San Francisco, 18. April 1906. Der weltberühmte Tenor Enrico Caruso wäre beinahe Opfer eines Erdbebens geworden. Er gastierte in dieser Stadt, als sich das Unglück ereignete. Wie sich Caruso in der Situation verhielt, darüber wird sehr unterschiedlich berichtet.
Bildquelle: mauritius images/United Archives
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Es war eine der größten Naturkatastrophen in der Geschichte der Vereinigten Staaten, ein Unglück, bei dem mehr als 3.000 Menschen ihr Leben verloren. Um 5.12 Uhr morgens erschütterten schwere Erdstöße 42 Sekunden lang die Stadt. Häuser stürzten ein, Feuer brachen aus und verwandelten die erwachende Metropole in ein Trümmerfeld.
Enrico Caruso, einer der Großen der Opernbühne, hielt sich an jenem Unglückstag in San Francisco auf. Am Abend zuvor hatte der Tenor im örtlichen Opernhaus gastiert. "Carmen" stand auf dem Programm. Caruso war jedoch nicht in Bestform gewesen. Er wirkte müde vom Tourstress – und nervös, denn er hatte gehört, zuhause in Neapel sei der Vesuv ausgebrochen. Ein böses Omen, könnte man sagen.
Am folgenden Morgen wurde Caruso in seiner Luxussuite im "Palace-Hotel" vom Erdbeben aus dem Schlaf gerissen. Das Gebäude schwankte, "wie ein Schiff auf hoher See". Der Held des Theaters reagierte im Angesicht von realer Lebensgefahr und echter Zerstörung so, wie wohl jeder reagieren würde: Er brachte sich schnell in Sicherheit. Die Meldungen der Sensationspresse aber schlugen Kapriolen: Die einen behaupteten, Caruso habe im raucherfüllten Hotelkorridor ein Hohes C geschmettert und ein signiertes Foto von Präsident Roosevelt an seine Brust gedrückt. Andere berichteten, der Tenor habe nur im Pyjama bekleidet, mit seinem Pelzmantel über dem Arm und einem Nachttopf in der Hand, schluchzend das Weite gesucht.
Natürlich hatte ich Angst, wie alle anderen auch. Aber ich habe nicht den Kopf verloren.
Nach diesem Tag ist Enrico Caruso nie mehr nach San Francisco zurückgekehrt.
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Sendung: "Allegro" am 18. April 2024 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK