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Kritik – "La Cage aux Folles" in München Rücksturz in die Käse-Igel-Ära

Das Gärtnerplatztheater eröffnet einmal mehr den populären Drag Queen-Club, der seit 50 Jahren in Schauspiel, Kino und am Broadway Furore macht. Ein ausgelassenes und viel beklatschtes Fest für die queere Community, das allerdings vergleichsweise museal und bieder wirkte. Aktuelle Anspielungen fehlten, Intendant Josef Köpplinger ging auf Nummer sicher.

Szene aus "La Cage aux Folles" (Gärtnerplatztheater München, Premiere 28.02.2025) | Bildquelle: Markus Tordik

Bildquelle: Markus Tordik

Als der phänomenale Schauspieler und Erfolgsautor Harvey Fierstein aus dem französischen Boulevardtheaterstück "Ein Käfig voller Narren" (Uraufführung 1973 in Paris) ein Broadway-Musical machen sollte, überlegte er kurzzeitig, die Handlung nach New Orleans zu verlegen. Doch er besann sich recht schnell: Damals, 1982, war offen gelebte Homosexualität selbst in New York nämlich noch ein politisch höchst umstrittenes Thema, deshalb blieb der Schauplatz das südfranzösische Saint-Tropez: "Das machte die Geschichte exotisch und wir gingen somit auf Nummer sicher. Wer scherte sich schon darum, wer es in Frankreich mit wem trieb, solange es Spaß machte?" schrieb Fierstein wörtlich in seinen Lebenserinnerungen.

Es ist noch viel zu tun

Insofern wundert es nicht, dass der Intendant des Münchner Gärtnerplatztheaters, Josef Köpplinger, seine Inszenierung des Musicals ebenfalls im Frankreich der 70er-Jahre beließ und es nicht aktualisierte. Schließlich sei auch die Rechtslage eine andere, so Köpplinger gegenüber dem BR: "Wir haben überlegt, ob wir es in der heutigen Zeit spielen lassen, aber ich habe dann gesagt nein, es ist noch mal ein Unterschied, ob Homosexualität gesetzlich verboten ist wie in den 70er-Jahren. Ich wollte da die Historie nicht ankratzen, damals war es gesetzlich verboten. Es hat sich natürlich was geändert, die queere Community und die für sie eintretenden Menschen haben sehr dafür gekämpft, dass das 'nichtnormale' Leben tolerierbarer, öffentlicher geworden ist, aber trotzdem ist noch viel zu tun."

Schwelgen in Nostalgie

Szene aus "La Cage aux Folles" (Gärtnerplatztheater München, Premiere 28.02.2025) | Bildquelle: Markus Tordik Bildquelle: Markus Tordik Allerdings, denn Homosexualität ist heutzutage weder in Moskau, noch in Budapest politisch erwünscht und wie es Drag Queens dort ergehen würde, diesem titelgebenden "Käfig voller Narren", sei dahingestellt. Schade, dass das nicht thematisiert wurde. Stattdessen nahm Köpplinger das Publikum gleich zu Beginn mit auf einen Rücksturz in die Käse-Igel-Ära: Im Schnelldurchlauf wurden auf der Leinwand die Jahre von heute bis 1973 zurückgezählt und einige Wegmarken der queeren Emanzipationsbewegung abgeschritten. Bühnenbildner Rainer Sinell und Kostümdesigner Alfred Mayerhofer schwelgten dazu in Nostalgie, ohne es freilich mit den Schlaghosen zu übertreiben. Das machte den Abend leider deutlich musealer und biederer, als er hätte sein müssen.

Harmlos und vorhersehbar

Schließlich gibt es auch heute rechtskonservative Politiker, die eine vermeintlich allgemeingültige Moral vor sich hertragen. So blieb der knapp dreistündige Abend ziemlich harmlos und vorhersehbar. Gelacht wurde natürlich trotzdem, am Ende gab es stehende Ovationen, aber welche gesellschaftliche Sprengkraft dieses Boulevardstück im Jahr 1973 hatte, das war kaum noch nachzuempfinden. Armin Kahl hatte vor einiger Zeit am Gärtnerplatztheater als "Tootsie" nach dem gleichnamigen Hollywood-Film in jeder Hinsicht geglänzt, diesmal fehlten ihm der überbordende Narzissmus und das XXL-Ego für die Hauptrolle des Albin. Dafür ist er eigentlich zu bodenständig, zu nahbar, zu unkompliziert, kurz und gut: Er ist keine Diva.

Möglichst niemandem weh tun

Szene aus "La Cage aux Folles" (Gärtnerplatztheater München, Premiere 28.02.2025) | Bildquelle: Markus Tordik Daniel Prohaska | Bildquelle: Markus Tordik Daniel Prohaska als sein Lebensgefährte Georges war ebenfalls eine Spur zu brav für einen geschäftstüchtigen Nachtclubbesitzer an der Riviera. Ähnliches ließe sich über die meisten anderen Mitwirkenden sagen: Sie tanzten und sangen munter und temporeich, aber gänzlich ohne jede Provokation. Warum ein rechter Politiker etwas gegen sie haben sollte, erschloss sich nicht wirklich. Diese Art mehrheitsfähige Unterhaltung ist am Gärtnerplatztheater zum prägenden Stil des Hauses geworden und sorgt für eine Rekordauslastung. Josef Köpplinger will möglichst niemandem weh tun, schon gar nicht den Musical-Fans. Das verbindet ihn, wie eingangs erwähnt, mit dem Autor der Uraufführung, Harvey Fierstein. Aber das war erstens eine kommerzielle Produktion und es liegt mehr als 40 Jahre zurück. Insofern wäre mehr Mut zu wünschen gewesen, übrigens auch von Dirigent Jeff Frohner, der die bekannten Hits ausgesprochen konventionell und sinfonisch interpretierte und weder beim Tempo, noch beim Sound eigene, unerwartete (zum Beispiel rockige oder jazzige) Akzente setzte.

"La Cage aux Folles" am Gärtnerplatztheater München

Mehr Informationen zu den Folgevorstellungen und der Inszenierung finden Sie hier.

Sendung: "Piazza" am 1. März 2025 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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