Unser Sende-Format "Hören wir Gutes und reden darüber" wurde 2022 in der Kategorie "Beste Sendung" mit dem Deutschen Radiopreis ausgezeichnet. Zu ausgewählten Terminen überraschen wir uns mit Album-Klassikern des Jazz.
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"Hören wir Classics und reden darüber" hier zum Nachhören.
In dieser Sendung haben sich Beate Sampson, Roland Spiegel und Ulrich Habersetzer zum dreiunddreißigsten Mal gegenseitig mit Alben überrascht: Niemand wusste vorher, was die jeweils anderen mitbringen würden. Über folgende drei Album-Klassiker des Jazz wurde in der Sendung gesprochen.
Sie war die "First Lady of Swing", aber auch die "First Lady of Song" und sie war "Lady Time" - mit all diesen Titeln wurde Ella Fitzgerald (*25.4.1917 - †15.6.1996) bedacht. Die große swingende Songgestalterin mit dem tollen Rhythmusgefühl und der perfekten Intonation war eine Jahrhundert-Sängerin. Jedem noch so harmlosen Novelty-Song verlieh sie mit ihren risikofreudigen Scats mitreißenden Drive und wenn sie melancholische Balladen sang, vermittelte die Natürlichkeit ihres Stimmklangs immer auch etwas Tröstliches. Als sie sich im Oktober 1965 an drei Nachmittagen in ihrer damaligen Heimatstadt Los Angeles zu Aufnahme-Sessions mit Duke Ellington und seinem Orchester traf, war sie nicht nur ein Star, sondern auch seit drei Jahrzehnten auf einem Hochplateau der Gesangskunst unterwegs. Und wenn man sich nun Duke Ellington (29. April 1899 - 24. Mai 1974) dazu vorstellt, der fast fünfzig Jahre Bandleader und vierzig davon Orchesterchef war, hunderte von Kompositionen geschrieben und mit seiner Musik den Jazzbegriff immer wieder hin zu einer "music beyond category" geweitet hat, kann man durchaus von einem Gipfeltreffen der Giganten sprechen. Von zwei lockeren, legeren, freundlichen, vergnügten, sich zugewandten Giganten, die Großes schaffen, auch wenn sie die Sache entspannt angehen. 1957 waren sie schon einmal von Ella Fitzgeralds Manager Norman Granz zusammengespannt worden, um Hits von Ellington einzuspielen. Diesmal setzten sie auf der A-Seite der Platte auf ruhige Tempi und innige Stücke, an denen zumeist Billy Strayhorn als Komponist beteiligt war. Duke Ellington nannte sie "The pretty, the lovely, the tender, the hold-me-close side". Auf der B-Seite gab es dann die, von Rhythm´n´Blues angehauchten Stücke, Swing und Beboptitel. Duke nannte sie "The finger snapping, head-shaking, toe-tapping, go-for-yourself side". Und was soll man sagen: Beide Seiten machen große Freude beim Zuhören!
Bildquelle: Blue Note Records Pete La Roca? Sagt Ihnen nichts? Kein Wunder! Dieser aus New York stammende Amerikaner (1938-2012), ein in den 1950er und 1960er Jahren sehr bekannter Schlagzeuger, zog sich nach zwei eigenen Alben ganz aus dem Jazzmusiker-Leben zurück. Er wurde Rechtsanwalt und machte erst dreißig Jahre später noch einmal mit Musik auf sich aufmerksam. In seinem Debüt-Album als Leader, aufgenommen 1965, hatte er eine erstklassige Besetzung aufzubieten: mit Tenorsaxophonist Joe Henderson, Bassist Steve Swallow (damals noch am Kontrabass) und Pianist Steve Kuhn. Der Höhepunkt des Albums ist ein sehr langsames, lyrisches Stück: "Lazy Afternoon". Darauf spielt Saxophonist Joe Henderson die Melodie mit teils fast querflöten-artig zartem Ton, der aber stets eine klare, scharf umrissene Kontur hat - und die Gesamtstimmung des Stücks hat mit dieser Band etwas schier Hypnotisches. Joe Henderson (1937-2001), einer der herausragenden Saxophonisten von den 1960er Jahren an und ein erfolgreicher Bandleader beim Label "Blue Note", ist auch in den anderen fünf Stücken des Albums (drei davon Eigenkompositionen La Rocas) die herausragende Figur der Quartetts: mit manchmal ekstatischem und schillernd verfremdetem Ton. Bandleader La Roca spielt sich mit seinem Schlagzeug so gut wie nie in den Vordergrund, sondern stützt die packende Band-Energie. Nur noch ein weiteres Album unter eigenem Namen nahm Pete La Roca (der vorher als Sideman berühmter Kollegen auftauchte, unter anderem im Nachmittagsset von Sonny Rollins‘ "A Night At The Village Vanguard" von 1957) in seiner Erfolgsphase auf: "Turkish Women at the Bath" (1967). Auf diesem Album spielte auch Pianist Chick Corea mit. Als ein Label das Album 1973 ohne La Rocas Zustimmung unter Coreas Namen und dem Titel "Bliss!" wiederveröffentlichte, wurde der Musiker in seiner Eigenschaft als Anwalt aktiv - und das Label musste die Veröffentlichung zurückziehen. Schon damals vertrauten Produzenten offenbar nicht mehr darauf, dass der Name La Roca Musikfans noch etwas sagt.
Bildquelle: Blue Note Records
14. April 1957, Hackensack, New Jersey, Van Gelder Studio - ein historischer Jazzmoment wird eingefangen: sechs Sekunden lang kein Klavier, nur Bass und Schlagzeug. Diese sechs Sekunden sind einzigartig in der Jazzgeschichte, denn in diesem Moment tauschen zwei Legenden und Erfinder jeweils sehr unterschiedlicher Jazzstile Platz. Thelonious Monk ist einer von beiden: Meister des aus dem Bebop entwachsenen expressiv-kantigen Klavierspiels - bis heute unerreicht. Der andere ist Horace Silver, einer der Erfinder des Souljazz, legendärer Bandleader und vielleicht der Mensch, der seit Joseph Haydn am geschmackvollsten Humor in die Musik gebracht hat. Der Geniestreich, diese beiden Pianisten für ein Stück ins Studio zu holen, ist Tenorsaxophonist Sonny Rollins gelungen, für sein Album "Volume Two" bei Blue Note und bei der Monk-Komposition "Misterioso". Monk begleitet das Thema des Blues', Sonny Rollins spielt ein Solo, Monk das nächste, die historische Pause folgt und Posaunist J.J. Johnson ist als nächster Solist dran und Horace Silver begleitet. Einmalig!
Auch die anderen Stücke des Albums sind großartig, beboppig-jubilierend bis geschmeidig-groovend. Ein Album, das in jede Sammlung gehört und den schlichten Titel "Sonny Rollins: Volumne two" trägt.