Wie verbirgt man die Tiefe unter der Oberfläche? Das fragte sich der Dichter Hugo von Hofmannsthal, als er mitten in den politischen Wirren der Zwanziger Jahre das Libretto für die Komödie Arabella schrieb. Wir fragen heute: Wie bringt man eine Oper auf die Bühne, die im kaiserlichen Wien des späten 19. Jahrhunderts spielt und auf den ersten Blick so gar nicht mehr in unsere Lebenswirklichkeit passt?
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Ein verarmter, spielsüchtiger Graf will seine schöne ältere Tochter Arabella vor allem reich verheiraten, während die jüngere, Zdenka, Arabellas Bruder spielen muss, denn zwei standesgemäß aufwändige Garderoben können die Eltern sich nicht mehr leisten. Zdenka liebt Matteo, den Verehrer von Arabella, was der nicht ahnt. Arabella liebt Mandryka, den fremden reichen Landherrn aus Kroatien. Die androgyne Zdenka lockt Matteo ins Bett, in dem sie vorgibt, Arabella zu sein, viele Eifersüchteleien folgen und zum Schluss finden sich die Paare. Ein Schmarrn, in Teilen unlogisch und hoffnungslos veraltet?
Mit schmalem Schnauzbart und Pagenfrisur wird Zdenka zum Zentrum eines Vexierspiels der Geschlechteridentitäten. | Bildquelle: Thomas Aurin Nicht, wenn Tobias Kratzer Regie führt. Der künftige Intendant der Staatsoper Hamburg, dessen Tannhäuser das Publikum in Bayreuth zu Jubelstürmen hinriss, setzt mit einem Vexierspiel der Geschlechteridentitäten einen topaktuellen Akzent. Wer fühlt sich weiblich, männlich, beides? Zdenka mit schmalem Schnauzbart und Pagenfrisur irrlichtert in den Räumen verschiedener Begierden. Die Handlung spielt auf einem Zeitstrahl zwischen dem opulent ausgestatteten Wien der k.u.k. Zeit über die 20er Jahre und die Nazizeit bis ins Heute. Im ersten Akt begleitet von einer Webcam, die wie im Splitscreen neben dem Geschehen Großaufnahmen in Schwarzweiß zeigt und im dritten Akt Videos erotischer nonbinärer Fantasien und Möglichkeiten.
Diese Straussoper, immer im Schatten des beliebteren Rosenkavaliers, strahlt in Kratzers Inszenierung eine eigene geheimnisvolle Sexyness aus. Das gelingt vor allem, weil die zurecht umjubelte russische Sopranistin Elena Tsallagova dieses Changieren zwischen den Geschlechtern hinreißend spielt und bezaubernd, strahlend und kraftvoll singt. Sara Jakubiak hatte als dritte Arabella – die beiden ersten waren erkrankt – eine Woche Zeit für die Proben, ihre Arabella klingt geheimnisvoll und auch in den Höhen nicht spitz, sondern warm im Ton und schön. Die Männer hatten es schwerer, Russell Braun als Mandryka war etwas indisponiert, Robert Watson als Matteo konnte seinen Tenor glänzen lassen, wenngleich nicht mit größter Kraft.
Strauss' Elektra lebt in der Frankfurter Regie von Claus Guth in ihrer eigenen Welt und erweist sich als therapieresistent – wie ihre ganze Familie. Eine Kritik von Peter Jungblut. Hier lang!
Die im Berliner Publikum leider üblichen Buhrufe trafen unverständlicherweise den alle Kantilenen bis in die kleinsten Facetten ausdifferenzierenden Dirigenten Donald Runnicles, das im satten Strausssound leuchtende Orchester und ganz besonders die schlüssige und kluge Regie.
Wenn eine Arabella mit der leicht altbackenen Handlung heute überhaupt noch möglich ist, dann ist es diese hier an der Deutschen Oper Berlin.
Kommentare (4)
Montag, 20.März, 14:29 Uhr
Ulrich Harbott
Arabella
Sie irren sich. Runnicles wurde von mir zurecht ausgebuht. Er hat alle Kantilenen zugekleistert und die Sänger kamen auch kaum durch. Ich sehnte mich zurück zu Sinopoli Ende der 80er. Auch was die Besetzung betraf mit Popp, Weikl, Julie Kaufmann und Seiffert. Bereits die 3 Auftrittsapplaus fielen bereits recht mau aus. Ich zähle die Wochen, bis Sir D. weg ist. In der Versenkung verschwunden.
Sonntag, 19.März, 12:47 Uhr
Begeisterter Zuschauer
Grandios
Eine sehr adäquate Kritik zu einer großartigen Aufführung, die zeigt, was Oper im 21. Jahrhundert kann. Besonders die Figurenentwicklungen sind beeindruckend präzise, textnah und wunderschön umgesetzt.
Daher wundert es auch nicht, dass die Regie neben den Buhs (teils auch schon in der Schlussszene aufgrund der Trans*-Flagge; wie kann man nur so hasserfüllt sein?) auch mit lauten Bravo-Rufen gewürdigt wurde. Denn das Berliner Opernpublikum weiß mutige Ideen, die so grandios auf die Bühne gebracht werden eben doch zu belohnen.
Sonntag, 19.März, 12:11 Uhr
Ragnar Danneskjoeld
Die Journalistin O....
...betreibt eben Hofberichterstattung. Die eine staatliche Organisation bauchpinselt die anderen und Gnade Gott, man bejubelt des Kaisers neue Kleider nicht.
Sonntag, 19.März, 10:55 Uhr
Zdenko
Arabella Kritik
Und schon wieder so eine Rezension
von Frau O, wo sie sich über die Publikumsreaktionen beschwert. Wie lange darf diese Frau hier noch ihr unqualifizierte Meinung kundtun. Wieso schreibt sie nicht über die entsetzlichen Probleme mit der Textverständlickeit? Das Regiekonzept, dass in seiner modeblissenheit eben nicht aufgeht? Diese beständige Schönschreiberei durch Frau O von allem und jedem ist hochgradig peinlich.