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Kritik – Lang Lang in München Feueralarm und Adrenalinschübe

Es ist immer ein Event, wenn Star-Pianist Lang Lang auftritt. Für einen zusätzlich Adrenalinstoß sorgte am Dienstagabend in der Münchner Isarphilharmonie allerdings ein Feueralarm. Das Konzert musste unterbrochen werden.

Pianist Lang Lang | Bildquelle: Olaf Heine

Bildquelle: Olaf Heine

Der Saal im Gasteig HP8 musste geräumt werden, was aber ebenso ruhig wie geordnet ablief. Die in Rekordzeit vorgefahrene Feuerwehr konnte unbehelligt nach der Ursache forschen, während einige enttäuschte Fans die Heimfahrt antraten. Als die Sirenen zu schrillen begannen, war Lang Lang aber immerhin bereits auf die Zielgerade seines Recitals eingebogen. Dadurch wurde das Publikum im offiziellen Programmteil zum Glück "nur" um die Schlusstakte der Polonaise in fis-Moll op. 44 gebracht.

Anm. der Redaktion: Wie die Münchner Feuerwehr auf Nachfrage mitteilte, wurde der Alarm durch eine Störung in der Brandmeldeanlage ausgelöst. Der Einsatz der Feuerwehr war nach acht Minuten beendet. Lang Lang konnte das Konzert nach der Unterbrechung zu Ende spielen. Er spielte die Polonaise von Chopin nochmal ganz und im Anschluss mehrere Zugaben.

Ein Händchen für Chopin

Gerade im zweiten Teil des Abends hatte Lang Lang wieder einmal sein Gespür für die Musik von Frédéric Chopin bewiesen, aus dessen Werkkatalog eine Auswahl von Mazurken erklang. Dramaturgisch klug zusammengestellt und mit einem großen emotionalen Bogen. Beginnend mit einer frühen Kompositionen aus der Sammlung op. 7 und als Ziel bereits hier das 13 Jahre später entstandene op. 59 im Hinterkopf. Mit viel Sinn für Kontraste zeichnete der Pianist mit einem bunten Reigen musikalischer Miniaturen den künstlerischen Reifungsprozess Chopins nach und gönnte sich auf dieser Reise reichlich Gelegenheit, um seine eigene Virtuosität unter Beweis zu stellen. Wobei vor allem die drei heiteren Episoden aus dem op. 33, die von Lang Lang mit spielerisch leichtem Anschlag dargeboten wurden, noch lange nachwirken.

Zwiespältiger Schumann

Der erste Teil des Abends hatte sich zuvor noch nicht ganz so rund präsentiert. So wirkte der Pianist bei der einleitenden Pavane von Gabriel Fauré noch etwas unkonzentriert und schien sich damit vor allem für die gewichtige "Kreisleriana" warmzuspielen – ein Zyklus, den Robert Schumann einst Chopin gewidmet hatte. Wodurch die Kombination auf dem Papier durchaus Sinn macht.

Schumanns "Kreisleriana" ist einer der wichtigsten und einflussreichsten Klavierwerke der Romantik, auf dem die Schatten zahlreicher großer Vorgänger ruhen. Legendäre Interpretinnen und Interpreten, von denen sich Lang Lang bewusst abzugrenzen versucht. Mit einer sehr individuell gefärbten Lesart, die wohl nicht nur Traditionalisten polarisieren dürfte. Die in Robert Schumanns Zyklus angelegten Kontraste werden bei ihm meist ins Extrem getrieben. So hetzt er mit forschen Tempi wie ein Besessener durch die schnellen Abschnitte, während die langsamen Gegenstücke so sehr zerdehnt werden, dass die Musik wiederholt ins Stocken gerät und oft kurz vor dem totalen Stillstand scheint. Diese scharfen Trennlinien machen zwar durchaus Effekt. Doch dort, wo man das große von E. T. A. Hoffmann inspirierte Künstlerdrama erwartet, vertraut Lang Lang eher auf die Schauwerte. Was beim Chopin eben deutlich besser funktioniert als bei Schumann, wo er an den neuralgischen Punkten an diesem Abend lediglich an der Oberfläche kratzt. Was umso mehr irritiert, weil gerade die auf Zug durchgespielten letzten beiden Sätze zeigen, was hätte sein können. Aber auch die Großen ihres Faches sind am Ende auch nur Menschen und je nach äußeren Umständen der Tagesform unterworfen.

Schumanns "Kreisleriana" – Interpretationen im Vergleich

Die wichtigsten Interpretationen von Robert Schumanns "Kreisleriana" hat BR-KLASSIK hier zusammengefasst.

Das nächste Münchner Gastspiel des Publikumslieblings Lang Lang dürfte zum Glück sowieso nicht allzu lange auf sich warten lassen. Dann aber hoffentlich unter ruhigeren Vorzeichen.

Sendung: "Allegro" am 19. Juni 2024 um 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (4)

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Dienstag, 25.Juni, 10:36 Uhr

Frank

Feueralarm auch bei Chilly Gonzales

Ist ja spannend: Als wir vor kurzem in der isarphilharmonie bei Chilly Gonzales waren, gab es da auch einen Feueralarm. Chilly hat das Konzert fortgesetzt, wird mussten allerdings 30min in der Kälte verbringen. Und das bei einem neuen Konzertsaal...

Donnerstag, 20.Juni, 19:51 Uhr

Tilo Scherf

Reaktion auf Antwort Lang Lang

Diese - offensichtlich offizielle Reaktion - lässt mich darüber nachdenken, die Frage einer Entschädigung für meine gekauften 6 Karten zu je über 160€ nachzudenken. Ein Anwalt könnte für viele Besucher nützlich sein.

Diesen Alarm und Fehler in der Anlage gab es laut Google schon mehrfach.
Dann kann man ja auch auf den Gedanken kommen folgende Zusatzdurchsage zu machen:
„Bitte verlassen Sie die Halle und warten auf dem Vorplatz. Für den Fall, dass es sich wieder um einen Fehlalarm handelt, werden wir Sie innerhalb einer Viertelstunde informieren.“

Donnerstag, 20.Juni, 11:41 Uhr

Tilo Scherf

Lang Lang am 18.6. in der Isarphilharmonie

Wir haben einiges in Kauf genommen, um von Münster aus das Konzert zu besuchen.
Dann kam der Feueralarm.
Es gab keinen Hinweis, dass es nicht das erste Mal passierte und dass wir vor der Tür auf die Ursachenanalyse warten sollten.
So gingen wir nach kurzer Wartezeit mit sehr vielen Besuchern zum Parkplatz.
Jetzt erfahren wir, dass das Konzert fortgesetzt wurde.
Wie kann man derart unprofessionell reagieren.

Mittwoch, 19.Juni, 09:17 Uhr

Tesche-Marschall

Konzert Lang Lang

Entgegen der Darstellung oben war das Konzert nicht mit dem Feueralarm beendet. Der Pianist hat nachdem die Feuerwehr den Saal wieder freigegeben hatte das Konzert zu ende gespielt und Zugaben gegeben. Es war en noch zahlreiche Konzertbesucher begeistert bis zum wirklichen Ende im Saal.

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