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Die Moskauer Philharmoniker auf Tour Geisterorchester in Hongkong?

Hongkong, 7. bis 13. August 2000. Ein berühmtes Orchester konzertiert in der Stadt: die Moskauer Philharmoniker. Alle Konzerte sind ausverkauft, das Publikum ist begeistert. Alles prima soweit. Nur eine Kleinigkeit stellt sich anschließend heraus: Welches Orchester auch immer in Hongkong gastierte - die Moskauer waren es nicht.

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Woher weiß eigentlich ein Konzertbesucher, wer das ist, den er da auf der Bühne sieht? Bei berühmten Solisten ist die Sache leicht. Wenn auf dem Podium eine Geigerin steht, die aussieht wie Anne-Sophie Mutter und spielt wie Anne-Sophie Mutter, dann ist das auch Anne-Sophie Mutter. Bei Orchestermusikern funktioniert die Methode nicht so gut. Rein optisch ist es nicht einfach, die Berliner Philharmoniker von ihren Kolleginnen und Kollegen aus Amsterdam zu unterscheiden. Da verlässt man sich dann doch lieber auf die Plakate und auf die Begleitheftchen, die es am Eingang zu kaufen gibt.

Ein ausgewachsener Skandal

Auf das Schriftwerk haben sich auch die Liebhaber klassischer Musik in Hongkong verlassen, als es hieß, dass vom 7. bis zum 13. August des Jahres 2000 eines der berühmtesten Symphonieorchester der Welt zu Gast in ihrer Stadt sei: die Moskauer Philharmoniker. Die Konzerte waren über das Hongkonger Kultusministerium zustande gekommen, jedes einzelne war ausverkauft. Das Publikum genoss die Musik, die Kritiker waren begeistert. Drei Wochen später allerdings stand in der Zeitung "South China Daily Post" Irritierendes zu lesen. Wer immer an den sieben Tagen in Hongkong aufgetreten war: Die Moskauer Philharmoniker waren es nicht. Dieses Orchester war zu der Zeit auf Tournee in Spanien und Portugal. Dmitrij Jablonskij, erster Gastdirigent der Philharmoniker, sah in dem Vorfall einen ausgewachsenen Skandal. "Es braucht Jahre," sagte Jablonskij, "bis man ein exzellentes Orchester aufgebaut hat, und dann kommt so eine zusammengewürfelte Truppe daher und behauptet, sie seien die Moskauer Philharmoniker."

Eine Zweitbesetzung?

Auch in Hongkong war man verblüfft. Der Dirigent, ein Chinese namens Ka-lok Mak, sagte, die Philharmoniker hätten wohl eine Zweitbesetzung geschickt. Das Orchesterbüro in Moskau behauptete, das sei nicht wahr, Unterorchester seien nicht erlaubt. Eine andere Auskunft lautete, dass unter dem Dachverband der Gesellschaft der Moskauer Staatsphilharmonie mehrere Symphonieorchester zusammengefasst seien, von denen offenbar irgendeins nach Hongkong gereist war. Rausfinden können hat man die Wahrheit letztlich nicht. Und so ist bis heute nicht recht klar, von wem eigentlich die Konzertbesucher in Hongkong damals so begeistert waren.

Was heute geschah

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 7:40 Uhr, um 12:30 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.

Sendung: "Allegro" am 07. August 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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