Zum Abschluss ihres ersten Bayreuther "Ring"-Dirigats wird Simone Young vom Publikum frenetisch gefeiert, während sich an der Inszenierung von Regisseur Valentin Schwarz nach wie vor die Geister scheiden.
Bildquelle: ©Enrico Nawrath
Was die Zukunft bringt, das wissen wohl wirklich nur die Nornen. Doch in der Geschichte der Bayreuther Festspiele gab es immer wieder Produktionen, die nach anfänglichen Unruhen Kultstatus erreichten. Man denke etwa an den "Lohengrin" von Hans Neuenfels oder die "Ring"-Inszenierungen von Patrice Chéreau und Frank Castorf, die alle mit lautstarken Protesten begannen und später von einer stetig wachsenden Fangemeinde mit Ovationen verabschiedet wurden. Dass Regisseur Valentin Schwarz eine ähnliche Wiedergutmachung erleben wird, scheint derzeit aber weiterhin unwahrscheinlich. Auch im dritten Jahr wird seine Deutung des "Ring des Nibelungen" vom Publikum immer noch zornig abgestraft. Und als er sich am Ende der "Götterdämmerung" vor dem Vorhang zeigt, mischen sich nur wenige überzeugte Bravorufe in das aggressive Buh-Gewitter. Eine Reaktion, die in dieser Heftigkeit nicht durchwegs nachvollziehbar ist.
Lesen Sie hier ein ausführliches Interview mit dem Regisseur Valentin Schwarz über seine Deutung von Wagners Ring.
Sicher, das Konzept hat im Laufe der vier Opern seine Höhen und Tiefen. Gerade weil Schwarz manchmal ein wenig zu viel will, sich mit seiner konsequenten Entmythologisierung zuweilen selbst ein Bein stellt und manche Chance verschenkt. Doch scheint man darüber nur zu schnell die positiven Seiten zu verdrängen, über die dieser "Ring" nun mal eben auch eindeutig verfügt. So zu sehen etwa in der dicht gearbeiteten "Walküre". Dass Schwarz Personen genau zu führen versteht, zeigt sich am letzten Tag der Tetralogie erneut unter anderem im atmosphärisch aufgebauten zweiten Aufzug. Wenn Hagen bei seinem Boxtraining von Alberich mit neuen Hass-Parolen aufgewiegelt wird, wenn der stimmgewaltige Chor seinen beklemmend inszenierten Auftritt bekommt, oder wenn die drei Verschwörer Siegfrieds Tod planen, während im Hintergrund das rauschende Hochzeitsfest gefeiert wird.
Bildquelle: © Enrico Nawrath Im Gegensatz zur Regie wird Simone Young geradezu mit Ovationen überschüttet. Als erste Frau hat sie nun den "Ring"-Zyklus auf dem Grünen Hügel dirigiert und dabei mit epischer Breite das solide musikalische Fundament gebaut, das der umstrittenen Inszenierung in den Vorjahren zuweilen fehlte. Ohne sich zu verkünsteln oder in falschem Pathos zu verlieren, führt die Dirigentin das Orchester an straffen Zügeln durch die Partitur, bleibt dabei aber gleichzeitig souverän genug, um die Dinge hin und wieder auch mal entspannt laufen zu lassen. Denn ähnlich wie oben auf der Bühne steht bei Simone Youngs dynamisch differenzierter Lesart vor allem das Menschliche im Zentrum.
Davon profitieren auch die Sängerinnen und Sängern. Catherine Foster als erfahrene Brünnhilde darf sich hier ebenso sicher aufgehoben fühlen wie Rollen-Neuling Klaus Florian Vogt. Obwohl sein heller, lyrischer Tenor für den Siegfried oft etwas leicht erscheinen mag, biegt er sich die Rolle gut zurecht und verleiht ihr eine gewisse naive Unschuld. Was für Mika Kares umso leichteres Spiel bedeutet. Als Hagen agiert er mit der angemessenen Brutalität, kann seinen tiefschwarzen Bass wenn nötig aber durchaus sanft zurücknehmen. Was den intriganten Mörder nur umso gefährlicher macht.
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Bildquelle: © Enrico Nawrath Es wäre der Produktion zu wünschen, dass nach zahlreichen Umbesetzungen fürs kommende Jahr nun endlich etwas Stabilität auf der Besetzungsliste einkehrt. Und vor allem, dass auch Simone Young nach ihrem glänzenden Einstand in den Graben zurückkehren darf. Hat sie doch bewiesen, über welches Potenzial dieser "Ring" verfügt, wenn Bühne und Graben an einem Strang ziehen.
Sendung: "Piazza" am 3. August 2024 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (13)
Freitag, 16.August, 12:59 Uhr
Trappe
Entmündigung des Publikums
Was Regisseure heute fabrizieren, stellt eine Entmündigung des Publikums dar. Die Arroganz der profilierungssüchtigen Regisseure besteht darin, die Botschaft so über pointiert dem Publikum aufs Brot schmieren zu wollen. Dabei verlieren sie den Sinn für eine Idee einer guten Umsetzung. Das Buh als Ausdruck des Missfallens ist genauso erlaubt, wie bei Gefallen zu klatschen und gegebenenfalls durch Bravorufe zum Ausdruck zu bringen.
Und wieso überrascht es nicht, dass die Frauen hier so huchgejubelt werden. Ist dies politisch erwünscht? Nach Thielemann droht Bayreuth nun der musikalische Absturz schlechthin...
Donnerstag, 08.August, 13:50 Uhr
Stefan Baumann
Diskursgeschwafel
@Thomas Bernauer: ich bin dieses Gesabbel über "Diskurs" und "Beschäftigung mit der Intention des Regisseurs" so leid. Ich schaue und höre jetzt seit 40 Jahren Wagner - ich habe das verdammte RECHT, dieses Valentin-Schwarz-Machwerk (meine Meinung) so laut auszubuhen, wie ich kann. Die "Bravo-Rufer" können ja einfach gegenhalten!
Montag, 05.August, 03:06 Uhr
Christoph Bayer
Traurigkeit
Was die Zuschauer nicht polarisiert, sondern vielmehr mehrheitlich traurig macht, ist meiner Ansicht nach die Lieblosigkeit alles Visuellen in dieser Inszenierung.
Die Idee hätte für mich schon Potenzial; der Anfang des Rings im 2001 Style +DNA +Martix (was in der Schlußsequenz hier noch mal zitiert wird) fixt erstmal richtig an; da kommt sicher was - doch es kommt nichts; die Idee verschwindet geräuschlos, die Partitur wird ohne große Momente abgearbeitet.
Und der traurige Teil beginnt: langweilig kombinierte Zimmerdekos stehen bleiern als Bühnebild herum, jede Geschwindigkeit wird aus der Handlung genommen, das Orchester spielt hilflos
dagegen an.
Warum nur? Es macht so traurig; gerade, weil man ja bei Sängern und Orchester das Herzblut spürt!
Das wiederum rührt und begeistertert die Zuschauer; das macht Bayreuth so besonders ... wieso nur konnte der Ort den Regiesseur und den Bühnenbildner nicht auch begeistern?
Ich bin nicht wütend auf die Regie; es ist einfach so schade.
Sonntag, 04.August, 22:06 Uhr
Dorfrichter Adam
Buhgewitter
Vorab: Ich habe nicht gebuht, sondern lediglich aufgehört zu applaudieren. Ich halte Buhen aber für eine ebenso legitime Meinungsäußerung wie starken Applaus. Und ich kann die Verärgerung von Zuschauern verstehen, die sich durch diese Inszenierung ebenso in ihrem Kunstgenuss beeinträchtigt gefühlt haben wie durch ein dreimaliges Handyklingeln zu Beginn von Siegfrieds Trauermarsch.
Sonntag, 04.August, 18:14 Uhr
Frédéric Renard
Nicht Nachvollziehbar
Die heftigen Buhs für Valentin Schwarz nach der Götterdämmerung sind für mich nicht nachvollziehbar. Ja, es gibt in seiner Inszenierung einige Schwachstellen und Ungereimtheiten, (z.B. Grane als Diener Brünhildes, die hochschwangere Sieglinde und Siegfrieds Geburt nach dem zweiten Akt, der Ring transferiert auf Kinder – zunächst Hagen, dann aus irgendwelchen Gründen transferiert auf Siegfrieds und Brünhildes Tochter, die schwangere Person während Brünhildes Schlussgesang) die sich mir nicht wirklich erschließen lassen. Aber es gibt auch viele hervorragende Ideen und Umsetzungen in diesen vier Werken, die einen Besuch dieses Rings sehr lohnenswert machen, so Erda als ständige Beobachterin im Rheingold, Hunding als Kläger in der Walküre – Fafner als alter Greis im Siegfried, Gunter und Gutrun als die „Geissens“ oder Gunter als Otto Waalkes Verschnitt. Für mich ein durchaus sehenswerter Ring. Sängerisch und musikalisch ließ es überhaupt keine Wünsche offen.
Sonntag, 04.August, 12:18 Uhr
Claus Grünewald
Konzept
Zwei wirklich starke Szenen in der Walküre (Todverkündung und Wotans Abschied) machen in insgesamt ca. 16 Stunden Werk nicht wirklich viel aus. Am Ende einer Götterdämmerung nach vier Abenden bunten Gewusels mit vielerlei Unlogik und Generve wünschte ich mir zur Schlussmusik nur sehnlich, dass doch endlich der Vorhang sich schließen möge.
Samstag, 03.August, 23:21 Uhr
Dorfrichter Adam
Ein paar luzide Momente (Schlussbild Walküre, Chor in der Götterdämmerung) können nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Regiearbeit die Intelligenz des Zuschauers beleidigt und für die Tonne ist. Der Regisseur will zu viel - genau den Gedanken hatte ich gestern auch; es geht ihm wie Gunter, der sich an Brünnhilde verhebt.
Samstag, 03.August, 19:14 Uhr
Eckard Isphording
Unverständnis
Gestern Abend habe ich der Götterdämmerung beigewohnt. Im letzten Jahr ebenfalls. Über die Inszenierung lässt sich sicher diskutieren und streiten. Das aggressive Buh-Gewitter war völlig überzogen und unfair. Es gibt viele einfallsreiche und passende Momente in diesem Ring, die gewürdgt werden sollten.
Nach der Vorstellung habe ich nicht wenigen Gesprächen gelauscht, die von der Inszenierung angetan waren. Unverständlich ist für mich auch, wie man nach einer so genussreichen Zeit in Aggression verfallen kann. Bei allem gewesenen sollte Sachlichkeit und Mäßigung geübt werden.
Im übrigen waren die Buh-Rufer um mich herum mit Sicherheit keine Wagnerianer, sondern Gelegenheitsbesucher. Unqualifizierte Kommentare und Handy-Gefummel weisen darauf hin.
Es wäre wünschenswert, wenn ein generelles Handy-Verbot eingeführt werden würde.
Samstag, 03.August, 18:28 Uhr
Rainer Brenner
Dirigat von Simone Young
Nach dem ich am 11.1 an gleicher Stelle die Wahl von Simone Young als langweilig tituliert habe - " Asche über mein Haupt " und Chapeau für dieses Ring Dirigat - das ich bisher nur im Radio gehört habe und nun ab dem 20.8 im Festspielhaus hören darf.
Natürlich auch Danke an die Sänger*innen für die großartigen Leistungen und BR Klassik für die Übertragungen incl. perfekter Moderation !
Die Spannung auf den 2ten Ring ist gegeben.
Die Inszenierung von Schwarz ist keine Offenbarung, aber eine Katastrophe ist nur das was aktuell in den Krisengebieten unserer Welt passiert. Bis auf Ausnahmen ( zb. Brutalität bei Grane - absolut sinnlos ) kann ich mich mit seiner Sichtweise auseinandersetzen - ob ich Sie akzeptiere ist ein anderes.
Was bleiben wird ist wie immer die Musik aus der wir zum Ende die Hoffnung hören und das ist und bleibt ein hehrstes Wunder.
Samstag, 03.August, 17:54 Uhr
Thomas Bernauer
Inakzeptabel
Buhgewitter, gleich gegen welche Beteiligte einer Produktion, sind Ausdruck von Bosheit und Großkotzigkeit. Niemand ist berechtigt, seine Sicht zum allein gültigen Maßstab zu erheben und dies durch unflätiges Benehmen in den Saal zu brüllen. Zu einem sinnvollen Diskurs sind leider nur die allerwenigsten Pöbler willens, geschweige denn überhaupt der Lage. Und komme bitte niemand mit dem Argument fehlender "Werktreue" daher.
Samstag, 03.August, 15:24 Uhr
Dietmar
Götterdämmerung
Während bei den ersten Teilen noch Castorfs Inszenierung überzeugender war, hat am Ende die Götterdämmerung grandios bewiesen, dass Valentin Schwarzes Konzept voll aufgeht. Er hat sich nicht im klein klein verloren, sondern Wagners Story auf den Punkt gebracht. Bravo!
Samstag, 03.August, 14:27 Uhr
Hajo
lächerlich
Kein Geist scheidet sich an Valentin Schwarz' Inszenierung, wie der Rezensent behauptet. Das Buhgewitter und alle Äußerungen sind seit nun 3 Jahren unmissverständlich. Diese Produktion ist eine Katastrophe, alle 4 Abende lang. Nur gekrönt von Heintje, der Siegried tröten darf.
Samstag, 03.August, 13:55 Uhr
Alexander Störzel
"Weißt Du, wie das wird?"
....wie der Titel des Buches von Peter Wapnewski.
Vielen Dank für die Audioübertragungen, es hat mir sehr gut gefallen, vor allem das Dirigat und das Orchester. Vogt in der "Götterdämmerung" einige Textfehler, als Jung-"Siegfried" fasznierte er mich vor allem auch im Schlussduett.
Auch der erste Akt "Walküre" war eiindrucksvoll.
Es könnte meinetwegen wieder von vorne beginnen.
Clemens Nicol hat ausgezeichnett moderiert, ich hatte das Gefühl im Festspielhaus zu sitzen.