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Christian Thielemanns Antrittskonzert in Berlin In Höchstform und mit einer Portion Kitsch

Christian Thielemann ist zurück in Berlin und gab am Montagabend seinen gelungenen Einstand als Generalmusikdirektor an der Staatsoper Unter den Linden. Solist war Igor Levit. Und gefeiert wurde auch Thielemanns Vorgänger Daniel Barenboim.

Christian Thielemann bei einem Pressetermin zur Spielzeit 2024/25 auf der Bühne der Staatsoper unter den Linden | Bildquelle: picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka

Bildquelle: picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka

Gefeiert wurde an diesem Abend nicht nur Christian Thielemann, sondern vor allem auch sein Vorgänger. Nach dem Ende des Konzerts trat Berlins Kultursenator Joe Chialo auf die Bühne, und dann gab es gleich zwei Auszeichnungen – für Daniel Barenboim, der über dreißig Jahre lang Generalmusikdirektor der Staatsoper war.

Von der Staatsoper wurde Barenboim zum Ehrenmitglied ernannt, und von der Staatskapelle zu ihrem Ehrenchefdirigenten. Daniel Barenboim, sichtlich gesundheitlich nach wie vor schwer angeschlagen, zeigte sich extrem gerührt und fasste das in dem Satz zusammen: "Heute werde ich sehr gut schlafen."

Christian Thielemann: GMD in Rekordzeit

Die Berufung von Christian Thielemann als Generalmusikdirektor der Staatsoper hat eine eigene Geschichte. Zum einen ist es gewissermaßen eine Rückkehr nach Berlin. Thielemann, in dieser Stadt geboren, war einige Jahre GMD an der Deutschen Oper Berlin. Dass er diese Position dann sehr viel später an der Staatsoper übernehmen würde, war so zunächst nicht abzusehen.

Alles begann mit seinem kurzfristigen Einspringen für den verunfallten Herbert Blomstedt, dann hatte er für den erkrankten Daniel Barenboim die neue "Ring"-Produktion übernommen. Alles das ist gerade einmal zwei Jahre her. Und nach einer, ebenfalls von Barenboim übernommenen Tournee war längst klar: Die Staatskapelle und der Dirigent passen hervorragend zusammen. Und dann ging alles ganz schnell.

Einstand mit Kitsch

Was Christian Thielemann geritten hat, ausgerechnet Samy Moussas "Elysium" an den Beginn seines Einstandskonzertes zu setzen, kann man nur kopfschüttelnd fragen. Sicher, das hat er vor drei Jahren mit den Wiener Philharmonikern uraufgeführt, aber dieses klangsatte Überwältigungs-Panorama mit sich ineinander schraubenden Dur- und Molldreiklängen klingt wie durcheinandergequirlter Bruckner plus John Williams.

Das könnte als Untermalungsmusik für Unterwasser-Meeres-Dokus oder intergalaktische Phantasy-Filme gerade noch so hingehen, aber nach diesem triefenden Kitsch hat man nur einen Wunsch: Christian Thielemann möge uns zukünftig derartig peinliche Banalitäten ersparen.

Igor Levit enttäuscht – und berührt

Christian Thielemann und Igor Levit | Bildquelle: Peter Rigaud Bildquelle: Peter Rigaud Als Solist hat sich Christian Thielemann den Pianisten Igor Levit eingeladen. Beide sind seit einigen Jahren gut befreundet, und in Felix Mendelssohn Bartholdys zweiten Klavierkonzert konnte man ansatzweise im langsamen Satz erahnen, wie ähnlich beide musikalisch denken. Das war streckenweise eine fein abgelauschte Oase des Friedens. Die Ecksätze jedoch rauschten durch, die Tempi teilweise extrem überzogen, es schien zu wenig geprobt zu sein. Klavier und Orchester waren oft ziemlich auseinander.

Erst in der Zugabe fand Igor Levit ganz zu seinen Qualitäten. Es war der 7. Oktober, und der Pianist sagte, an diesem finsteren Tag solle die Musik für sich sprechen. Und das tat sie auch. Maurice Ravels "Kaddisch" hatte er ausgewählt, im Original ein Lied, hier ganz vom Klavier übernommen. Und alles war da, was man vorher vermisst hatte – musikalische Intensität und ein traumhafter Anschlag, das war sehr bewegend.

Thielemann in Hochform

Nach der Pause hat sich Christian Thielemann dann Arnold Schönbergs Sinfonische Dichtung "Pelleas und Melisande" vorgenommen. Klar, es ist der 150. Geburtstag des Komponisten in diesem Jahr, aber Thielemann kennt das Stück schon lange in- und auswendig – eine Partitur benötigt er nicht. Und so mussten es denn gar nicht Thielemanns Hausgötter Wagner, Strauss oder Bruckner sein. Der frühe Schönberg, noch ganz der Spätromantik verhaftet, hat das alles verinhaliert, nur noch deutlich extremer. Es klingt wie "Tristan", mit sich selbst multipliziert.

Wer da großes Überwältigungstheater erwartete, wurde positiv überrascht – zwar eine volle Bühne mit u. a. acht Hörnern und vier Harfen, aber Christian Thielemann brachte Struktur und Dramaturgie in diese Musik – eine Klarheit, wie wohl nur er sie in diesem Werk derzeit erreichen kann. Er führt wie ein Audioguide durch das Labyrinth. Und vor allem: Die Staatskapelle, jetzt ja seine Staatskapelle, frisst ihm aus der Hand. Selten hat man ein Orchester so glücklich erlebt – und selten so gut. Gerne mehr davon. Das war der offizielle Beginn einer wunderbaren Freundschaft.

Sendung: "Allegro" am 8. Oktober 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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