimensionen, findet Programmdirektor Maximilian Maier: "Wir sagen, es ist der klügste Konzertsaal Europas, weil er eben diese Wandlungsfähigkeit hat. In dieser Form laut den Akustikern in Europa einzigartig."
"Von der Weitergabe der Flamme"
Eine musikalische Auseinandersetzung mit Anton Bruckners 7. Symphonie zu seinem 200. Geburtstag
Freitag, 1. November 2024 um 20 Uhr
im Bergson Kunstkraftwerk, Elektra Tonquartier
Ensemblekollektiv concetto:x
Leitung: Johannes X. Schachtner
Sendung: "Leporello" am 31. Oktober 2024 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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