Wenn der englische König Georg I. im 18. Jahrhundert ins Boot stieg, um Fahrten auf der Themse zu machen, dienste dies weniger dem eigenen Vergnügen. Er hatte dabei Staatsgäste zu unterhalten und zu beeindrucken: daher auch das Orchester, das hinter seiner Barke herfuhr und die Gäste mit seinen Klängen erfreute. Eigens dafür entstand die "Wassermusik" von Georg Friedrich Händel. Nur gut, dass wir dieses Werk auch heute noch genießen können. Das Ensemble Concerto Köln spielt es immer wieder gern. Der ehemalige Erste Solocellist des Orchesters, Werner Matzke, erzählt, was ihn daran fasziniert.
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Die Sendung zum Anhören
Sie besteht aus drei Suiten, die "Wassermusik" von Georg Friedrich Händel. Und diese Suiten sind ganz unterschiedlich im Ausdruck. Die Nummer zwei in D-Dur ist wahrscheinlich am besten geeignet, um auf dem Wasser gehört zu werden. Hier geben fast durchgehend Trompeten und Hörner den Ton an, und auch sonst regiert ein kräftiger, sonorer Klang. "Was ich an Händel so besonders liebe, ist diese Saftigkeit, mit der er herangeht an die Musik", begeistert sich Cellist Werner Matzke über dieses Werk. "Und nicht nur an die Musik. Er hat wohl auch, sagen wir mal, dem leiblichen Wohl zugesprochen. Diese Sachen liebe ich besonders. Da ist natürlich die Nummer 3 aus der F-Dur-Suite zu nennen, die berühmte Horn-Nummer. Und aus der D-Dur Suite ist es der erste Satz, wo sich die Trompeten und Hörner einen Dialog liefern. Wir hatten das große Glück, dass uns für unsere Aufnahme unglaublich gute Hornisten zur Verfügung standen."
Wahrscheinlich sind alle drei Suiten mindestens einmal auf dem Wasser erklungen. Der "Daily Courant" berichtete am 19. Juli 1717 von der zweiten königlichen Wasserfahrt: "Am Mittwochabend, ungefähr um acht, begab sich der König in einem offenen Schiff auf eine Bootsfahrt und fuhr, von vielen anderen, mit Standespersonen besetzten Booten, begleitet, flussauf nach Chelsea. Ein Schiff der Stadtgilde trug die Musiker, die über 50 Instrumente jeglicher Art verfügten. Sie spielten die ganze Zeit die schönsten, besonders für diese Lustfahrt von Mr. Händel komponierten Symphonien, welche Seiner Majestät derart gefielen, dass sie auf dem Hin- und Herweg dreimal wiederholt werden mussten!"
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Ich denke, dass die zumindest verdoppelte Bläser hatten da draußen.
Georg Friedrich Händel | Bildquelle: ©picture alliance/Leemage Auch der preußische Gesandte Friedrich Bonet war damals dabei. Er berichtete später ausführlich darüber an Friedrich Wilhelm I. in Berlin. Laut Bonet dauerte die Aufführung etwa eine Stunde – ein Hinweis darauf, dass damals vielleicht tatsächlich alle drei Suiten gespielt worden sind. Für die Musiker war es sicher eines ihrer schwierigsten Konzerte: Der Schall verflog über dem Wasser im Nu. Und so war es mühsam, die vielen Feinheiten dieser Musik herauszuarbeiten. Wie anders ist da doch die Akustik im Konzertsaal. "Im Freien herrscht eben eine Open-Air-Akustik. Man spielt und zack, weg ist der Klang", erklärt Werner Matzke. "Ich denke, dass die zumindest verdoppelte Bläser hatten da draußen. Was man immer merkt, wenn man mit einer großen Besetzung spielt, ist, dass man mit einem dicken Pinsel arbeiten muss. Diese ganz kleinen, filigranen Sachen kommen nicht so raus. Aber auch wenn wir in geschlossenen Räumen sind, mit nicht ganz so großer Besetzung, sollten wir möglichst feinziselieren." Dazu bietet sich vor allem die Dritte Suite aus der Wassermusik an, die leicht und luftig gearbeitet ist, und nur mit Flöten und Streichern besetzt. Oder aber auch das Andante aus der Suite Nr. 1: Wie sind damit wohl damals die Musiker des Königs fertig geworden, auf einem schaukelnden Boot?
So elegant wie dieses Andante sind viele der Sätze in der Wassermusik. Händel gelingt es, in diesen Suiten die französische Tanzmusik in der Tradition von Jean-Baptiste Lully raffiniert mit dem italienischen Konzertstil zu verschmelzen. Und als dritten landestypischen Einfluss lässt er dann ab und zu noch die Tanzmusik seiner neuen Heimat England anklingen.
Concerto Köln | Bildquelle: © Harald Hoffmann
Wann genau Händel seine "Wassermusik" geschrieben hat, ist heute nicht mehr bekannt. Seine eigenen Manuskripte davon sind verschollen. Wahrscheinlich schrieb er die Suiten sogar zu unterschiedlichen Zeiten. Mindestens eine von ihnen entstand wohl schon für die erste Bootspartie des Königs im August 1715: "Man schlug dem König eine Lustfahrt zu Wasser vor", heißt es in einem zeitgenössischen Bericht. "Händel bekam Wind davon und wurde Rats, eine geschickte Musik zu dem Ende anzustellen. Er selbst vollzog und führte sie auf, ohne dass es der König wusste, der sich aber darüber sowohl verwunderte als ergetzte."
Bei dieser Gelegenheit soll sich Händel auch mit dem König versöhnt haben. Denn auch als Georg I. noch in Hannover gewesen war, hatte Händel schon unter ihm gedient. Und der König hatte es ihm übelgenommen, dass er damals einfach nach London gegangen war.
Die Londoner Theater und Konzertsäle haben die "Wassermusik" schon bald nach den Bootsfahrten in ihre Programme übernommen. Heute wird sie weltweit ständig gespielt. Für Werner Matzke verliert sie dadurch nichts von ihrer Faszination. "Man kann nicht immer nur unbekanntes Zeug spielen. Oft ist es ja auch nicht ohne Grund, dass diese Werke so berühmt sind. Das macht einfach Spaß."
Georg Friedrich Händel:
"Wassermusik", Drei Suiten HWV 348, 349 und 350
Concerto Köln
Leitung: Anton Steck (Konzertmeister)
Label: BERLIN Classics
Sendung: "Das starke Stück" am 14. Mai 2024, 19:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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