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Kritik "Der Fliegende Holländer" in Bayreuth Entfesselte Naturgewalten

"Der Fliegende Holländer" kehrt bei den Bayreuther Festspielen in der Inszenierung von Dmitri Tcherniakov zurück auf den Spielplan. Dirigentin Oksana Lyniv begeistert mit ihrer stürmischen Lesart der Musik.

Szene aus "Der fliegende Holländer", Bayreuther Festspiele 2024 | Bildquelle: © Enrico Nawrath

Bildquelle: © Enrico Nawrath

Zum Jubiläumsjahr der Bayreuther Festspiele 2026 soll der bislang so strenge 10er-Kanon um Richard Wagners Frühwerk "Rienzi" erweitert werden. Bis dahin markiert allerdings noch "Der fliegende Holländer" den Beginn jener Opern, die vom Komponisten selbst als festspielwürdig erachtet wurden. Was die Idee des Wagnerschen Gesamtkunstwerks betrifft, werden in Bayreuth nur wenig Kompromisse gemacht. Und manchmal spielt sogar noch das Wetter mit. So wie jetzt bei der Wiederaufnahme des "Fliegenden Holländers". Hier brauen sich nämlich bereits vor Vorstellungsbeginn dunkle Wolken über dem Grünen Hügel zusammen, um das Publikum mit satten Windböen und kalten Regengüssen auf die bevorstehende Oper einzustimmen. Ein Rahmenprogramm, wie geschaffen für Dmitri Tcherniakovs düster-pessimistische Inszenierung.

Sturmböen aus dem Graben mit Dirigentin Oksana Lyniv

Die Dirigentin Oksana Lyniv vor dem Bayreuther Festspielhaus. | Bildquelle: Oksana Lyniv, Fotograf: Serhiy Horobets Dirigentin Oksana Lyniv vor dem Bayreuther Festspielhaus | Bildquelle: Oksana Lyniv, Fotograf: Serhiy Horobets Inspiriert von diesem Naturschauspiel lässt man sich kurz darauf auch im Orchestergraben nicht lumpen, wo Oksana Lyniv bereits zur Ouvertüre auf ähnlich stürmische Art die Elemente entfesselt. Die Dirigentin peitscht das Geschehen immer wieder mit straffen Tempi voran. Wobei es in den von der Regie teilweise hinter die Bühne verbannten Choreinsätzen hin und wieder auch zu leichten Wackelkontakten kommt. Doch selbst diese kleinen Schönheitsfehler sind schnell wieder ausgebügelt und können den positiven Gesamteindruck kaum trüben. Weil Lyniv eben nicht nur in Richtung großes Musikdrama schielt, sondern Wagners Frühwerk bewusst von seinen Vorbildern aus denkt. Mit Anklängen aus der deutschen Spieloper, aber auch mit italienischen Einflüssen.

Jubel für das spielfreudige Ensemble um Titelheld Michael Volle

Auf diesem Weg folgt ihr das überaus spielfreudige Ensemble nur allzu gern. Allen voran Titelheld Michael Volle, der mit markantem Bariton die Verzweiflung des rastlos umherirrenden Kapitäns spüren lässt. Wobei ihn nicht einmal eine kleine Verletzung aus der Ruhe bringt. Selbst mit Krücke bleibt Volle dank seiner stimmlichen Autorität weder der Rolle noch der genau durchgetakteten Inszenierung etwas schuldig. Mindestens so enthusiastisch wie Michael Volle wird am Ende Elisabeth Teige als Senta gefeiert. Denn auch sie wirft sich absolut kompromisslos in die Rolle dieser in ihrem eigenen Wahn gefangenen jungen Frau. Wobei sie sich dank leuchtenden Spitzentönen in der nervös aufgekratzten Ballade ebenso selbstbewusst behauptet wie im Duett mit ihrer Jugendliebe Erik. Der aufrechte Jägersmann wird in diesem Sommer wieder vom Amerikaner Eric Cutler verkörpert, der bei seiner Rückkehr nach Bayreuth beweist, dass seine Stimme nach dem Wechsel ins heldische Fach nun endgültig für dramatischere Aufgaben gefestigt ist. Und so bietet er tenoral einen reizvollen Kontrast zu seinem lyrischer veranlagten Landsmann Matthew Newlin, der sich als Steuermann erstmals in Bayreuth vorstellt.

Alles rund um die Bayreuther Festspiele

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Menschliche Züge in einer gefühlskalten Welt

Szene aus "Der fliegende Holländer", Bayreuther Festspiele 2024 | Bildquelle: © Enrico Nawrath Szene aus "Der Fliegende Holländer" bei den Bayreuther Festspielen mit Nadine Weissmann (Mary) und Elisabeth Teige (Senta) | Bildquelle: © Enrico Nawrath Seine Rolle wird von der Regie ebenso aufgewertet wie die von Nadine Weissmann. Als Mary wird sie zum Dreh- und Angelpunkt der Inszenierung und bringt gemeinsam mit dem Daland von Georg Zeppenfeld eine dringend benötigte menschliche Note in das sonst so abweisend kühle Bühnenambiente. Dass die Erlösung am Ende zwar vom Orchester behauptet wird, szenisch aber keine Entsprechung findet, dürfte trotzdem niemanden groß wundern. Aber wenn man nach langanhaltendem Applaus das Festspielhaus verlässt und den Hügel hinunterwandert, haben sich immerhin draußen die Wolken verzogen. Wodurch zumindest das Abendrot auf dem Heimweg für jene versöhnliche Note sorgt, die von der Regie konsequent verweigert wird.

Sendung: "Allegro" am 2. August 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (9)

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Sonntag, 11.August, 21:18 Uhr

Silvio Heil

Holländer

Es gibt zu diesem Holländer nur eine fachliche Bemerkung für die Regie...eine absolute Frechheit und dumm das Ganze. Irgendwann wird dieser Unsinn eine Ende haben, da bin ich mir sicher. Musikalisch bis auf ein paar Kleinigkeiten sehr gut (meckern auf hohem Niveau).

Samstag, 10.August, 23:08 Uhr

Klose, Gerhard

Wagner Festspiele 24, Fliegender Holländer

Inszenierung total daneben!
Vorweg, die Aufführung war musikalisch phantastisch.
Aber die Inszenierung ist total daneben. Wagner wird im Grabe rotieren. Es war seine belegte und erklärte Absicht darzustellen, dass ein belasteter Mann durch den Liebestod einer Frau erlöst wird. Hier wird der Mann erschossen und die Frau lebt. Zu Wagners Zeiten hat es bestimmt auch vergleichbare, traumatisierende, soziale Dramen gegeben, die er hätte vertonen können. Er wollte aber ein romantisches, zeitlos gültiges Märchen erzählen. Was soll da diese - bei Dürrenmatt geklaute - Geschichte, zu der weder der Text noch die Musik passt.
Dagegen hat man sich unnötigerweise an die Vorgabe "Einakter" gehalten, obwohl alle Besucher gerade die Pause lieben. Alles absurd und zum Abgewöhnen. Sehr bedauerlich! Das Geld nicht wert.

Freitag, 09.August, 15:35 Uhr

Acosinus

Der Holländer und die Götterdämmerung

…. wenn der Lebenssinn erwählter Frauen, uns Männer zu erlösen, aus der Inszenierung gestrichen wird, wird bald auch Gott Wagner aus Walhall verstoßen sein - der Grüne Hügel dämmert.

Freitag, 09.August, 09:50 Uhr

Bena Meier-W.

Ein herrlicher Spaß

Für mich ist immer wieder faszinierend, was aus dem Stoff herausgeholt werden kann. Man müsste sich ja heute geradezu die Haare raufen, wenn der Uralt-Stoff völlig kommentarlos heute zur Aufführung käme. Es mag wohl angehen, dass hier der Regisseur in den Augen einiger Wagner-Fans über das Ziel hinausgeschossen ist. Allein, das ist auch die Freiheit der Kunst, die ich feiere! Nichts würde mich mehr betrüben, als bei Statthaltern der Herkömmlichkeit die immer selben, öden Inszenierungen ohne irgendeinen Kniff, einen Kommentar, eine Weiterentwicklung zu sehen. Wo könnte ich mich da reiben? Wo könnte ich Gewohntes hinterfragen? Zu neuen Erkenntnissen kommen. Der aktuelle Holländer in Bayreuth ist in diesem Sinne ein herrlicher Spaß!

Sonntag, 04.August, 17:00 Uhr

Asinus

Holländer

Sehr geehrter Herr Thiel!

Auf neue Deutungsmöglichkeiten abschöpfen heißt ja nicht, dass man deswegen ganze Werke umdichten muss. Und noch dazu Fehler einbaut, die der Logik eines Geschehens widersprechen, Szenen verändert (warum schießt der Holländer im letzten Akt auf die Matrosen? Warum erschießt ihn Mary? Das alles entbehrt jeden Sinnes der ursprünglichen Oper, und es kann dadurch natürlich auch keine Schlusserlösung geben, die Wagner sehr am Herzen gelegen ist. - Ich kenne so gut wie keine Aufführung des Regietheaters, wo die Veränderungen der Handlungen auch nur irgend etwas Neues hineingebracht hätten, außer solchen Unsinn, vom Ästhetischen ganz zu schweigen. Ich habe für mich eine perfekte Lösung gefunden: wenn so etwas im TV geboten wird, höre ich mir sofort ohne Bild eine CD in aller Ruhe an (wie z.B. beim Bregenzer Freischütz die schöne Aufnahme mit Eugen Jochum, den Holländer von Klemperer usw.). Das ist auch emotional viel befriedigender...

Sonntag, 04.August, 12:11 Uhr

Claus Grünewald

Holländer

Diese Aufführung hat mit dem Fliegenden Holländer von Wagner nichts zu tun. Es ist eine Adaption von "Der Besuch der alten Dame" untermalt mit Musik von Richard Wagner und seinem Text.
Der Sinn des Holländers bleibt außen vor, eine Logik zum Werk muss im Vorspiel umständlich hergestellt werden.
Für sich gesehen, ist die Inszenierung eine recht gute Geschichte, vielleicht ist komponiert ja auch mal einer die passende Oper dazu.
Dem Werkstattgedanken und dem "schafft Neues" ist diese Produktion völlig fern,

Samstag, 03.August, 15:38 Uhr

Asinus

Holländer

Na ja, Deutungsmöglichkeiten sind ja gut, solange sie das Werk respektieren, was manche Regisseure ja - wie auch hier - überhaupt nicht mehr machen. Schon die Eingangsschrift: "Herr H. kehrt ... nach hause zurück" ist ja sowas von unlogisch, weil in Wirklichkeit die Stadt ja vollkommen fremd für den Holländer ist. Und so ziehen sich bis zum Schluss die gröbsten Fehler durch, und das Publikum muss dann die Krot fressen. Der Freischütz in Bregenz wurde schamlos umgedichtet, Rigoletto erinnerte anden "Planet der Affen", Don Giovanni in Salzburg erstickt in seinem Gelärme. - Ich habe eine andere Lösung gefunden: so etwas ist im TV eine Zumutung, also höre ich mir nur mehr die CD an, es gibt soviele wunderbare Aufnahmen der Werke, ältere und jüngere, und tu mir das Getue und Herumgehopse auf der Bühne nicht mehr an. Mögen sich andere daran erfreuen.

Samstag, 03.August, 12:36 Uhr

Klaus Thiel

Asinus und der Holländer

Sollte es nicht gerade in der "Werkstatt Bayreuth": "Kinder, schafft Neues !" - sehr wohl erlaubt sein, ein Werk auf ganz neue Deutungsmöglichkeiten hin abzuklopfen ? Diese "Umdichtung" ist in sich schlüssig und auf weite Strecken faszinierend.
Und wenn sie dann noch von einem derart engagierten Ensemble bestritten wird - was gibt es da zu meckern ?
Brave, dem Buchstaben getreue, "werkgerechte" Interpretationen hat es doch zur Genüge gegeben - oder vermisst jemand ernsthaft "die verklärten Gestalten Sentas und des Holländers sich umschlungen haltend... aufwärtsschweben" ?
Das gab es in Leipzig - 1933, und schon damals hat man geschmunzelt...

Samstag, 03.August, 07:05 Uhr

Asinus

Holländer

Es handelt sich um eine Umdichtung des Regisseurs, die zu logisch völlig unschlüssigen Szenen führt und überdies ziemlich langweilig ist. Das Ende hat mit Wagner nichts zu tun.

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