Jacques Offenbach
Der Orpheus vom Rhein
"Von einem großen Kreise älterer und jüngerer Damen umgeben, die athemlos dem Gesange seines Cellos lauschten, spielte er eine seiner schmachtenden Piècen, als die außerordentlich magere Gestalt des Virtuosen plötzlich zusammenklappte und in eine malerische Ohnmacht fiel."
Bildquelle: BR/Alex Naumann
"Nun entstand ein wahrer Aufruhr unter der Damenwelt und Offenbach wurde von allen Seiten umringt und zärtlich bearbeitet. Die feinsten beglacéhandschuhten Händchen streichelten seinen interessanten Künstlerkopf (er trug damals weder einen Eulenkneifer noch Bartkotelettes), um ihn wieder dem Leben zurückzugeben. Kaum wieder erwacht, war er der Held des Abends geworden und auf diese Weise vergrößerte sich sein Ruf als Virtuose immer mehr." Diese Schilderung aus einem Salon des Jahres 1841 beschreibt stilgerecht die musikalische Welt, in der sich Offenbach als Cello-Virtuose bewegt. Nachdem er das Konservatorium 1834 schon nach einem Jahr verlassen hatte, lernt er bald alle bunten Seiten auch des musikalischen Pariser Lebens kennen und lieben. Er leitet erst den Chor der Synagoge, schlägt sich nachts als Theatermusiker durch, wird deshalb vom Rabbi verstoßen und stattdessen Mitglied im Orchester der Opéra Comique. Dort langweilt er sich bald so sehr, dass er sich mit seinem Pultnachbarn, dem später ebenfalls als Virtuosen berühmt gewordenen Hippolyte Séligmann, einen Spaß daraus macht, jeden Ton ihrer gemeinsamen Stimme immer jeweils abwechselnd zu spielen.
Parallel studiert Offenbach bei Formental Halévy Komposition und schreibt Walzer, die durchaus Beachtung finden. Aber er will mehr. Es entstehen erste Nummern für die Bühne, vor allem aber Virtuosenstücke für das Cello. Doch für eine Solokarriere fehlt ihm das entsprechenden Renommee. Dazu verhilft ihm 1838 sein Landsmann und Kollege Friedrich von Flotow, der spätere Komponist von Martha oder der Markt zu Richmond. Als Adeligem stehen ihm die Salons offen und er rät Offenbach, sich dort "Ruf und Lebensunterhalt zu erringen. Man produciert sich daselbst einige Male, gibt dann ein Koncert und sendet jeder Familie, in deren Salon man sich hören ließ, ein Dutzend Billette zu hohem Preise. Fast niemals werden dieselben zurückgewiesen. Auf diese angenehme Weise kann ein strebsamer Künstler sich in Paris leicht erhalten."