Bodenständig und ohne Kitsch: Beim Gastspiel des Danish National Symphony Orchestra in der Münchner Isarphilharmonie brilliert Pianistin Khatia Buniatishvili mit einer nuanciert gestalteten Interpretation von Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 2.
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Das Klavierkonzert Nr. 2 von Sergej Rachmaninow weckt die unterschiedlichsten Assoziationen. Songwriter wie Billy Joel oder Eric Carmen haben sich davon zu schmusigen Pop-Balladen inspirieren lassen. Und auch zahlreiche ikonische Filme greifen auf die populäre Komposition zurück. Das prominenteste Beispiel ist wahrscheinlich Billy Wilders Komödie "Das verflixte 7. Jahr", wo der tollpatschige Nachbar versucht Marilyn Monroe zu den glutvoll dunklen Klängen des Opus 18. zu verführen. Ganz einfach, weil "der gute alte Rachmaninow eben nie seine Wirkung verfehlt".
Genau dies bewies in der Isarphilharmonie nun auch wieder Pianistin Khatia Buniatishvili, die sich dem oft gehörten Klassiker auf eine sehr individuelle Art näherte. Es ist wahrlich faszinierend, was sie ihrem Instrument an Farben entlockt, ohne dabei in die üblichen Klischee-Fallen zu tappen. Ihr Rachmaninow hat nichts süßlich Verkitschtes an sich, sondern scheint meist aus dem Moment heraus zu entstehen. Eine wohltuend geerdete Interpretation, in der man immer die versierte Kammermusikerin bemerkt, die ins Orchester hineinhört und die dort angebotenen Impulse aufnimmt. Ebenso lernt man hier aber auch eine Künstlerin kennen, die klar vorgibt, in welche Richtung es gehen soll.
Wenn es Dirigent Fabio Luisi im Danish National Symphony Orchestra leidenschaftlich beben lässt, hält Buniatishvili nicht einfach nur allein mit bloßer Muskelkraft dagegen. Und an mehr als einer Stelle scheinen da von ihr als Kontrast sogar ganz bewusst extra leise Töne angeschlagen zu werden, mit denen sie das Publikum nicht zu sich zwingt, sondern mit filigran ausgesponnenen Melodielinien zu sich lockt. In dieser Hinsicht lädt sie vor allem das gefühlvoll ausgestaltete Adagio zum Träumen und Schwelgen ein. Nur um im virtuosen Finale dann umso beherzter zuzupacken und die Finger geradezu über die Tasten fliegen zu lassen.
Fabio Luisi dirigiert das Danish National Symphony Orchestra | Bildquelle: DR Koncerthuset Reich an Kontrasten präsentierte sich nach der Pause ebenfalls Gustav Mahlers erste Symphonie, der Fabio Luisi bereits im Kopfsatz archaische Größe verleiht, gleichzeitig aber eine Brücke zum Anfang des Abends schlägt. Vorgestellt hatten sich die Gäste aus Kopenhagen nämlich zunächst mit einem Werk des Komponisten Bent Sørensen. Das 2017 uraufgeführtes Orchesterstück "Evening Land" beschwört subtil instrumentiert die Landschaften seiner dänischen Heimat herauf. Eingeleitet von der einsamen Solovioline schichtet sich hier Ebene um Ebene übereinander, ehe das kompakt gehaltene Werk nach wiederholtem Aufbäumen allmählich wieder in der Stille verebbt.
Und ähnlich behutsam entwickelt der italienische Dirigent den Einstieg in Mahlers "Titan". Die Inspirationen aus den "Liedern eines fahrenden Gesellen" bahnen sich da fast schon unschuldig ihren Weg, ehe es mit den Ländler-Rhythmen des zweiten Satzes ruhig auch mal etwas derber werden kann. Das Luisi lange Phasen seiner Karriere in Österreich verbrachte und vor allem das Wiener Lebensgefühl verinnerlicht hat, ist vor allem dem dritten Satz anzuhören, der hier zum Dreh- und Angelpunkt seiner Interpretation wird.
Mystisches und Ironisches treffen hier ungebremst aufeinander, wenn der packende Trauermarsch von Klezmer-Anklängen durchbrochen wird und der lyrische Mittelteil als Gegengewicht eine ins Spirituelle tendierende Sogwirkung entfaltet. Kein Halten mehr gibt es dagegen im Finale, das zielstrebig seiner strahlenden Apotheose entgegensteuert und das Publikum in der Isarphilharmonie für einen kurzen Moment atemlos zurücklässt, ehe sich die Spannung endlich mit jubelndem Applaus löst.
Sendung: "Allegro" am 22. Januar 2025 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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