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Uraufführung von Korngolds "Die tote Stadt" Eine Vision – alptraumhaft und faszinierend

Hamburg und Köln, 4. Dezember 1920. Erich Wolfgang Korngolds Oper "Die tote Stadt" wird uraufgeführt. Korngold ist 23 Jahre alt, aber längst kein Unbekannter mehr. Vier Jahre ist es her, dass der Münchner Generalmusikdirektor Bruno Walter Korngolds Einakter "Der Ring des Polykrates" und "Violanta" mit großem Erfolg aus der Taufe gehoben hat. Doch schon zuvor verschlug die musikalische Frühreife des Wunderkindes dem Wiener Musikleben die Sprache. "Die tote Stadt" wird endgültig ein Welterfolg. Die europäischen Bühnen reißen sich um das Stück, 1921 greift auch die Metropolitan Opera zu.

Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Der Roman "Brügge – tote Stadt" des belgischen Symbolisten Georges Rodenbach war eine ideale Vorlage. Für den Stoff interessierte sich bezeichnender Weise auch Puccini, der übrigens schwer beeindruckt war vom jungen Korngold. Die Geschichte kreist um einen Witwer, der den Tod seiner Frau nicht verwinden kann und glaubt, ihr in Gestalt einer höchst erotischen jungen Tänzerin wieder zu begegnen. Dass er diese schließlich in einer alptraumhaften Vision erwürgt, um der geliebten Toten treu zu bleiben, wirkt leicht kolportagehaft, gleichwohl inspirierte Korngold das Ganze zu einer genialen, rauschhaft in allen Orchesterfarben schillernden Partitur, die die Grenzen der Tonalität faszinierend auslotet, doch nie überschreitet.

Zwischen Traum und Wirklichkeit

Zurecht hörte Korngolds maßgeblich am Libretto beteiligter Vater, der Musikkritiker Julius Korngold, "das tote Brügge mit seinen verlassenen Kanälen, … seinen prunkenden kirchlichen Aufzügen, dazu der Kontrast einer übermütigen Komödiantengesellschaft, verruchter Verführungen durch blutvolle Sinnlichkeit, dämonisch-rauschhafte Tänze. Alles zwischen Traum und Wirklichkeit schwankend, in den Nebel der Vision gehüllt."

"Die tote Stadt" an der Bayerischen Staatsoper – Trailer

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DIE TOTE STADT: Video magazine | Bildquelle: BayerischeStaatsoper (via YouTube)

DIE TOTE STADT: Video magazine

Rehabilitierung nach dem Tod

"Die tote Stadt" ist das Werk eines Genies. Dass Erich Wolfgang Korngold als Jude keine zwanzig Jahre später von den Nazis in die Emigration getrieben wurde und Europa ihn nicht nur an die Filmmusik in Hollywood verlor, sondern seine Musik nach dem Zweiten Weltkrieg konsequent ignorierte, ist der traurige Schlussakkord in der Karriere dieses Wunderkindes. Seit einiger Zeit wird Korngolds Musik jedoch in zunehmendem Maße wiederentdeckt.

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Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 7:40 Uhr, um 12:30 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.

Sendung: "Allegro" am 04. Dezember 2023 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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