Wien, 11. März 1896. Maria Bach wird geboren. Sie heißt zwar Bach, ist aber weder verschwistert noch verschwägert mit dem großen Johann Sebastian. Das einzig Barocke an Maria Bach ist das Schloss, in dem sie aufwächst. Maria Bach hat über 250 Lieder und Chorstücke komponiert, dazu noch locker 150 Kammermusik- und Orchesterwerke. Trotzdem kennt sie so gut wie keiner!
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Bild: Maria Bach im Garten. Gemälde von Ferdinand Hodler (1904)
Mit DEN Bachs ist sie also nicht verwandt, nein. Auch wenn Marias Großvater Otto Bach ein Kirchenmusiker und Komponist war, genauso wie der berühmte protestantische Namensvetter Johann Sebastian.
Maria Bach ist eigentlich eine Komtesse, sie wächst im Schloss auf und sie ist musisch begabt. Zuerst zeigt sich das am Klavier. Dann kommt die Geige dazu. Marias Mutter ist eine gefragte Sängerin. Und die fleißige Tochter begleitet sie am Klavier, wenn das barocke Schloss mal wieder voll ist mit Gästen: Allesamt sind künstlerisch äußerst tüchtig, versteht sich. Ein gewisser Oskar Kokoschka prostet der jungen Pianistin zu, Gustav Klimt ist gleich von allen vier Bach'schen Töchtern entzückt und Ferdinand Hodler portraitiert sie in Pastelltönen im Garten. Selbst der griesgrämige Johannes Brahms soll mit Marias Eltern Hausmusik gemacht haben. Das war allerdings, bevor Maria Bach geboren wurde, zeigt aber, wie ambitioniert der künstlerische Geist ist, der im Hause – oder im Schloss, weht! Möglich ist das übrigens nur, weil Freiherr von Bach eine dicke Erbschaft gemacht hat und sich darum komplett den Künsten verschreiben kann.
Gerade mal vierzehn Jahre alt, komponiert Maria ihre ersten Stücke für Klavier – darunter ein grotesker, juckelnder Flohtanz. Der Applaus ist groß und Maria wagt sich schnell an ernsthaftere Werke: Lieder zu Texten von Morgenstern und Rückert. Maria Bach hat Glück mit der Zeit, in der sie heranwächst: Die Frauenbewegung erlebt einen richtigen Aufwind und Maria ist mittendrin. Seit 1918 gilt in Österreich das allgemeine Wahlrecht für Frauen, ein Kompositionsstudium an der Wiener Musikakademie ist also fast schon ein Kinderspiel. Ob es der Gesang der Mutter ist, den sie von klein an im Ohr hat oder einfach "nur" eine Vorliebe für die menschliche Stimme, jedenfalls komponiert Maria Bach über 250 Lieder und Chorsätze.
Sie kann aber auch für Orchester und vor allem Kammermusik! Ihre Beziehung zu dem russischen Komponisten und Dirigenten Ivan Boutnikov inspiriert Maria Bach zum "Wolgaquintett" – ihr bekanntestes und anspruchsvollstes Werk, in dem das Klavier mitsamt Pianist oder Pianistin bis an die Grenzen der Belastbarkeit ausgereizt wird. Und in das sie Variationen über das melancholische Volkslied der "Wolgaschlepper" einbaut.
Eine weitere künstlerische Begabung entdeckt Maria Bach an sich, nachdem sie den italienischen Maler und Bühnenbildner Arturo Ciacelli heiratet. Wir sind im Jahr 1952. Maria Bach ist inspiriert von Ciacellis italienischem Futurismus und beginnt ebenfalls zu malen. Bald schon stellt sie in halb Europa ihre Bilder aus. Das Komponieren gerät ins Hintertreffen. Als sie dann versucht, an die musikalischen Erfolge ihrer jungen Jahre anzuknüpfen, gelingt ihr das nicht mehr. Deshalb ist sie auch den Meisten, wenn sie denn überhaupt jemand kennt, als Malerin mit Farben in Erinnerung und weniger als Tonmalerin. Mit 81 Jahren stirbt die Künstlerin. In ihrer Wiener Wohnung brennt es wegen eines defekten Ofens und Maria Bach erliegt einer Rauchgasvergiftung.
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Maria Bach (1896-1978) “Wolgaquintett” für 2 Violinen, Viola, Violoncello und Klavier
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Sendung: "Allegro" am 11. März 2024 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK