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Jacques Offenbach

Der Orpheus vom Rhein

Das Leben des Jacques Offenbach (2) Orpheusvilla am Hügel

Nach den 227 Vorstellungen in den Bouffes Parisiens tritt Orphée aus Enfers seinen Siegeszug über die Bühnen Europas an. Es ist ein bisher nicht dagewesener Erfolg, er ermöglicht seinem Erfinder Jacques Offenbach endlich ein sorgenfreies Dasein.

Jacques Offenbachs Villa | Bildquelle: BR/Alex Naumann

Bildquelle: BR/Alex Naumann

Als erstes lässt sich Offenbach im normannischen Küstenort Étretat ein Anwesen mit Blick aufs tiefblaue Meer erbauen: die "Villa Orphée". Hier schlägt jeden Sommer das Herz der Familie, auch wenn deren Oberhaupt selbst dann öfter auf Reisen ist. Wie in Paris werden auch in Étretat Freunde empfangen. Die Soireen im Hause Offenbach sind legendär und kostspielig: Da werden Komödien und pantomimische Rätsel gespielt oder kleine Parodien großer Opern. Da bläst Offenbach die Rohrflöte und bringt dadurch die ganze Gesellschaft zum Weinen - vor Lachen über seine Interpretation des "Miserere" aus Verdis Troubadour. Auch Kostümbälle gibt es. Auf einem davon verkleidet sich der Komponist als Feldhüter. In diesem eigens für ihn und diese Gelegenheit entworfenen Kostüm bringt er dann seine Hühnerhof-Symphonie für Bigophonorchester zu Uraufführung, einer Ansammlung johlender Tröten. Und während sich die Kollegen Georges Bizet und Léo Delibes als Babies präsentieren, kommt der Graphiker Gustave Doré als Akrobat auf den Händen hereinspaziert.

Die Bühne im Billard-Zimmer

Auch Librettisten wie Hector Crémieux und Ludovic Halévy sind gern gesehene Gäste, ebenso der Dramatiker Victorien Sardou, für den der Komponist eine besondere Zuneigung hegt. Wie sich sein Enkel Jacques Brindejoint-Offenbach erinnert, wurde bei solchen Programmen die Bühne im Billardzimmer aufgeschlagen, das vom großen Salon wiederum durch Schiebetüren getrennt war, die sowohl als Kulisse wie als Vorhang dienten. Die Dekorationen wurden von den jeweils anwesenden Malern angefertigt, und selbst Gustave Doré weigerte sich nicht, Pinsel und Kleisterbürste dabei zu handhaben. Die Proben bildeten die fröhlichsten Momente. Offenbach spielte selten mit, aber sein innerer Dämon zwang ihn stets, obwohl er tausend Eide geschworen hatte, sich um nichts zu kümmern, die Spielleitung zu übernehmen. Manchmal nahm er diese Aufgabe so ernst, dass er ganz vergaß, dass es sich um Amateure handelte, die bloß zu ihrem Vergnügen spielten. Nervös, als wäre er im Theater, war er doch überglücklich, bei sich zu Hause in Étretat zu sein.

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