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Kritik "Così fan tutte" in Augsburg Mit Akku fällt die Liebe leichter

Mozarts populären Treue-Test verlegt Regisseurin Nora Bussenius in ein Laboratorium, in dem der Mensch als solcher auf den Beziehungs-Prüfstand kommt. Ob Roboter die zuverlässigeren Liebhaber sind, bleibt eine offene Frage – unausweichlich scheinen sie auf jeden Fall. Ein gewöhnungsbedürftiger Ausflug in den Maschinenpark.

Szene aus "Così fan tutte" am Staatstheater Augsburg (März 2025) | Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr

Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr

Unter Laborbedingungen sind Liebesexperimente ja in der Regel nicht halb so aufregend wie im Leben, aber dafür sind die Ergebnisse womöglich zuverlässiger. Vielleicht verlegte die Regisseurin Nora Bussenius ihre Inszenierung von Mozarts "Così fan tutte" am Staatstheater Augsburg deshalb in eine hochsterile Versuchsanstalt, wo der unheimliche Neurologe Don Alfonso sein Unwesen treibt. Gleich zu Beginn legt er einen Plastikmantel an, offenbar ist Keimfreiheit hier besonders wichtig. Roboterfrau Despina ist derweil unermüdlich mit allerlei nützlichen Hygiene-Artikeln zur Hand: Sie erinnert an die berühmt-berüchtigte Mensch-Maschine aus Fritz Langs "Metropolis".

Regiearbeit künftig durch KI?

Szene aus "Così fan tutte" am Staatstheater Augsburg (März 2025) | Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr Getestet werden soll in dieser hochsterilen Umgebung natürlich die Treue, wie es bei Mozart vorgesehen ist, aber ob die Versuchspersonen, die unter Stress gesetzt werden, überhaupt Herz und Hirn haben oder selbst auch nur Roboter sind, ist zunächst fraglich: Sie hängen jedenfalls an Kabeln und werden anscheinend aufgeladen wie Akkus. Es hat seinen Charme, dass Nora Bussenius und ihre Ausstatterin Christin Vahl Mozarts ganz und gar unvollkommene, wankelmütige Liebespaare quasi labortechnisch durchchecken, versuchen, der Treue und der Leidenschaft mit den Mitteln der Computertechnik auf die Schliche zu kommen. Vielleicht ist das schon der erste Schritt zu Regiearbeiten der Künstlichen Intelligenz, die dann womöglich alle dramatischen Konflikte mit Starkstrom oder einem Software-Update löst.

Eintönige Sichtweise

Oft wird ja kritisiert, dass Mozarts Frauenbild antiquiert sei, ebenso wie seine bizarre "Schule der Liebenden", insofern schien es plausibel, unter Umfahrung unserer Gegenwart vom Rokoko gleich in die nähere Zukunft zu kurven, um die Geschichte so irritierend und abstrus erscheinen zu lassen, wie sie ist. Doch leider erwies sich das Regie-Konzept dann doch als ziemlich eintönig: Als ob der Blick auf die sterile Labor-Kulisse nicht schon trostlos genug war, wurde gelegentlich auch noch "Weißes Rauschen" hineinprojiziert. Das war nur lichtmäßig erhellend.

Mozart als Science-Fiction – funktioniert das?

Szene aus "Così fan tutte" am Staatstheater Augsburg (März 2025) | Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr Bemerkenswert schauerlich auch die pastellfarbenen Rüschen-Kostüme und die Anspielung auf den Perücken-Fanatismus der Mozart-Zeit. Warum auch immer: Guglielmo und Ferrando, die beiden Machos, mussten mit meterlangen zotteligen Haaren als Schulterzierde herumlaufen, vielleicht eine Männer-Satire und ironische Anspielung auf ihren gestörten Hormonhaushalt. Schade, dass das alles mäßig unterhaltsam war, wie von einem Laborexperiment eigentlich nicht anders zu erwarten. Ob Roboter träumen oder schwanger werden können, ob sie die besseren Liebhaber sind als Menschen, das mögen ja alles interessante Fragen sein, aber Science-Fiction funktioniert mit György Ligeti irgendwie besser als mit Mozart.

Wunderbares Sängerensemble überzeugt

Szene aus "Così fan tutte" am Staatstheater Augsburg (März 2025) | Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr Die Solisten freilich waren durchweg wunderbar mit ihren völlig unangestrengten, weichen und fabelhaft wandlungsfähigen Stimmen, darunter die einmal mehr herausragende Jihyun Cecilia Lee als Fiordiligi, Natalya Boeva als Dorabella, der neapolitanische Tenor Claudio Zazzaro als Ferrando und der holländische Bariton Wiard Witholt als Guglielmo, der sogar eine anspruchsvollere Alternativ-Arie beisteuerte. Dirigent Domonkos Héja schien vom Laboratorium auf der Bühne etwas eingeschüchtert: Er traute sich nicht so recht, Mozart ausgelassen und funkensprühend zu präsentieren, die Tempi blieben für den Rokoko-Sound durchweg eher vorsichtig, das Klangbild zwar nicht steril, aber doch streckenweise kühl. Insgesamt ein gewöhnungsbedürftiger Ausflug in den Maschinenpark.

Sendung: "Allegro" am 24. März 2025 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Sonntag, 23.März, 13:49 Uhr

Anonymus

Wunderbares Sängerensemble?
Es gab doch eklatante Unterschiede!
Fiordiligi mit perfekter Mozartstimme und stilistisch hervorragend. Sehr gut auch Don Alfonso. Gut, aber manchmal an seine Grenzen stoßend der Guglielmo, Dorabella gut, aber stilistisch nicht sauber. Despina mit kleinem Stimmchen und nervigen Vibrato. Vollkommen überfordert mit der Partie und oft kiecksend, Ferrando. Alle zu loben ist ein Ohrfeige für die Guten!

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