Geidorf bei Graz, 25. März 1863: Marie Soldat-Roeger wird geboren. Wäre es nach ihr gegangen, wäre sie als Pianistin berühmt geworden. Denn Klavier spielt Marie seit ihrer frühen Kindheit – und erweist sich als außergewöhnlich talentiert. Doch dann entscheidet der Vater, dass sie Geige lernen soll. Marie ist davon erstmal gar nicht begeistert.
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Bild: Das Soldat-Roeger-Damen-Streichquartett: Elly Finger-Bailletti, Natalie Bauer-Lechner, Lucy Campbell, Marie Soldat-Roeger (von links)
"Sie ist eine echte Künstler-Natur und wohl, was Wärme und Begeisterung betrifft, die bedeutendste Geigerin", schwärmt Clara Schumann über die junge Marie Soldat. Dabei hätte deren Lebensweg auch anders verlaufen können. Maries große Liebe als Kind gilt nämlich dem Klavier, das sie schon früh sehr gut beherrscht.
Marie Soldat ist als Achtjährige bereits als Pianistin aufgetreten, als der Vater plötzlich entscheidet, dass sie Geige lernen soll. "In meinem 9. Lebensjahr musste ich anfangen das Geigenspiel zu lernen", schreibt Marie Soldat später in ihren Memoiren. Sie betont, dass es "nicht aus eigenem Antrieb" geschah, sondern auf Wunsch ihres Vaters. Der Grund? Ihr Vater, der selbst Klavierlehrer ist und sie bislang unterrichtete, hat einen Kollegen, der Geigenlehrer ist: Eduard Pleiner, "welcher wünschte, ein talentiertes Mädchen zu unterrichten." Und Marie ist begabt. Mit zehn, nach nur eineinhalb Jahren Unterricht, tritt sie bereits erstmals öffentlich als Geigerin auf.
Zwei Jahre später stirbt der Vater. Marie beginnt zu unterrichten, um die Familie zu ernähren. Dabei ist sie erst 12 Jahre alt. Doch das Mädchen hat Glück. Bald darauf lernt sie Johannes Brahms auf einer Konzertreise kennen, der sie gleich weiterempfiehlt – an den Geigengott Joseph Joachim. Der nimmt Marie nicht nur als Studentin auf, sondern unterstützt sie auch finanziell und leiht ihr eine seiner besten Geigen.
Johannes Brahms war von Marie Soldat-Roegers Interpretation seines Violinkonzerts begeistert. | Bildquelle: picture-alliance/dpa
Mit 22 Jahren kommt dann der große Durchbruch: Als erste Frau führt Marie Soldat in Wien das Violinkonzert von Brahms auf – was prompt für Skepsis und Kritik sorgt. Denn zu der Zeit ist es eher eine Seltenheit, dass eine Frau öffentlich als Geigerin auftritt. Brahms selbst aber ist nach dem Konzert ganz euphorisch: "Ist die kleine Soldat nicht ein ganzer Kerl?", ruft er und erhebt sich aus seiner Loge. "Nimmt sie es nicht mit zehn Männern auf? Wer will es besser machen?" Auf ihrer Konzerttournee in England wird Marie Soldat auch prompt als "weiblicher Joachim" gefeiert. Ihr Lehrer prägt sie in vielerlei Hinsicht – was ihr Spiel betrifft, aber auch menschlich. Zeitlebens bleiben sie in engem Kontakt.
Mit 26 heiratet sie den Wiener Polizei-Oberkommissar Wilhelm Roeger. Nach der Geburt ihres einzigen Sohnes geht das Paar allerdings getrennte Wege. Marie Soldat-Roeger beginnt wieder zu konzertieren. Und sie gründet ein Damen-Streichquartett, mit dem sie zwei Jahrzehnte lang die Spitzen-Quartetts der männlichen Kollegen in Schach hält. So wird Marie Soldat-Roeger in mehrerlei Hinsicht zu einer Vorreiterin für nachfolgende Generationen von Geigerinnen.
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Sendung: "Allegro" am 25. März 2024 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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