Jacques Offenbach
Der Orpheus vom Rhein
"Sobald er fertig war, rief Offenbach seine Frau, der er mit gespitzten Lippen zu Gehör brachte, was er eben niedergeschrieben hatte. Wenn die zärtlich-gestrenge Richterin es nicht ohne Einschränkung billigte, so belehrte er sie: 'Das ist sehr gut, meine liebe Freundin, ich danke Ihnen und bin untröstlich, Sie unnütz gestört zu haben ... Aber Sie verstehen absolut nichts davon.'"
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"Doch schon einen Moment später rief er sie abermals: 'Hören Sie zu, Herminie, vielleicht gefällt es Ihnen so besser.' Und dann spielte er ihr die neue, meist endgültige Fassung vor. Meine Großmutter pflegte alsdann ihren bewunderungswürdig schönen Arm gegen ihn auszustrecken und auszurufen: 'Na also, Herminie hatte wieder mal recht!' "
Wenn den Erinnerungen seines Enkels zu trauen ist - und es spricht wenig dagegen! - dann spielt in Jacques Offenbachs Leben seine Frau Herminie eine tragende Rolle. Kennengelernt hat er sie im Jahre 1841 auf einer Soirée im Hause Mitchell. Madame Mitchell, die Hausherrin, war die Witwe eines spanischen Generals und hatte in ihre zweite Ehe mit Herrn Mitchell eine Tochter mitgebracht: die damals 15-jährige Marie Manuela Herminie d'Alcain. Der sieben Jahre ältere Jacques verliebt sich Hals über Kopf in das temperamentvolle Mädchen, widmet ihr schmachtende Chansons, einen Walzer und hält um ihre Hand an. Die Mitchells sind grundsätzlich nicht abgeneigt, doch muss der Musikus erst beweisen, dass er seine Braut auch versorgen kann und wird deshalb erst einmal auf Tournee nach England geschickt. Die wird ein solcher Erfolg, dass er drei Jahre später wieder um Herminies Hand anhält. Jetzt gibt es nur noch ein Hindernis: seine Religion. Die Mutter besteht auf einer katholischen Hochzeit. Und so konvertiert Offenbach seiner Frau zuliebe vom Judentum zum Katholizismus, ein damals keineswegs ungewöhnlicher Schritt - den ihm sein Vater allerdings erst kurz vor seinem Tod verzeihen wird. Es wird eine glückliche Ehe, aus der zwischen 1845 und 1862 vier Töchter und ein Sohn hervorgehen. Nach bescheidenen Anfangsjahren in der Passage Saulnier, zog die Familie später standesgemäß in der Rue Laffitte und residierte schließlich am Boulevard des Capucines, im damals modernsten und edelsten Viertel der Hauptstadt, unmittelbar neben der im Bau befindlichen neuen Opera Garnier. Hier wie dort ist für Offenbach die Familie der erholsame Ausgleich zum anstrengenden Theaterbetrieb, der Ruhepol seines rastlosen Lebens.