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"Tosca" an der Bayerischen Staatsoper "Dieses Streben nach Freiheit!"

Eine Oper, bei der Fans in Ekstase geraten und bei der selbst Opernskeptiker dahinschmelzen. Schuld daran ist Puccinis hochemotionale Musik und die Story mit Anlagen zum Psychothriller. Die neue "Tosca" in München inszeniert Kornel Mundruczo.

Szenenbild "Tosca", Bayerische Staatsoper | Bildquelle: Wilfried Hösl

Bildquelle: Wilfried Hösl

Tosca ist kein duckmäuserisches Weibchen, sondern eine starke Persönlichkeit. Und Floria Tosca ist für viele Sängerinnen eine Traumrolle. Allein die Arie "Vissi d'arte" ist nicht nur dank der Callas zum Mythos geworden!

Tosca - eine unsympathische Diva?

Der neuen Münchner Tosca Eleonora Buratto standen die Haare zu Berge, als sie die Tosca zum allerersten Mal hörte. Ihr erster Gedanke war: "Oh mein Gott, was für eine eifersüchtige Diva, ich mag diese Frau nicht." Die Frau ist ja auch wirklich schwer zu verstehen: Sie liebt Cavaradossi, aber so richtig nahe kommt sie ihm nicht. Tosca ist extrem eifersüchtig, aber nicht auf eine Frau, sondern das Gemälde einer Frau. Sie tötet erst den Polizeichef und dann sich selbst. Toscas Emotionen sind so dehnbar und so wechselhaft wie ein Bungee-Jumping-Seil. Und Puccini spiegelt genau diese Zustände in der Musik. Die lyrische Sopranistin Eleonaroa Buratto nimmt die dramatische Partie der Tosca nicht auf die leichte Schulter. Vor allem der Dirigent Andrea Battstoni ist ihre große Stütze beim Rollendebüt.

"Tosca" in München

Giacomo Puccini: "Tosca"
Musikalische Leitung: Andrea Battistoni
Inszenierung: Kornél Mundruczó
Premiere am 20. Mai 2024, 18:00 Uhr, Nationaltheater München
BR-KLASSIK überträgt die Premiere live im Radio. Danach steht die Oper 30 Tage lang zum Nachhören für Sie bereit.

Auf jeden Fall mit dabei: die vermutlich unsympathischste Bariton-Rolle

Nur sechzehn Stunden sind auf der Bühne dargestellt. Und in der kurzen Zeit ändert sich für alle alles. Am Ende gibt es vier Tote und Puccini lässt keinen Stein auf dem anderen. Außer die Steine der Engelsburg, von der sich Tosca in den Tod stürzt. Das Münchner Ensemblemitglied Milan Siljanow in der Rolle des verfolgten Angelotti stirbt als Erster. Sein Auftritt ist kurz, aber temporeich. "Es sind für italienische Verhältnisse sehr viele Silben auf jeder Note. Aber das zeigt eigentlich nur den ganzen Stress, der diese Rolle durchzieht." Polizeichef Scarpia ist vermutlich die unsympathischste Bariton-Rolle der ganzen Operngeschichte: schmierig, selbstgerecht und selbstherrlich, siegesgewiss und korrupt. Kurz: männlich-toxisch. Und das sogar noch, als Tosca ihm das Messer in die Brust rammt.

Herausforderung MeToo

Wie stellt man so einen Kerl im 21. Jahrhundert dar, wie gibt man ihm in Zeiten von #metoo eine so große Bühne? Die Katze aus dem Sack lässt Regisseur Kornel Mundruczo vor der Premiere natürlich nicht. Was er verrät: Das Thema Freiheit zieht sich durch die Inszenierung auf ganz unterschiedlichen Ebenen: "Ich habe eine persönliche Beziehung zu dem Stück, weil ich darin auch ein bisschen meine Geschichte sehe. Dieses Streben nach Freiheit! Ich lebe ja in Deutschland, weil ich in meiner Heimat Ungarn nicht künstlerisch frei arbeiten kann. Ja, da laufen schon ein paar Fäden in 'Tosca' zusammen!" Und so wird auch die Figur des Cavaradossi radikal modernisiert. Regisseur Mundruczo verwandelt ihn vom katholischen Kirchenmaler zum atheistischen Filmemacher und Schriftsteller Pier Paolo Pasolini. Für den Tenor Charles Castronovo, der sein Rollendebut als Cavaradossi gibt, ist der neue Ansatz eine schauspielerische Erleichterung: "Für mich ist das großartig. Weil ich muß mir nicht dauernd überlegen, was wäre jetzt eine hübsche Pose, in der ich male und dazu eine hohe Note singe. Das wäre mir irgendwie fremd. Singen muss ich ja sowieso! Der neue Aspekt fokussiert ganz konkret auf das Drama und ich denke nicht die ganze Zeit nur übers Singen nach."

Puccini und seine Opern

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Fast ein Heimspiel für Dirigent Battistoni

Für den Dirigenten Andrea Battistoni ist eine "Tosca" in München fast ein Heimspiel. Er hat bereits die alte Luc Bondy-Fassung an der Staatsoper dirigiert. Als Vorbereitung auf die NEUE Tosca hat er sich zwar nicht, wie der Regisseur, alle Pasolini-Filme reingezogen, aber die Idee erweitert seinen Blick auf die Partitur. Auch wenn die Rollenverteilung für ihn am Pult ein wenig anders aussieht: "Für mich ist Puccini der wahrhaftige Regisseur dieses Thrillers mit dem Titel 'Tosca'. In der Partitur vermerkt er so viele Kleinigkeiten. Und jedes dieser Details dient dazu die größtmögliche Spannung zu erzeugen! Und dazu kommt: Seine Melodien gehen direkt ins Herz."

Sendung: "Allegro" am 17. Mai 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (8)

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Dienstag, 21.Mai, 08:15 Uhr

Dietrich Loos

BSO Tosca

Ich habe die Premiere im Radio verfolgt.
Der sofort nach Ende des ersten Aktes aufbrausende, einhellige Buh - Tsunami war beeindruckend.
Er hat ganz offensichtlich der Regie gegolten, denn das Dirigat war hervorragend, die Sänger superb (Tezier) bis absolut anständig (Castronovo).
Leider hat die BSO Tetelman verschlafen, jetzt kriegt man ihn nicht mehr so ohne weiteres …

Dienstag, 21.Mai, 06:52 Uhr

Kerstin Kölle

Freiheit für die Musik

In eine Live-Vorstellung möchte ich mich dann voll auf die Musik konzentrieren, den Live-Klang genießen und wenn alles passt in eine Art Trance-Zustand versetzt werden. Dazu braucht es vor allem eines: Konzentration. Ich betrachte Inszenierungen, die alles dafür tun, den Zuhörer vom Wesentlichen, nämlich der Musik, abzulenken, als eine Unverschämtheit gegenüber dem Publikum, vor allem aber gegenüber den Mitwirkenden, die vom Orchester, dem Dirigenten, dem Chor bis hin zu den Solisten alle ihr Bestes geben und doch keine Chance bekommen, wirklich gehört zu werden, weil die Aufmerksamkeit des Publikums durch eine überfrachtete Inszenierung dauerhaft abgelenkt wird.

Dienstag, 21.Mai, 00:03 Uhr

Alexander Waldherr

Inszenierung K. Mundruzco "Tosca"

Guten Abend,

Habe der Premiere beiwohnen können, hier meine Eindrücke und Meinung zur Inszenierung von Kornel Mundruczo:
- Die Idee, Cavarsdossi als Regisseur und (fast) nicht als Maler zu zeigen, sorgt mit dem konstanten Gewusel auf der Bühne (sein Regieteam ist ständig am Einrichten) für viel Unruhe und Verwirrung
- Es dürfte nicht einer von 100 im Publikum sein, der versteht, dass Cavaradossi von Mundruzco als Pier Paolo Pasolini inszeniert worden ist:
C. dreht erst "Die 120 Tage von Sodom", stellt dabei Szenen fast 1:1 nach, später werden per Videoprojektion Szenen aus "Mamma Roma" gezeigt, das zwar zu Pasolinis Oeuvre zählt, in meinen Augen jedoch keinerlei Bezug zur Handlung von "Tosca" hat.
- Eklatante Regiefehler über das gesamte Stück
- ab dem 2. Akt besser, dennoch zu verquast und verwirrend
- entsprechend Buh-Rufe für die Regie
- großer Beifall für die musikalische Seite

Donnerstag, 16.Mai, 12:53 Uhr

Elisabeth Weidinger

Neuinszenierung Tosca

Schon wieder wird eine wunderbare, dem Stück angemessene Inszenierung durch eine 'moderne ' ersetzt!
Heißt, das Publikum wird nicht gefragt, sondern 'erzogen und manipuliert ".
Dies ist zumindest zu erwarten, wenn man das Gewäsch des Regisseurs liest.
Schade.

Donnerstag, 16.Mai, 12:08 Uhr

Neuhauser

was will das Publikum?

@Musikus
Ich glaube Sie schreiben nicht für "das Publikum" sondern für Ihren persönlichen Geschmack.
"Das Publikum" in München ist, trotz seiner Begeisterungsfähigkeit, sehr wohl in der Lage gute und stimmige Inszenierungen zu würdigen und sich auch damit zu befassen. Das zeigen z.B. die sehr gut besuchte Matineen in denen die Hintergründe für die neuen Inszenierungen dargestellt wurden. Es ist gut, dass die Werke immer wieder neu inszeniert und interpretiert werden, das wäre sicher auch im Sinn der Komponisten. Wenn ihnen das nicht gefällt, machen Sie die Augen zu oder sehen sich alte Videos an.

Mittwoch, 15.Mai, 23:07 Uhr

Reinhard

Tosca

Und wer singt nun Scarpia?

Mittwoch, 15.Mai, 18:39 Uhr

Musikus

Neue Tosca an der BSO

Das Titelbild spricht Bände! Wieder so eine durchgestylte, überdrehte Inszenierung. Wann kommt es endlich in den Köpfen der Verantwortlichen an, dass die Mehrheit des Publikums solche Produktionen ablehnt? Es ist eine Schande, wie mit den Werken umgegangen wird.

Mittwoch, 15.Mai, 15:37 Uhr

Hilde Sellmann

Die Vorbesprechung läßt ja schon wieder Schlimmes erahnen … mich wundert es nicht, dass man Dorny loswerden will.
Und Puccini würde sich in seinem Jubiläumsjahr sicherlich auch wieder mal eine werkgetreue Inszenierung wünschen!!!

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