BR-KLASSIK

Inhalt

Kritik – Wiener Philharmoniker in Salzburg Riccardo Muti dirigiert Bruckners Achte

Gerade ist Riccardo Muti 83 Jahre alt geworden – und lässt sich immer noch auf neue Herausforderungen ein. Jetzt hat er bei den Salzburger Festspielen im Zyklus der Wiener Philharmoniker zum ersten Mal in seinem Leben die monumentale Achte Symphonie von Anton Bruckner dirigiert.

Riccardo Muti und die Wiener Philharmoniker (Salzburger Festspiele 2024) | Bildquelle: SF/Marco Borrelli

Bildquelle: SF/Marco Borrelli

Die Wiener Philharmoniker sind schon ein ganz besonderes Orchester – mit ihrem unnachahmlich warmen Streicherklang, ihrem charakteristischen Wiener Holz und ihrem prachtvoll abgerundeten Blech. All diese Qualitäten konnten sie bei Riccardo Mutis traditioneller Feiertags-Matinée in Salzburg voll ausspielen. Muti und die Wiener – das ist eine eingeschworene Gemeinschaft, man musiziert nun seit 54 Jahren zusammen. Und das hörte man dieser Achten Symphonie von Anton Bruckner in jedem Takt an.

Das Konzert zum Anhören

BR.KLASSIK hat das Konzert live übertragen. Hier können Sie den kompletten Mitschnitt anhören (online bis 16.09.2024).

Die Achte ist ein Monster, das sich zu Beginn lauernd in Stellung bringt, bevor es nach gesanglichen Aufschwüngen in dissonante Schmerzensschreie ausbricht. Muti dirigiert das alles enorm ausdrucksvoll, bevor er mit imperialer Geste die Pranke des Löwen ausfährt. Wie Christian Thielemann bei seinem Bruckner-Zyklus mit den Wiener Philharmonikern hatte auch Muti die Mischfassung von Robert Haas gewählt, eine Art Best-of aus Bruckners Ur- und seiner revidierten Fassung. So konnte Muti am Ende des Kopfsatzes den nachkomponierten Zerfall in klangliche Ödnis erschütternd ausmusizieren.

Riccardo Mutis eigenwillige Tempogestaltung

Innovativ hat Bruckner das Scherzo in seiner Achten an die zweite Stelle gesetzt. Gar nicht so maschinenhaft stampfend wie in anderen Bruckner-Symphonien kommt es daher, sondern burschikos pendelnd – bei Mutis langsamen Tempi allerdings eher gemächlich schlendernd. In seiner formalen Verdichtung unterschiedlichster Ausdrucksgesten wirkt das für die zweite Fassung neu komponierte Trio tatsächlich progressiv. Ein schönen Kontrast setzen die hingetupften Harfen-Akzente.

Konzert auf BR-KLASSIK

BR-KLASSIK übertrug das Konzert mit Riccardo Muti und den Wiener Philharmonikern am 15. August live im Radio. Hier können Sie das Konzert noch ein paar Tage nachhören.

Bruckner "für spätere Zeiten"

Riccardo Muti und die Wiener Philharmoniker (Salzburger Festspiele 2024) | Bildquelle: SF/Marco Borrelli Bildquelle: SF/Marco Borrelli Dankenswerterweise hat Robert Haas den Finalsatz, den Bruckner nach vernichtender Kritik in seiner revidierten Version auf Normalmaß zurechtgestutzt hat, ungekürzt in seine "Idealfassung" übernommen. Bruckners Urversion war, wie er selber zugab, eben "für spätere Zeiten" gedacht. Heute sind wir soweit, dieses kühn aufragende Finale als Zukunftsmusik zu bewundern. Leider nimmt Muti die Satzbezeichnung "Feierlich, nicht schnell" allzu wörtlich – das zu Beginn losbrechende wilde Heer kommt bei ihm nicht in die Gänge. Überhaupt ist seine Tempogestaltung recht eigenwillig – manchmal zieht er es ruckartig an, dann verbreitert er es wieder effektvoll.

Großes Besteck zur finalen Apotheose

Bei der finalen Apotheose packt Muti dann das ganz große Besteck aus – da dröhnt einem, zumindest aus Reihe 9 im Großen Festspielhaus, das Pathos lautstark um die Ohren. Zumal am Ende bei den Wiener Philharmonikern auch die Konzentration ein wenig nachlässt – kein Wunder bei den ungeheuren Dimensionen dieser Symphonie. Mutis leidenschaftliches Temperament begeistert nach wie vor, seine breiten Tempi mögen Ausdruck eines Altersstils sein. Das erinnerte an den späten Celibidache, nur entfaltete dessen Langsamkeit bei Bruckner eine ganz eigene Magie.

Bruckner als Gebet

So dass das sage und schreibe halbstündige Adagio den stärksten und nachhaltigsten Eindruck dieser Aufführung hinterließ. Grandios durchschreiten Muti und die Wiener Philharmoniker die weitgespannten Seelenlandschaften in diesem Satz, intensiv kosten sie Bruckners schmerzliche Streichergesänge aus. "Meine Achte ist ein Mysterium", wusste schon Bruckner selbst. Wenn dann klanglich alle Schleusen brechen und mit einem Beckenschlag der Himmel aufreißt, ist das ein Gänsehaut-Moment. "It’s a prayer", meinte mein Sitznachbar über dieses Adagio. Ja, das ist es.

Sendung: "Allegro" am 16. August 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

Bitte geben Sie höchstens 1000 Zeichen ein. (noch Zeichen)
Bitte beachten Sie, dass Ihr Kommentar vor der Veröffentlichung erst noch redaktionell geprüft wird. Hinweise zum Kommentieren finden Sie in den Kommentar-Richtlinien.

Spamschutz*

Bitte geben Sie das Ergebnis der folgenden Aufgabe als Zahl ein:

Fünf plus vier ergibt?

Freitag, 16.August, 13:32 Uhr

PUBBLICO IN RITARDO

Dabei sein ist alles!

BR-KLASSIK hat live übertragen,
doch nicht jeder kann sich "mitten am Vormittag" diesen Genuss gönnen ...

Wer das Konzert verpasst hat, dem sei die Aufzeichnung auf BR-Klassik empfohlen, die bis zum 7.Tag nach der Übertragung abrufbar ist:

br.de/radio/live/br-klassik/programm/2024-08-15/3564624/

Dabei sein ist alles -
Dank an den BR für diese fantastische Möglichkeit !!!

Mehr zum Thema

Neu bei BR-KLASSIK

    AV-Player