Nach nur sechs Jahren kommt an der Bayerischen Staatsoper erneut Mozarts "Le nozze di Figaro" auf die Bühne. In der Neuinzenierung von Staatsopern-Debütant Evgeny Titov. Die Mitwirkenden sind auffallend jung, mehr als die Hälfte der Singenden gehört zum festen Ensemble der Staatsoper, die meisten sind grade mal um die 30 Jahre alt. Am Pult steht Stefano Montanari. Der Italiener hat sich zunächst als Barockgeiger einen Namen gemacht, bevor er Dirigent wurde.
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Immer wieder muss man in den Graben schauen zu Stefano Montanari. Er dirigiert ausladend mit beiden Händen, größtenteils ohne Taktstock. Schwingt dazu den Oberkörper. Eigentlich tanzt er da auf seinem kleinen Podest! Und es ist, als ob Mozarts Musik mit 220 Volt durch ihn hindurch fließt. So unter Strom leitet er das Bayerische Staatsorchester, hält die Fäden auf der Bühne in der Hand und begleitet auch noch die Rezitative. Die wiederum klingen manchmal fast wie Elvis Presley.
Mozart ist unfassbar modern und lässt viel Raum.
Die Premiere von "Le Nozze di Figaro" an der Bayerischen Staatsoper gibt es live auf BR-KLASSIK zu hören: am Montag, 30. Oktober 2023, ab 19:00 Uhr.
Mozarts "Figaro" spielt jedoch nicht in den 1950er-Jahren, sondern etwa 1780. Diener Figaro will seine Braut Susanna heiraten, die will aber auch der Graf ins Bett bekommen. Die gräfliche Gattin wiederum hat einen jungen Liebhaber, der – was Frauen angeht – alles mitnimmt. Dann gibts da eine weitere Dame, die ebenfalls auf Figaro scharf ist, sich aber als dessen verlorene Mutter entpuppt. Kurz: ein totales Durcheinander mit vielen Kostümspielereien.
Die Bayerische Staatsoper inszeniert die Kult-Oper "Die Hochzeit des Figaro" neu. Anlass für uns, die bislang besten Live-Mitschnitte des "Figaro" zu küren. Diese fünf Videos sind unsere Favoriten.
Regisseur Evgeny Titov verzichtet auf historische Perücken und Rüschenplunder. Er liest die Figuren lieber ganz genau, hört auf Feinheiten in Mozarts Musik und vertraut eben auf das zigfach erprobte und bewährte Libretto von Lorenzo da Ponte.
Ich muss nicht sagen: Alles spielt jetzt bei Elon Musk auf dem Mars - und mein Figaro ist ein großartiges Konzept.
Bildquelle: W. Hösl Also stellt sich Titov die Frage: Was ist dieser Graf eigentlich für ein widerlicher, machtgeiler, selbstgefälliger Typ: "Es gibt keine Macht, die man immer behalten kann. Man kann das glauben, man kann das versuchen, am Ende ist es aber so: man wird besiegt. In jedem Fall. Egal wo. Und die nächsten gucken auf ihn und sagen: der war so ein bescheuerter Idiot."
Der "bescheuerte Idiot", also Graf Almaviva, wird vom englischen Bariton Huw Montague Rendall gesungen. Erst 29 Jahre alt ist er, legt quasi eine Bilderbuchkarriere hin. Und sieht im Grafen vor allem eines: Dekadenz. "Wenn Geld keine Rolle spielt, hat man die Freiheit, alles zu tun, was man will. Es gibt keine Grenzen. Natürlich folgt daraus, also wenn man alles hat, dass man gelangweilt ist."
Wenn Geld keine Rolle spielt, hat man die Freiheit, alles zu tun, was man will.
Gegenspieler zum gelangweilten Grafen ist Figaro. Aus dem macht Regisseur Titov manchmal einen liebenswürdigen Tollpatsch. Als Hausfrisör trägt Figaro Lockenwickler auf dem Kopf und bearbeitet plappernd mit dem Glätteisen die Haare der Gräfin bis Rauchwolken aufsteigen. Konstantin Krimmel hat als Figaro buchstäblich alle Hände voll zu tun und profitiert davon, dass er die Partie nicht zum ersten Mal singt: "Wir versuchen da, so geht es gut, die vielen Ideen, die auf uns einprasseln, einregnen, umzusetzen. Und eigentlich sind alle Ensembleproben eine große Freude." Im Ensemble trifft Bariton Krimmel auf seine alten Bekannten aus "Così fan tutte“, so auch auf Louise Alder. Die britische Sopranistin ist seine Braut Susanna.
Bildquelle: Bayerischer Rundfunk 2023
BR-KLASSIK präsentiert Konstantin Krimmel
"Der Vogelfänger bin ich ja"
Louise Alder und Konstantin Krimmel | Bildquelle: W. Hösl Für Alder ist von den drei da-Ponte-Opern Mozarts "Le nozze di Figaro" besonders komplex – was die Charaktere , den Text und die Musik betrifft. "Ich würde fast sagen: Es ist die perfekte Oper. Da ist Intrige drin, Schönheit, Schmerz, Horror, Spaß und Traurigkeit", erklärt die Sängerin. Gerade die Traurigkeit sei es, die alle in der Oper früher oder später, länger oder kürzer erwischt. Als letztes packt sie den Grafen. Im chaotischen Schlußteil, wo eigentlich keiner mehr weiß, wer warum in welchem Kleid steckt. Mozart löst es auf. Harmonisch, und zwar in einer der der schönsten Versöhnungsszenen der Operngeschichte. Und die dauert nur sensationelle zwei Minuten: "Contessa perdono." – "Gräfin, verzeih mir." In dieser kleinen Passage vor dem stürmischen Finale zeigt Mozart für ein paar Augenblicke, wie sogar aus dem Ekelpaket Graf Almaviva ein Mensch wird. Ein Mensch, der liebt, meint Dirigent Stefano Montanari.
Sendung: "Piazza" am 27. Oktober 2023, ab um 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (2)
Sonntag, 29.Oktober, 20:19 Uhr
Luca Ronconi
Così fan tutte (le opere)
Was die mitwirkende Sängerin/Singende hier als angebliche Besonderheiten von Nozze di Figaro hervorhebt, lässt sich ohne Abstriche genau so auch über die anderen Da Ponte-Opern sagen. Somit hoffe ich, dass die neue Inszenierung etwas spezifischere Erkenntnisse generieren wird, die über Allgemeingültigkeit hinausgehen.
Samstag, 28.Oktober, 16:22 Uhr
Beate Schwärzler
Mozart ??
Das Audio habe ich abgebrochen.
War mir, gelesen, schon zu viel von Ekel die Rede.
Und Konstantin Krimmel als Vogelfänger ?
"Nature" ist er mir weitaus lieber.
Ich habe ihn in Elmau erlebt ganz nah vor Kurzem:
Mit Schubert und mit der "kleinen Kneipe" von Udo Jürgens.
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Mann ! Sieht d e r gut aus !
Warum so viel Anziehendes mit greller Farbe zukleistern ?