Wien, 28. März 1999. Der Tod, das muss bekanntlich ein Wiener sein. Pianist Friedrich Gulda war auch einer, ein Ur-Wiener. "A Musiker wie I, der stirbt vielleicht amal, aber oid werd der nie." So sagte er von sich.
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28. März 1999 - Skandalumwitterter Pianist
Guldas Wiederauferstehung
An jenem 28. März schickt Friedrich Gulda, einer der gefeiertsten Klassik-Pianisten und einer der meistgeschmähten Jazzer des 20. Jahrhunderts, an die Austria Presse Agentur ein anonymes Fax mit der Nachricht seines eigenen Todes. Um 17 Uhr 52 geht die Eilmeldung um die Welt. "Dringend! Österreichischer Pianist Gulda gestorben". Angebliche Todesursache: Schlaganfall. In den Redaktionen werden unter Hochdruck Nachrufe geschrieben oder aus den entsprechenden Fächern hervorgezogen. War ja klar, dass die Herren Kritiker sich nicht an die "letztwillige Anordnung" halten würden, die Gulda bei seinem Anwalt hinterlegt hatte. Bei seinem Tod, hatte er verfügt, habe jeder Nachruf gefälligst zu unterbleiben. Speziell in seiner "lieben Heimatstadt Wien" sei über ihn "so viel Blödsinn verzapft" worden, da wolle er verhindern, dass dieser Schmutz ihm auch noch ins Grab nachgeschmissen werde.
Doch wozu das ganze? Warum dieser grimmige Hass auf den Klassikbetrieb? "Weil ich das nicht mehr zu ertragen gewillt bin; dass man mir Vorschriften macht." Wer Gulda ärgern wollte, musste ihm nur Komplimente machen. Wenn Kritiker Guldas geniales Beethoven-Spiel rühmten und dabei seine große Leidenschaft, den Jazz, als verzeihlichen Spleen abtaten, dann brachte ihn das zur Weißglut.
Seine Kritiker nannte Gulda "Niederer Klerus in ihrem Ghetto" und "Klassik-Volltrotteln". Dem Publikum erging es kaum besser: "Hundertjährige Gelähmte und stinkreaktionäre Kunst-Lemuren" sah er im Zuschauerraum. Die Beschimpften ließen sich das mit erstaunlicher Geduld gefallen; auch, dass er manchmal in Badehose spielte und einmal sogar ganz ohne - wenn, ja wenn sich Gulda nur bereit fand, neben seinem etwas zu glatten Jazz auch ein bisschen Mozart, Beethoven und Debussy zu spielen. Denn das tat er unvergleichlich gut.
Zwei Tage nach der von ihm selbst lancierten Todesmeldung flog übrigens der Schwindel auf. Gulda lebe, hieß es nun, und werde an Ostern in Salzburg bei einer multimedialen Auferstehungsparty auftreten. Der Neunundsechzigjährige fuhr im roten Ferrari vor, eine junge Freundin im Arm, und schritt beherzt den Kamerateams entgegen. Dann nahm er sich zusammen mit einem DJ und den Paradise Girls "den Herrn Mozart" vor. Knapp ein Jahr später ist er dann wirklich gestorben. Bis jetzt jedenfalls ist nichts Gegenteiliges bekannt geworden.
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Friedrich Gulda und die Gogos...
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Sendung: "Allegro" am 28. März 2022 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK