Geld macht seelisch arm, so die bittere Einsicht des Titelhelden Alexej in Sergei Prokofjews Oper "Der Spieler". Axel Ranisch inszeniert in Stuttgart mit Bravour eine Karikatur des hemmungslosen Materialismus – mitten in der Ödnis der Wüste.
Bildquelle: Staatsoper Stuttgart
Am Ende regnet es Geld, und zwar in Sturzbächen. Scheine über Scheine, das Casino ist ruiniert und Alexej scheint am Ziel all seiner Sehnsüchte. Aber so einfach machte es sich Fjodor Dostojewski, bekanntlich selbst leidenschaftlicher Spieler und der wohl größte Moralist der russischen Literatur, in seinem berühmten Roman "Der Spieler" natürlich nicht. Je mehr du gewinnst, desto mehr verlierst du, so seine Botschaft: Je reicher, desto ärmer, denn wahre Liebe lässt sich nicht kaufen, ja eigentlich überhaupt nichts, was im Leben wirklich wichtig ist. Die Deutschen kennen das von Goethes "Faust", die Russen von Puschkins "Pique Dame" und eben von Dostojewski.
Ein Thema, das den erst 25-jährigen Sergei Prokofjew natürlich in den Bann schlug. Denn junge Leute rechnen gern ab mit der verdorbenen Welt und sind für Moral leicht entflammbar. Das gilt zumal für die Zeit des Ersten Weltkriegs, als die Oper komponiert wurde. Regisseur Axel Ranisch inszenierte den "Spieler" am Staatstheater Stuttgart mit Bravour als Karikatur. Der russische Hochadel, der im fiktiven Roulettenburg zusammenströmt, besteht samt und sonders aus lächerlichen Figuren in Reizwäsche und Flitter. Das Einzige, was sie verbindet, ist ihre Gier nach dem großen Gewinn. Nebenbei machen sie sich über die Deutschen lustig, die doch immer auf Nummer sicher gehen. Russen lieben demnach das Risiko, auch, wenn sie dabei draufgehen. Eine Anspielung, wie sie aktueller nicht sein könnte.
Bühnenbildnerin Saskia Wunsch hatte sich offenbar von Las Vegas inspirieren lassen: Ihr Roulette-Tisch steht mitten in einer trostlosen Wüstenlandschaft, ein Gleichnis auf den desolaten Zustand der hier vorgeführten Gesellschaft. Geld zersetzt sie, höhlt sie aus und gerade der Reichtum ist der totale Ruin. Ein fiebriger Höllentanz, den Axel Ranisch in seiner ganzen Absurdität losbrechen lässt: Lemuren in goldenen Leggings heizen die Stimmung an.
Der australische Dirigent Nicholas Carter, ab Sommer nächsten Jahres neuer Generalmusikdirektor in Stuttgart, begleitet das geradezu funkenstiebend und feuerspeiend, jedenfalls mit einer Energie, wie sie dem jungen Prokofjew angemessen ist. Da darf es auch surreal und kontrastreich sein, wie bei einer Stummfilmbegleitung. Sympathisch sei ihm keine der dargestellten Personen, so Nicholas Carter im Programmheft, und vielleicht ist gerade diese innere Distanz das beste Mittel, dem Furor freien Lauf zu lassen, niemanden zu verschonen vor satirischer Schärfe. Hoffentlich bewahrt sich der augenscheinlich gut gelaunte Carter seine Emotionalität auch für Werke, die weniger drastisch und grell sind als der "Spieler".
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Der amerikanische Tenor Daniel Brenna warf sich in der Titelrolle des Spielers mit Verve in dieses zutiefst russische Charakterporträt. Er drückte fast ein bisschen zu viel aufs Gaspedal, so dass die Melancholie gegenüber dem Fanatismus etwas auf der Strecke blieb. Die viel gefragte litauische Sopranistin Aušrinė Stundytė war als frustrierte Polina von anrührender Intensität, gerade weil sie in der zerstörerischen Casinohölle so vermeintlich kühl und unbewegt, so verloren wirkte. Aber auch alle anderen Mitwirkenden, darunter Elmar Gilbertsson als intriganter, heruntergekommener Marquis, begeisterten das Publikum. Moral wird im pietistischen Stuttgart offenbar geschätzt. Im barocken München wird das Leben ja gern etwas anders gewichtet - auch ohne Spielbank.
Sendung: "Allegro" am 3. Februar ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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