Eleonora Buratto feiert am Pfingstmontag an der Bayerischen Staatsoper ihr Debüt als Titelheldin in Puccinis Oper. Im BR-KLASSIK-Interview erzählt die Sopranistin, was sie an "Tosca" so fasziniert.
Bildquelle: Eleonora Buratto
BR-KLASSIK: München ist Italiens nördlichste Stadt, sagt man scherzhaft. Sie sind Italienerin, kommen aus Mantua, können Sie das bestätigen?
Eleonora Buratto: Absolut. Mich erinnert München vor allem an Norditalien, ganz besonders an Turin. Nicht wegen der Architektur, sondern wegen dem Fluss, der mitten durch die Stadt fließt. Und wegen der vielen Grünflächen.
BR-KLASSIK: Sie sind eine lyrische Sopranistin. Und geben nun Ihr Rollendebut als Tosca. In Puccinis Oper gibt es zwei richtig dramatische Stellen im zweiten Akt. Wie haben Sie sich die erarbeitet?
Eleonora Buratto: Ich habe einfach unglaublich viel geübt, oder sagen wir mal, trainiert. Um eine Sicherheit in diesen echt schwierigen Stellen zu bekommen. Das Schwierige ist, die ganze Dramatik der Szene im zweiten Akt mit der Stimme auszudrücken. Die Wut, die Hingabe, die Hoffnung. Alles fokussiert sich da auf meinen Atem. Und mit dem stemme ich dann diese hohen Noten. Es ist von Anfang an ein enormer Druck auf der Stimme. Ich muss mir die Kraft aber so gut einteilen, dass ich noch ein crescendo hinbekomme, damit die Stimme am Schluss der Szene richtig explodiert. Das ist gar nicht so schwer – sage ich jetzt. Ich muss das auf der Bühne dann aber auch wirklich umsetzen.
BR-KLASSIK: Wenn die Theorie schon mal da ist, ist das quasi die halbe Miete.
Eleonora Buratto: Ich habe wirklich hart gearbeitet. Es ist eine Frage der Muskeln. Man muss sie trainieren, wie in einem Fitnesscenter. Da fängt man auch nicht mit 100 Kilo-Hanteln an, ohne vorher geübt zu haben. Sondern mit den kleinen. Erst zehn, dann dreißig, dann fünfzig. So bauen sich die Muskeln langsam auf.
BR-KLASSIK: Hatten Sie davor ein wenig Zähneklappern oder weiche Knie?
Eleonora Buratto: Nein, ich schlafe sehr gut. Natürlich mache ich mir manchmal auch Sorgen um diese große Rolle. Zuerst war ich sogar total ablehnend. Ich habe gedacht, ich warte lieber noch ein paar Jahre, bis ich die Tosca singe. Aber Serge Dorny hat mich so oft gefragt. Ich habe mich dann überzeugen lassen. Ich glaube, es war gut, ja zu sagen. Das Nationaltheater ist so toll. Die Akustik ist gut, der Cast auch, der Dirigent und das ganze Team ebenso.
Giacomo Puccini: "Tosca"
Musikalische Leitung: Andrea Battistoni
Inszenierung: Kornél Mundruczó
Premiere am 20. Mai 2024, 18:00 Uhr, Nationaltheater München
BR-KLASSIK überträgt die Premiere live im Radio.
BR-KLASSIK: Wie werden Sie durch den Dirigenten Andrea Bottesini unterstützt? Hilft es, dass Sie beide Italienisch als Muttersprachler haben?
Eleonora Buratto: Klar! Wir sind auch privat befreundet. Ich vertraue ihm vollkommen. Und unsere Musikalität ist in gewisser Weise auf einer Wellenlänge, wenn man das so ausdrücken kann. Ein paar Worte und alles wird schon viel klarer. Es ist fast schon magisch.
BR-KLASSIK: Tosca vereint viele Persönlichkeiten, viele Rollen: Tosca ist Künstlerin, Tosca ist Mörderin, Tosca ist Opfer. Sie ist Liebende, Eifersüchtige und besteht im Grunde aus lauter Widersprüchen.
Eleonaora Buratto als Tosca an der Bayerischen Staatsoper | Bildquelle: © Wilfried Hösl Eleonora Buratto: In der Tosca steckt eine ganze Menge. In unserer Produktion ist Tosca von Anfang an eine ausgesprochen stolze Frau. Wir haben versucht, eine Diva, einen Star darzustellen. Ich meine, Floria Tosca ist ja auch in der Geschichte eine herausragende Sängerin. Gleichzeitig meinte aber der Regisseur Kornél Mundruczó, ich solle auf eine eher natürliche Art singen. Also äußerlich Diva, innen ich. Tosca muss auf eine gewisse Weise die Callas sein, und das ist sowieso unmöglich. Also bringe ich mich ein. Das versuche ich immer so zu machen. Das gibt der Rolle etwas Menschliches.
BR-KLASSIK: Das klingt aber ganz gut. Als ob man sich dieser mystischen Rolle so ganz gut nähern kann.
Eleonora Buratto: Absolut. Wenn man anfängt darüber nachzudenken, wer diese große Rolle schon mit Bravour gesungen hat: die Callas natürlich, auch die Tebaldi. Das ist eine Menge Holz. Die beiden inspirieren mich natürlich, aber ich versuche trotzdem meine eigene Tosca zu singen. Mir hilft da vor allem das Zusammenspiel aus Text und Musik. Das schaue ich mir genau an, denn das inspiriert mich. Im Duett zwischen Tosca und Cavaradossi zum Beispiel, da singt sie Lo dici male. Zwei Mal. Es sind dieselben Worte, aber beim ersten Mal ist sie ärgerlich und enttäuscht. Und wenn sie es das zweite Mal singt, zeigt sie ihre Liebe.
BR-KLASSIK: Das ist ja wie im Leben…
Eleonora Buratto: Genau. Deshalb darf man auch so spielen, wie im realen Leben.
Sendung: "Leporello" am 17. Mai ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK