Künstliche Intelligenz (KI) wird verwendet, um uns Arbeit abzunehmen oder diese schneller oder produktiver zu erledigen. Aber kann KI auch Kunst machen? Mit dieser Frage haben sich Kompositionsstudierende der Hochschule für Musik und Theater München auseinandergesetzt. In mehreren Konzerten präsentieren sie Kompositionen, die in Zusammenarbeit mit KI entstanden sind.
Bildquelle: Gregory Giakis
Was bedeutet es, Mensch zu sein? Mit dieser Frage wird das Publikum bereits im Foyer der Reaktorhalle in München konfrontiert. Um einzutreten, muss man sie erst einmal beantworten. Manche schreiben auf die weißen Postkarten mit der Aufschrift "What makes me human?" nur ein Wort, andere einen ganzen Roman. Ein Besucher beschwert sich währenddessen über das "Geplänkel" im Hintergrund. Es habe keinen Charakter. Was er dabei nicht merkt: Die Musik stellt ihm dieselbe Frage, über die er sich gerade den Kopf zerbricht: Was macht uns zu Menschen?
Das "COMzert" der Münchner Musikhochschule am 31. Oktober | Bildquelle: Gregory Giakis Die Songs sind von einer KI generiert. In Dauerbeschallung hören die Konzertbesucher:innen mal Jazzsongs, mal Balladen oder Partyschlager - immer mit demselben Text: What does it mean to be human? Die KI, die dafür verwendet wurde, hat Ali Nikrang entwickelt. Er ist Professor für KI und musikalische Kreation an der Münchner Musikhochschule: "Seit ein paar Jahren haben wir die Möglichkeit, wirklich die Frage zu stellen: Wie kann man die KI für künstlerische Vorhaben benutzen? Und da ist die Frage nicht, etwas schneller zu machen, etwas produktiver zu machen oder etwas zu automatisieren, sondern individuelle künstlerische Konzepte zu entwickeln, die vielleicht nur mit der KI möglich sind."
Komponieren soll also nicht unbedingt einfacher werden, sondern neue Welten öffnen. Vier Konzepte gibt es im Konzert. Die Studierenden haben dafür in Kleingruppen zusammengearbeitet. Kompositionsstudent Leon hat an einem Klavierkonzert mitgewirkt, in dem der Solopart von der KI seines Professors komponiert wurde. "Es gibt viele Wendungen, die die KI uns vorschlägt, wo man aber selber nie darauf kommen oder sich nicht trauen würde, so etwas im 21. Jahrhundert zu komponieren“, sagt er. "Aber jetzt hat man diese Noten von der KI und muss irgendwie damit umgehen. Und da kamen ganz spannende Reflektionsräume und auch ein innerlicher Zwiestreit beim Komponieren hervor."
Diese Systeme müssen selber die Freiheit haben, Entscheidungen zu treffen.
Bildquelle: Gregory Giakis Ein "Zwiestreit", der auch daher rührt, auf einmal nicht mehr alles allein in der Hand zu haben. Denn in so einer künstlerischen Arbeit mit einer KI müsse man ihr auch eine gewisse Autonomie lassen, sagt Ali Nikrang. "Diese Systeme müssen selber die Freiheit haben, Entscheidungen zu treffen. Und das ist natürlich für die Kunst-Community sehr neu. Denn oft ist es ja so, dass man als Komponist:in sozusagen die Hoheit hat, alle Entscheidungen selber zu treffen. Und wenn man mit KI arbeitet, muss man die Freiheit auch der KI lassen. Und da fängt die interessante künstlerische Auseinandersetzung an."
Diese ist mal philosophisch, mal ironisch und humorvoll. Und sie löst Reaktionen aus. Das Publikum diskutiert – vor dem Konzert im Foyer, während dem Zwischenapplaus und auf dem Weg nach Hause. Was kam von den Studierenden und was von der KI? Und vor allem: Was bedeutet es denn jetzt, Mensch zu sein? Natürlich gibt es darauf nicht die eine Antwort. Aber schon die Fragen verändern unser Bild von uns selbst.
"COMzert"
Ein interaktives Konzerterlebnis mit KI-Kompositionen
Donnerstag, 31. Oktober 2024 um 19 Uhr
Reaktorhalle, Luisenstraße, München
Musikalische Leitung: Torbjørn Heide Arnesen
Betreuung: Prof. Moritz Eggert (Komposition), Hanni Liang (Konzertdesign), Prof. Ali Nikrang (KI)
Sendung: "Allegro" am 6. November 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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